Mit der großen Beschäftigtenbefragung im Frühjahr 2013 hat die IG Metall das Fundament ihrer Forderungen an die Parteien zur Bundestagwahl gelegt. Das Ergebnis beim Thema Rente war eindeutig: Nur ein Drittel der Befragten sieht sich in der Lage, bei gleichbleibenden Anforderungen im Beruf bis zu einem Renteneintrittsalter jenseits der 65 durchzuhalten. Mehr als 40 Prozent glauben, dass ihre gesetzliche Rente nicht ausreichen wird, um im Alter gut zu leben.
Statt einer starren Einheitsrente mit 67 brauchen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen flexiblen und abschlagsfreien Übergang in die Rente – und zwar in eine Rente, die ihren Lebensstandard sichert. Und bis dahin benötigen sie alterns- und altersgerechte Arbeitsplätze. Mit diesen Forderungen hat die IG Metall die Parteien vor der Bundestagswahl konfrontiert – mit einigem Erfolg wie ein Blick in den schwarz-roten Koalitionsvertrag zeigt:
Abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren
Laut Koalitionsvertrag sollen Arbeitnehmer ab Juli 2014 nach 45 Beitragsjahren – wozu auch Zeiten der Arbeitslosigkeit zählen – schon mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Bisher war das erst mit 65 Jahren möglich. „Das ist sehr zu begrüßen und mehr als gerecht“, bewertet Detlef Wetzel die Vereinbarung. „Dass Beschäftigte nach 45 Beitragsjahren ohne Abschläge in Rente gehen können, fordern wir seit langem. Wenn Union und SPD das jetzt in ihrem Koalitionsvertrag festschreiben, ist das auch ein Erfolg der IG Metall, weil sie bei dem Thema nicht locker gelassen hat“, so der Erste Vorsitzende der IG Metall.
Das vorzeitige Ausstiegsalter soll parallel zum allgemeinen Regelaltersgrenze steigen. Wenn diese 2031 bei 67 Jahren angekommen ist, wird der vorzeitige Ausstieg nicht mehr mit 63, sondern erst mit dem vollendeten 65. Lebensjahr möglich sein. Was konstant bleibt, sind die 45 Beitragsjahre als Voraussetzung.
Erwerbsminderungsrente
Verbessern will Schwarz-Rot auch die Situation von Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen einer Erwerbstätigkeit nicht mehr oder nur stark eingeschränkt nachgehen können Die Zurechnungszeiten bei der Erwerbsminderungsrente werden ebenfalls ab Juli 2014 um zwei Jahre von 60 auf 62 angehoben. Für die letzten vier Jahre vor der Erwerbsminderungsrente soll eine Günstigerprüfung erfolgen. „Die Anhebung der Zurechnungszeiten bei der Erwerbsminderungsrente stellt eine Verbesserung dar“, sagt Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. Erwerbsminderungsrentner würden künftig so behandelt, als hätten sie bis zum vollendeten 62. Lebensjahr gearbeitet.
„Allerdings sollen Erwerbsgeminderte auch zukünftig mit Abschlägen bestraft werden und die Zugangshürden zur Erwerbsminderungsrente bleiben viel zu hoch“, kritisiert Urban. Nahezu die Hälfte aller Anträge werde derzeit abgelehnt, woran sich auch unter der großen Koalition nichts ändern solle, so Urban.
Lebensleistungsrente
Mit der Einführung einer solidarischen Lebensleistungsrente in Höhe von rund 850 Euro möchten die Koalitionäre ab voraussichtlich 2017 jene besser versorgen, die fast immer gearbeitet aber wenig verdient und in die Rentenkasse einbezahlt haben. Ihre Rentenentgeltpunkte sollen aufgewertet werden, wenn sie nach 40 Beitragsjahren – darunter bis zu fünf Jahre Arbeitslosigkeit – weniger als 30 Punkte erreichen. Bis 2013 genügen 35 Beitragsjahre, danach soll eine zusätzliche Altersvorsorge Voraussetzung für den Zugang zur Lebensleistungsrente sein. Eine solidarische Lebensleistungsrente hat vor allem positive Effekte für Geringverdiener und Menschen, die Angehörige gepflegt oder Kinder erzogen haben.
Mütterrente
Sinnvoll ist aus Sicht der IG Metall auch die Einführung der Mütterrente für alle Mütter oder Väter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Ab Juli 2014 soll ihre Erziehungsleistung mit einem zusätzlichen Entgeltpunkt in der Alterssicherung berücksichtigt werden.
Betriebliche Altersvorsorge
Positiv festzuhalten bleibt, dass Schwarz-Rot die betriebliche Altersvorsorge stärken möchte. Die Koalitionäre wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sie auch in Klein- und Mittelbetrieben hohe Verbreitung findet.
Alterns- und altersgerechte Arbeitsplätze
Union und SPD haben erkannt, dass Beschäftigte Arbeitsplätze brauchen, an denen sie gesund altern und im Alter gut arbeiten können. Dabei sehen sie laut Koalitionsvertrag insbesondere die Betriebe in der Pflicht, eine angemessene Personalpolitik zu entwickeln. Unterstützen will die Koalition sie dabei mit der Fortführung der „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ (INQA), an der sich auch die IG Metall beteiligt.
Was offen bleibt
Diesen positiven Aspekten in der Rentenpolitik der großen Koalition steht entgegen, dass sie der Forderung nach der generellen Abschaffung der Rente mit 67 nicht nachkommt. Unklar bleibt auch, wie flexible Übergänge in die Rente gestaltet werden sollen. Und auf die Frage, wie die Quote der älteren Beschäftigten durch mehr altersgerechte Arbeitsplätze erhöht werden soll, findet sich im Koalitionsvertrag ebenfalls keine Antwort. Eine weiteres Problem: Änderungen der Rentenformel sind nicht geplant, sodass das Rentenniveau weiter sinkt. Lebensstandardsicherung und Armutsvermeidung sind so nicht gewährleistet.
Fazit
Dennoch hat sich gelohnt, dass Gewerkschaften – nicht zuletzt die IG Metall mit ihrer Kampagne „Gute Arbeit – gut in Rente“ – den Druck auf die Politik aufrecht gehalten haben, faire Altersübergänge für die Beschäftigten zu schaffen. Die Vereinbarungen zur Rentenpolitik im schwarz-roten Koalitionsvertrag bringen vielen Menschen spürbare Verbesserungen und sind ein guter Schritt in die richtige Richtung.