IG Metall und ILO
„Wir sind geborene Partner“

Guy Ryder ist der Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Als prominenter Gast des Gewerkschaftstags der IG Metall spricht er über die Zukunft der Arbeit, seine Heimatstadt Liverpool, die Beatles und Jürgen Klopp.

8. Oktober 20198. 10. 2019


Mr Ryder, Sie sind der erste Generaldirektor der ILO, der beim Gewerkschaftstag der IG Metall zu Gast ist. Was ist Ihre zentrale Botschaft heute bei dieser Premiere hier in Nürnberg?

Guy Ryder: Ich habe mich sehr gefreut, als ich die Einladung zum Gewerkschaftstag der IG Metall erhalten habe und ich bin ihr sehr gerne gefolgt. Es gibt lange und sehr gute Beziehungen zwischen der ILO und der IG Metall. Wir sind wichtige Player bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen für viele Menschen.


Was möchten Sie den Delegierten vermitteln?

Es gibt eine extreme tiefgreifende Transformation, einen rapiden Wandel in der Ausgestaltung von Arbeit überall auf diesem Globus. Diesen Wandel müssen die Menschen und die Gewerkschaften gestalten, damit er sozial, ökologisch und demokratisch erfolgt. Mit dieser Zieldefinition sind die ILO und die IG Metall natürliche oder, wenn man so will, geborene Partner.


Sie stammen aus Liverpool, der Stadt der Beatles und der Stadt der Industriearbeit. Hat Sie das in irgendeiner Weise geprägt?

Die Beatles gab es schon vor meiner Zeit, natürlich kenne ich alle ihre Songs. Aber ehrlich gesagt bin ich eher ein Fan von Bruce Springsteen, das 1. Album „Greetings from Asbury Park“ ist mein Favorit. Natürlich hat mich die Atmosphäre von Liverpool und seiner Umgebung mit vielen Metall- und Textilbetrieben geprägt. Ich habe die Bergarbeiterstreiks der 80er Jahre erlebt. Zu der Zeit bin ich dann Gewerkschafter geworden, so wie schon mein Vater.

 

Seit 2012 sind Sie, Herr Ryder, Director-General der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Was war Ihr beeindruckendstes Erlebnis?

Die ILO hat 187 Mitgliedstaaten. Dieses Jahr feiert sie ihren 100. Geburtstag. Es gab einen Moment, der hat mich sehr bewegt. Es war zu unserem Jubiläum im Juni dieses Jahres. Wir hatten viele Regierungschefs aus den Mitgliedsländern der ILO zu Gast, unter anderem die deutsche Kanzlerin. Ausnahmslos alle haben sich dafür ausgesprochen, die Ziele der ILO wie menschenwürdige Arbeit weltweit zu unterstützen. Das ist ein großer Verdienst unseres Einsatzes. Es zeigte, die ILO ist heute so wichtig wie zum Zeitpunkt ihrer Gründung. Das muss man einfach sagen.


Hat die ILO zur Verbesserung der Qualität von Arbeit beigetragen?

Oh ja, nehmen Sie nur die Länge eines Arbeitstages und die Zahl der Arbeitsstunden pro Woche! Vor hundert Jahren gab es noch die 65-Stunden Woche. Das ist dann sukzessive zurückgegangen auf 48 Stunden pro Woche, dann 40 Stunden. Die IG Metall hat die 35-Stunden-Woche erkämpft und jetzt die Wahlmöglichkeit, für begrenzte Zeit auf 28 Stunden zu gehen. Das ist ein großartiger Erfolg.


Was mögen Sie am liebsten an ihrem Job?

Definitiv nicht das Reisen. Ich bin viel unterwegs. Aber die Möglichkeit im Kontakt mit den Menschen zu sein, weltweit Arbeitsbedingungen zu erleben, das hat bis heute nichts von seiner Faszination verloren.


Was sind die Herausforderungen für die nächsten 100 Jahre?

Es gibt weiterhin viele Probleme auf den globalen Arbeitsmärkten, es ist noch unendlich viel zu tun. 61 Prozent aller Beschäftigten auf der ganzen Welt arbeiten heute im informellen Sektor, insbesondere in der Landwirtschaft in Entwicklungsländern ohne ausreichenden Arbeitsschutz und soziale Absicherung. Wir haben den Trend zu starker Individualisierung. Die Menschen arbeiten für die Plattformökonomie vereinzelt und an wechselnden Einsatzorten.


Welche Folgen hat das?

Es gibt mehr soziale Isolation. Die Kollektive von früher, die sich gewerkschaftlich leichter erschließen ließen, brechen. Die Menschen fühlen sich durch die Möglichkeiten der Digitalisierung auch einsam bei der Arbeit. Ich persönlich würde so nicht arbeiten wollen. Ich bin da vielleicht noch old school, aber ich finde, der regelmäßige Kontakt bei der Arbeit mit anderen Menschen ist ganz wichtig.


Sie verstehen sich also eher als Teamplayer?

Absolut. Sonst könnte ich nicht in einer Organisation wie der ILO arbeiten, die Interessen aus 187 Ländern unter einen Hut bringen muss.


Da sind wir beim nächsten Thema, Fußball. Haben Sie zwischen den vielen Dienstreisen Zeit für einen Stadionbesuch, vielleicht auch in Ihrer Heimatstadt Liverpool, wo Jürgen Klopp trainiert?

Oh, ich mag auf alle Fälle Fussball. Mein Lieblingsclub ist offen gestanden Everton. Viele IG Metall-Mitglieder dürften sich noch an das legendäre Spiel 1985 erinnern, als Everton den FC Bayern mit 3:1 besiegte. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann würde ich mir wünschen, dass Jürgen Klopp als derzeitiger Trainer vom FC Liverpool zu Everton wechselt. Jeder Mensch und jeder Beschäftigte braucht immer wieder neue Herausforderungen, und das wäre sicher eine.

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