Vertrauensleute
Internationale Software-Beschäftigte bei VW Infotainment wollen Tarif

Sie haben ihre IG Metall-Vertrauensleute gewählt. Die Software-Beschäftigten bei Volkswagen Infotainment wollen einen Tarifvertrag. Ihre Entgelte liegen rund 20 Prozent unter Tarif. Bei den neuen Vertrauensleuten sind auch Internationale dabei, wie der Software Engineer Punith Murugesh aus Indien.

10. Juli 202410. 7. 2024


Ein Unternehmen, das Volkswagen in seinem Namen trägt, aber keinen Tarifvertrag hat? Doch, gibt es. Bei Volkswagen Infotainment in Bochum. Auf dem ehemaligen Opel-Gelände liegt das neue Headquarter der VW Infotainment, die 2014 mit rund 200 Mitarbeitern gestartet ist. Inzwischen entwickeln rund 1000 Beschäftigte aus 52 Nationen Software für Volkswagen. Ihre Entgelte liegen rund 20 Prozent unter Tarif.

Bei Ihrer Muttergesellschaft, der VW-Softwaretochter Cariad, gibt es längst einen Tarifvertrag auf Niveau des VW-Tarifs. Letztes Jahr haben die Cariad-Beschäftigten sich mit bundesweiten Warnstreiks eine ordentliche Tariferhöhung von 8,5 Prozent mehr Geld in drei Stufen geholt. Und sie arbeiten dort nur 35 Stunden in der Woche – und keine 40, wie bei Volkswagen Infotainment.


„Ich sah die direkte Wirkung und die Vorteile der IG Metall“

Das wollen sie bei Volkswagen Infotainment auch: einen Tarifvertrag. Deshalb haben sie jetzt IG Metall-Vertrauensleute gewählt. Mit dabei: der Senior Software Engineer Punith Murugesh (im Bild oben mit Sonnenbrille) aus Indien. „Wir machen hier die gleiche Arbeit wie bei Cariad, aber für weniger Geld und mit mehr Arbeitsstunden“, kritisiert Punith.

In Indien arbeitete Punith bei Bosch und sah dort die guten Arbeitsbedingungen in der Produktion, die die Gewerkschaft dort durchgesetzt hatte. Doch für den Software-Bereich galt das nicht, wegen der Sonderkonditionen, die die lokalen staatlichen indischen Regierungsstellen Software-Unternehmen bieten. Ende 2017 kam Punith dann nach Deutschland und arbeitete zunächst als externer Spezialist unter anderem bei Bombardier in Mannheim, bevor er dann in die Festanstellung bei VW Infotainment wechselte.

„Bei Bombardier bekam ich die Warnstreiks in der Tarifrunde 2017/2018 mit – und sah dort die direkte Wirkung, die Vorteile und den Schutz der IG Metall für die Beschäftigten“, berichtet Punith. „Umso erstaunter war ich, als ich zu VW Infotainment kam – und es keine Gewerkschaft und keinen Tarif gab. Ich habe angefangen, mit den Leuten darüber zu sprechen.“


Jetzt mehr IG Metall-Mitglieder gewinnen

Die neu gewählten Vertrauensleute bei VW Infotainment wollen nun mehr Mitglieder für die IG Metall gewinnen, um ihren Tarifvertrag durchzusetzen.

„Das ist nicht so einfach. Einige Beschäftigte hier kommen aus Staaten, wo Gewerkschaften unerwünscht sind und die deshalb Angst haben einzutreten“, erklärt Vertrauensfrau Ariane Menke. „Viele haben auch den Unterschied zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft nicht verstanden und sagen: Wir haben doch einen Betriebsrat – wozu brauchen wir dann die IG Metall? Zudem wollen gerade Software-Entwickler oft lieber selbst für sich verhandeln.“

Ariane ist die Assistentin des Betriebsrats bei VW Infotainment, der mittlerweile mehrheitlich aus IG Metall-Mitgliedern besteht – und ist daher nah dran. Regelmäßig treffen sich die Betriebsräte aus Bochum mit den anderen Betriebsräten bei Cariad. „Wir sehen ja, was es bei Cariad gibt“, erklärt Ariane. „Zwar gibt uns VW Infotainment auch was davon weiter, etwa die Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro, die es bei Cariad gab. 2020 etwa haben wir die Gehaltserhöhung von Cariad auch bekommen, wenn auch auf einer deutlich niedrigeren Basis, hochgerechnet auf unsere Gehälter bei 40 statt 35 Stunden in der Woche.“


Tarif – Wissen, was man bekommt

Das Wort „Tarif“ kommt aus dem Arabischen und bedeutet: Wissen, was gezahlt wird. Du weißt, was Du bekommst. Auf der Mitgliederversammlung bei VW Infotainment Ende Juni haben sie auch schon über mögliche Tarifforderung diskutiert. Sie wollen höhere Entgelte, die tariflich geregelt und transparent sind, sowie kürzere Arbeitszeiten.

Klar ist aber: Um ihren Tarifvertrag durchsetzen zu können, müssen sie noch mehr IG Metall-Mitglieder werden. Das wollen sie nun gemeinsam in den nächsten Monaten anpacken – und dann Volkswagen Infotainment zu Tarifverhandlungen auffordern.

Die IG Metall unterstützt die Kolleginnen und Kollegen bei VW Infotainment auf diesem Weg.

„Vor fast zwei Jahren waren es Kollegen aus dem Betriebsrat, die Interesse an dem Thema Tarifvertrag hatten, und unserer Einladung zu einer Infoveranstaltung gefolgt sind“, berichtet Marc Schneider, Kassierer und Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall-Geschäftsstelle Ruhr Mitte. „Seitdem haben wir ein vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut.“

Die IG Metall vor Ort und die Aktiven im Betrieb werden dabei vom Gemeinsamen Erschließungsprojekt (GEP) der IG Metall NRW unterstützt.

„Wir mussten uns den Anforderungen einer internationalen Umgebung sowohl in der Art der Ansprache als auch der Agitation anpassen. Wir haben Anlässe geschaffen und Anlässe genutzt, um mit so vielen Kolleginnen und Kollegen wie möglich zu sprechen, egal ob digital, hybrid oder vor Ort“, erklärt Pantea Bashi, die für das GEP bei VW Infotainment arbeitet. „Die Entwicklung ist besonders erfreulich, weil die Kolleginnen und Kollegen bei VW Infotainment motiviert sind, und so ihre Kollegen motivieren können, Gewerkschaftsmitglied zu werden. Wir freuen uns auf ein gutes Ergebnis mit einem Tarifvertrag für VW Infotainment in Bochum.“


Checke und vergleiche Dein Entgelt

Beschäftigte in der Informationstechnologie- und Telekommunikationsbranche (ITK) verdienen mit Tarif mehr als in Betrieben ohne Tarif. Gleichzeitig ist ihre durchschnittliche Arbeitszeit geringer. Das zeigt die neue ITK-Entgeltanalyse der IG Metall: Dort können ITK-Beschäftigte auch ihr eigenes Entgelt checken und vergleichen

 

Read the English version of the article

International software employees at VW Infotainment want a collective agreement

They have elected their IG Metall "Vertrauensleute" (people of trust, trade union representatives). The software employees at Volkswagen Infotainment want a tariff agreement. Their wages are around 20 percent below tariff level. The new "Vertrauensleute" also include internationals, such as software engineer Punith Murugesh from India.

A company that has Volkswagen in its name but doesn't have a collective agreement? Yes, there is. At Volkswagen Infotainment in Bochum, around 1,000 employees from 52 nations develop software for Volkswagen on the former site of the car manufacturer Opel in Bochum / Western Germany since 2014. Their wages are around 20 percent below the collective agreement.

Their parent company, the VW software subsidiary Cariad, has long had a collective agreement ("Tarifvertrag") at the level of the VW tariff. Last year, Cariad employees won a decent wage increase of 8.5 percent more money in three stages with nationwide warning strikes. And they only work 35 hours a week there - and not 40, like at Volkswagen Infotainment.
 

"I saw the direct impact and the advantages of IG Metall"

That's what they want at Volkswagen Infotainment too: a tariff agreement. That's why they have now elected IG Metall "Vertrauensleute" (people of trust, trade union representatives). Among them: Senior Software Engineer Punith Murugesh (the man in the picture above with sunglasses) from India. "We do the same work here as at Cariad, but for less money and with more working hours," criticizes Punith.

In India, Punith worked at Bosch and saw the good working conditions in the production area that the union had established there. But that didn't apply to the software sector because of the special conditions that the Indian local state government bodies offer to software companies. At the end of 2017, Punith came to Germany and initially worked as an external specialist at Bombardier in Mannheim, among others, before moving to a permanent position at VW Infotainment.

"At Bombardier, I witnessed the warning strikes in the 2017/2018 collective bargaining round - and I saw the direct impact, the advantages and the protection that IG Metall offers employees," reports Punith. "I was all the more astonished when I came to VW Infotainment - and there was no union and no collective agreement. I started talking to people about it."
 

Now win more IG Metall members

The newly elected "Vertrauensleute" at VW Infotainment now want to win more members for IG Metall in order to enforce their collective tariff agreement. "It's not that easy. Many employees here come from countries where unions are unwelcome and are therefore afraid to join," explains "Vertrauensfrau" ("woman of trust") Ariane Menke. "Many have also not understood the difference between a works council and a union and say: We have a works council - so why do we need IG Metall? In addition, software developers in particular often prefer to negotiate for themselves."

Ariane is the assistant to the works council at VW Infotainment, which now consists mostly of IG Metall members - and is therefore close to the action. The works councils from Bochum meet regularly with the other works councils at Cariad. "We see what's available at Cariad," explains Ariane. "VW Infotainment does pass some of it on to us, such as the inflation compensation bonus of 3,000 euros that Cariad paid. In 2020, for example, we also got the pay rise at Cariad, albeit on a much lower basis, as we work 40 and not 35 hours. "
 

Tariff agreement - know what you’ll get

The word "tariff" comes from Arabic and means: you know what is to be paid. You know, what you’ll get. Immediately after their election at the end of May, the new "Vertrauensleute" at VW Infotainment had their first IG Metall schooling session at the Beverungen training center of IG Metall.

At the end of June they had a union members' meeting at VW Infotainment, where they also discussed possible demands. They want higher wages, that are regulated and transparent through a tariff agreement, and shorter working hours.

But one thing is clear: In order to be able to enforce their collective agreement, they need to become even more IG Metall members. They want to tackle this together in the next few months - and then call on Volkswagen Infotainment to enter into collective bargaining negotiations.
 

IG Metall is supporting the colleagues at VW Infotainment on this path

"Almost two years ago, it was colleagues from the works council who were interested in the subject of the tariff agreement and accepted our invitation to an information event," reports Marc Schneider, Representative of the local IG Metall Ruhr Mitte. "Since then, we have built up a trusting relationship."

IG Metall on site and those active in the company are supported by the Joint Development Project (Gemeinsames Erschließungsprojekt, GEP) of IG Metall NRW.

"We had to adapt to the requirements of an international environment, both in the way we approached people and in our agitation. We have created occasions and used occasions to speak to as many colleagues as possible, whether digital, hybrid or on-site," explains Pantea Bashi, who works for the GEP at VW Infotainment. "The development is particularly pleasing because the colleagues at VW Infotainment are motivated and can thus motivate their colleagues to become union members. We are looking forward to a good result with a tariff agreement for VW Infotainment in Bochum."

 

Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen