Constanze, in der Plattform Industrie 4.0 leitest Du die Arbeitsgruppe „Arbeit, Aus- und Weiterbildung“. Welche Bilanz ziehst Du nach einem Jahr Arbeit?
Constanze Kurz: Eine positive. Wir haben hier intensiv, manchmal auch kontrovers miteinander diskutiert. Der Ausgangspunkt aller Debatten ist klar: Die Digitalisierung der industriellen Produktion, wie wir sie gerade erleben, verändert die Arbeitswelt radikal. Im Zuge von Industrie 4.0 wandeln sich aber nicht nur Fertigungsmethoden, Produktionsprozesse, Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten. Diese Neuerungen haben ebenso große Auswirkungen auf die Arbeit der Beschäftigten vor Ort in den Betrieben.
Welche Auswirkungen sind das?
Wir sehen, dass fortschreitende Digitalisierung zu neuen Aufgaben und Rollen für die Beschäftigten führt. Etwa bei der Datenauswertung, der Datensicherheit oder in Bezug auf Serviceleistungen. Es ist daher elementar wichtig, dass die Aus- und Weiterbildungssysteme den Anforderungen der digitalen Arbeitswelt gewachsen sind. Dabei geht es längst nicht nur um das Beherrschen neuer Software und technischer Systeme. Es geht um neue Methoden des Lernens und darum, Fähigkeiten von Prozesssteuerung und Prozessbegleitung auszubauen.
Gibt es bereits etablierte, gute Ausbildungskonzepte in den Unternehmen?
Leider noch nicht. Wir stehen noch am Anfang des Weges. Dem digitalen Strukturwandel stehen bislang vielfach noch unstrukturierte Aus- und Weiterbildungskonzepte gegenüber. Das aber kann und darf nicht so bleiben. Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt. Genau deshalb war es uns so wichtig, den anfänglich doch sehr technikzentrierten Diskurs zur Digitalisierung für Fragen der Arbeitswelt und Beschäftigung zu öffnen. Es geht hier nicht einzig um die Frage, wer zukünftig den Takt vorgibt, ob es der Mensch ist oder die Maschine. Natürlich muss der Mensch auch weiterhin die Maschine steuern und nicht umgekehrt. Die Frage ist aber: Gelingt es, alle Lernangebote und Lernmöglichkeiten für alle Beschäftigten sicherzustellen? Auch für diejenigen, die bislang vielfach davon ausgeschlossen sind? Damit das gelingen kann, müssen Fragen von Qualifizierung, aber auch der Arbeitsgestaltung von Anfang an mitgedacht werden.
Was muss getan werden, damit die Beschäftigten in der digitalen Arbeitswelt gute Arbeit haben?
Vor allem muss die Weiterbildung in den Betrieben in der Breite gestärkt werden. Dafür ist in den Unternehmen eine aktive Rolle der Führung erforderlich. Transparenz und Beteiligung sind wichtig, um neue Informations-, Produktions- und Bildungsräume gestalten zu können. Wir müssen dazu die Lernförderlichkeit am Arbeitsplatz erhöhen. Dabei können digitale Assistenzsysteme, wenn sie richtig gestaltet sind, eine Hilfe sein. Allerdings: Niemand hat bislang ein Patentrezept. Es gibt hier und da Betriebe, die sich mit differenzierten Qualifizierungskonzepten versuchen, auf die digitale Arbeitswelt einzustellen. Das sind aber noch Einzelfälle. Durchgängige Ansätze und klare Eckpunkte für die Bedarfsermittlung fehlen noch.
Wie können solche Konzepte entstehen?
Jedenfalls werden sie nicht durch theoretische Diskurse mit Leben erfüllt, sondern nur vor Ort in den Betrieben. Es braucht hier mehr Entschiedenheit, mehr Geld und Zeit, neue Lernformate anzugehen. Vor allem aber brauchen wir nicht nur für die Technik, sondern auch und ganz besonders für die Gestaltung von Arbeit und Bildung viele Werkstätten und Versuchslabore. Diese sollten Experimentierfelder sein, in denen von Beginn an informiert, beteiligt und gemeinsam die Zukunft von Arbeit und Bildung 4.0 angegangen wird.