Die Windenergie ist eine der umweltfreundlichsten und saubersten Energiequellen überhaupt: Wind bläst fast überall, auch in rohstoffarmen Gebieten oder auf See. In den Offshore-Windparks kann verhältnismäßig mehr Energie erzeugt werden als auf dem platten Land. Die Branche ist eine wichtige Stütze bei der Energiewende in Deutschland. Zudem bietet sie etwa 100 000 Menschen Arbeit. Jedoch nicht alle arbeiten direkt bei den Windkraftanlagen-Herstellern, viele sind auch bei Zulieferer- und Serviceunternehmen tätig.
Die Energiewende ist für die IG Metall eines der wichtigsten Zukunftsprojekte. Doch sie als zuständige Gewerkschaft schaut nicht nur auf Luftverschmutzung, Wasserverseuchung oder andere Umweltschäden. Für sie sind die Arbeits- und Leistungsbedingungen der dort Beschäftigten von zentraler Bedeutung. Deshalb hat sie die Beschäftigten im Sommer 2012 zu ihrer Arbeitssituation in den Unternehmen, befragt.
Beschäftigte sind stolz auf ihre Arbeit ...
Zur Energiewende beitragen zu können, das ist für viele Beschäftigte etwas ganz besonderes. Mehr als 62 Prozent stimmen der Aussage zu, stolz auf ihre Arbeit in der Windenergie-Branche zu sein, weil sie „damit einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten“ können – so die Aussage. Gleichzeitig sorgen sich jedoch vier von zehn Arbeitnehmern um ihren Arbeitsplatz. Sie kritisieren die Bundesregierung. Denn die Beschäftigten können nicht erkennen, dass die Politik einen konkreten, nachhaltigen Beitrag zur Energiewende und damit für die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes leistet. Befürchtet wird, dass gerade die Verzögerungen bei der Anbindung von Offshore-Windparks an die Stromtrassen und die erneute Novellierung des EEG Arbeitsplätze gefährden könnte.
Bei der Bewertung der Arbeitsbedingungen gibt es Unterschiede: Die Beschäftigten, die letztendlich die Motoren, Rotorblätter und den Stahlbau zusammenfügen und die Mitarbeiter der Firmen, die im Vorfeld die Stahlkonstruktionen herstellen, bewerten ihre Bedingungen unterschiedlich. Gerade bei den Zulieferern ist die Tarifbindung eher die Regel, während es bei den Windkraftanlagen-Herstellern die Ausnahme ist. Dies schlägt sich bei den Arbeitsbedingungen nieder.
... aber unzufrieden mit den Arbeitszeiten
Beispielsweise die Arbeitszeit. In den Unternehmen der Windbranche sind lange Arbeitszeiten die Regel. Mehr als ein Drittel der Beschäftgten arbeitet regelmäßig bis zu fünf Stunden länger in der Woche, jeder vierte sogar bis zu 10 Stunden mehr.
Über die Hälfte der Beschäftigten arbeitet in Schicht. So ist ein großer Anteil der Frauen unter den Schichtbeschäftigten bei den Endherstellern unzufrieden mit dem Schichtsystem und dem Wechselrhythmus. Denn unter diesen Bedingungen ist es schwierig, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Über 60 Prozent gaben an, dass ihnen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nur unzureichend gelingt.
Anders stellt sich das bei den Zulieferern dar: Hier sind sechs von zehn Frauen zufrieden mit den Arbeits- und Schichtbedingungen und den Möglichkeiten, diese mit ihrem Privatleben verbinden zu können. Auch mit ihrem Einkommen sind die Mitarbeiter bei den Zulieferern zufriedener.
Prekäre Beschäftigung gibt es auch bei den Windkraftanlagen-Herstellern und den Zulieferern. Zum großen Teil haben die Windkraftanlagen-Hersteller die Auftragsflut in den letzten Monaten mit Leiharbeit und Befristungen, als die Branche boomte, aufgefangen. Teilweise waren hier bis zu 50 Prozent der Beschäftigten entweder in Leiharbeit oder hatten nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Da in einigen Firmen nun die Bestellungen zurückgehen, hat sich das auch auf die Leiharbeit ausgewirkt. Die Leiharbeitsquote sinkt. Wenn die Konjunktur anzieht, werden die Leiharbeitnehmer ins Unternehmen geholt, und sobald der Boom nachläßt, stehen die Leihbeschäftigten auf der Straße. Eine Situation, die die IG Metall unerträglich findet. Denn in einer Branche, die damit wirbt, saubere Energie zu erzeugen, sind Dumpinglöhne und die Angst der Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze weder fair noch imagefördernd.
Motivation und Einsatzbereitschaft können gerade in einer jungen Branche wie der Windkraft entscheidend zum Erfolg beitragen. Die Energiewende kann nur gelingen, wenn die Unternehmen auf die Bedürfnisse der Beschäftigten eingehen. Ohne nachhaltige Arbeitsbedingungen gekennzeichnet durch qualifizierte und motivierte Mitarbeiter, ist die Energiewende nicht zu schaffen. Und eine der Grundvoraussetzungen dafür sind gute Arbeitsbedingungen und Bezahlung nach Tarif.