Besser mit Tarif
Ab heute gibt’s Tarif – So haben wir es gemacht

Ab heute gibt’s Metall-Tarif beim Autozulieferer Weitkowitz in Peine, bis zu 700 Euro mehr im Monat. Beschäftigte verhandelten selbst mit. Wie das geht, lernten sie auf einem IG Metall-Seminar, gemeinsam mit weiteren Betrieben in der Region, FAS und Telcat Multicom, die nun auch ihren Tarif angehen.

1. April 20251. 4. 2025


Sie haben endlich ihren Tarifvertrag – und sie haben ihn selbst durchgesetzt und mitverhandelt: Ab heute gibt es Metall-Tarifentgelte beim Automobilzulieferer Weitkowitz in Peine/Niedersachsen. Zugleich sinkt die Arbeitszeit von 37 auf 36 Stunden. Ab 2028 gilt dann die 35-Stunden-Woche.

Die Einführung der Metall-Tarifentgelte bringt ihnen bis zu 700 Euro brutto mehr im Monat. Insbesondere die jüngeren Maschinenbediener haben bislang nur für etwas mehr als den Mindestlohn gearbeitet. Zudem werden Ungerechtigkeiten bei der Bezahlung beseitigt, indem alle Beschäftigten nun neu nach Era (Entgeltrahmentarif) eingruppiert werden. Bislang gab es bei Weitkowitz Geld nach „Nasenfaktor“: unterschiedliche Löhne für die gleiche Arbeit.

„Gleiches Geld für gleiche Arbeit wird Realität“, erklärt Jonas Hartjenstein, Mitglied der Verhandlungskommission und Betriebsratsvorsitzender. „Und die Attraktivität des Standorts in Peine wird dauerhaft erhöht. Für die heutigen Beschäftigten und alle, die künftig auf der Suche nach attraktiven Arbeitsbedingungen in der Industrie sind.“
 

In weniger als drei Jahren erst Betriebsrat, dann Tarifvertrag

Einen Warnstreik zur Durchsetzung ihres Tarifvertrags haben sie nicht gebraucht. Durch ihre Öffentlichkeitsarbeit und ihre Aktionen war dem Arbeitgeber klar, dass der Großteil der Beschäftigten Mitglied der IG Metall geworden ist.

„Ich habe mit viel mehr Widerstand gerechnet“, berichtet Instandhalter Mike Hübbe, der als Mitglied der Tarifkommission auch bei den Verhandlungen dabei war. „Als wir ihnen letzten Herbst die Forderungen übergeben haben, hat der Geschäftsführer noch die Belegschaft zusammengerufen und gedroht: ‚Jetzt stehe ich hier noch vor Ihnen – aber demnächst der Insolvenzverwalter‘. Da hatten viele Angst. Doch dann ging es in den Verhandlungen doch konstruktiv und schnell voran – und nach der vierten Verhandlung hatten wir schon das Ergebnis.“

Erst 2022 haben die Beschäftigten beim Kabelschuh- und Aderendhülsenhersteller Weitkowitz mit Hilfe der IG Metall Salzgitter-Peine einen Betriebsrat gegründet. Es ging los mit Geheimtreffen im Garten des Gewerkschaftshauses – bis sie schließlich ihren ersten Betriebsrat wählten. Bald darauf wählten sie ihre IG Metall-Vertrauensleute – Mike Hübbe wurde Leiter der Vertrauensleute – und schließlich ihre Tarifkommission.


So geht Tarif: Im IG Metall-Seminar gelernt und geplant

„Nach der Betriebsratswahl wollten wir dann gemeinsam mit unseren Aktiven im Betrieb die Tarifbindung angehen“, erklärt Jan Laging von der IG Metall Salzgitter-Peine. „Dabei wollten wir die Beschäftigten inhaltlich mitnehmen und gemeinsam strategisch planen. So kamen wir auf die neue tarifpolitische Bildungsoffensive der IG Metall, bei der Beschäftigte anhand ihres konkreten Projekts im Betrieb gemeinsam lernen, wie Tarifpolitik geht.“

Fünf Betriebsräte und Mitglieder der Tarifkommission bei Weitkowitz lernten in einem vom IG Metall-Bildungszentrum Beverungen speziell auf sie zugeschnittenen Seminar mit drei dreitägigen Modulen die Grundlagen der Tarifpolitik, etwa wie Tarifbewegungen ablaufen. Sie übten Beschäftigte nach dem Era-Tarifvertrag der IG Metall einzugruppieren. Und sie entwickelten eine Strategie und eine konkrete Planung für ihre Tarifbewegung.

Sie lernten dort nicht allein, sondern gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus zwei weiteren Betrieben der IG Metall-Geschäftsstelle Salzgitter-Peine: dem Flüssigasanlagenbauer FAS und dem Kommunikations- und Sicherheitstechnikhersteller Telcat Multicom.


Gemeinsam im Seminar mit FAS und Telcat Multicom

„Die tarifpolitische Grundlagen haben wir zusammen gelernt – doch unsere betrieblichen Planungen haben wir dann in Gruppenarbeit Betrieb für Betrieb erstellt“, berichtet Mike Hübbe „Wir konnten uns gut mit den anderen Betrieben austauschen und voneinander profitieren: Bei Rollenspielen stellten uns die Kolleginnen und Kollegen Fragen und wiesen uns auf Punkte hin, die wir selbst aus Betriebsblindheit nicht gesehen haben.“

Beim Flüssiggasanlagenbauer FAS haben die Beschäftigten gerade erstmals einen Betriebsrat gegründet. Im Seminar haben sie nun einen Plan erstellt, wie sie zu einem Tarifvertrag kommen wollen.

Bei der Telcat Multicom, einem Tochterunternehmen der Salzgitter AG, wollen die Beschäftigten endlich das Chaos bei den Entgelten beenden. Zwar haben sie die gröbsten Ungerechtigkeiten bereits beseitigt – mit bis zu vierstelligen Beträgen Differenz bei gleicher Arbeit. Doch sie wollen endlich Rechtssicherheit, durch einen Tarifvertrag.

„Wir brauchen endlich klare Regeln für alle. Schon als ich vor 25 Jahren hier meine Ausbildung anfing hieß es, wir brauchen unbedingt einen Tarifvertrag“, berichtet Andrea Hain, die Teamkoordinatorin im kaufmännischen Innendienst ist und vor zwei Jahren zur Betriebsratsvorsitzenden gewählt wurde. „Das Seminar hat uns fachlich wirklich sehr viel weiterbracht. Es war zugeschnitten auf unsere drei Betriebe und hat uns Raum und Zeit gegeben, die im Betrieb eben nicht da ist, gerade wenn Du eben keine Freistellung hast.“

Über die Seminarzeiten selbst hinaus kam ihr Referent, Jens Ortmann aus dem Bildungszentrum Beverungen, auch zu ihnen in die Betriebe, um sie dort direkt zu unterstützen.
 

Seminar der „Tarifpolitischen Bildungsoffensive“ der IG Metall mit Weitkowitz, FAS und Telcat Multicom 
 

Weitkowitz hat Tarif, FAS und Telcat wollen folgen

Weitkowitz ist nun der erste der drei Betriebe, in dem die Beschäftigten ihren Tarifvertrag durchgesetzt haben. In den letzten Wochen haben sie die Beschäftigten gemeinsam mit der Arbeitgeberseite nach dem Era-Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie eingruppiert.

Ende Februar verkündeten Arbeitgeber und IG Metall schließlich sogar gemeinsam den Abschluss des Tarifvertrags und gaben dazu eine gemeinsame Presseerklärung heraus.

Was ihnen jetzt noch fehlt, sind die Leistungszulage und das Tarifliche Zusatzgeld (T-ZUG) aus der Metall- und Elektroindustrie.

„Uns war bewusst, dass wir in dem wirtschaftlichen und politischen Kontext keine Maximalforderungen erzwingen können. Dass wir eine Tarifbindung erreicht haben zeigt, dass alle Beteiligten verantwortungsbewusst und zum Wohle der Mitarbeiter gehandelt haben“, meint Matthias Wilhelm, Verhandlungsführer und Geschäftsführer der IG Metall Salzgitter-Peine – und lässt durchblicken, dass weitere Betriebe wie FAS oder Telcat bald folgen könnten: „Natürlich wollen wir dauerhaft die Beschäftigung in der Region sichern und Tarifbindung neu herstellen.“

Weitkowitz ist einer der führenden deutschen Hersteller von Kabelschuhen und Aderendhülsen und entwickelt seit fast 100 Jahren Werkzeuge für alle Bereiche der lötfreien Verbindungstechnik. Gut 180 Beschäftigte sind am Standort beschäftigt, der Zulieferer für die Automobil-, Bahn- und Windkraftindustrie ist. Seit Beginn 2010 gehört der Betrieb zur international tätigen Intercable-Gruppe. Seit Herbst 2022 gibt es einen Betriebsrat.

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