Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie 2015
Warum bis zu 5,5 Prozent mehr Geld?
Der Vorstand der IG Metall empfiehlt den regionalen Tarifkommissionen eine Erhöhung der Entgelte um bis zu 5,5 Prozent zu fordern. Damit werden die Beschäftigten an der wirtschaftlichen Entwicklung fair beteiligt. Die Experten der IG Metall erläutern, wie es zu der Empfehlung kommt.
Nach einem guten Start bis in den Sommer hinein hatten sich die wirtschaftlichen Aussichten verschlechtert. Außenwirtschaftliche Verunsicherung, vor allem durch die Krise um die Ukraine, aber auch die weiter schwache Entwicklung in der Eurozone haben zu schwächeren Prognosen geführt. Für 2015 erwarten die Autoren des Herbstgutachtens ein Wachstum von gut einem Prozent. Wirtschaftsforscher anderer Institute blicken optimistischer in die Zukunft. Sie prognostizieren für 2015 eine Belebung mit einem Wachstum von etwa zwei Prozent.
Im Vergleich zur faktisch stagnierenden Wirtschaft im letzten Jahr befindet sich die deutsche Ökonomie auch unter den pessimistischen Annahmen auf einem stabilen Wachstumspfad. Vom Außenhandel sind (bei zwar steigenden Exporten, aber noch stärker zunehmenden Importen) angesichts der Risiken kaum Wachstumsimpulse zu erwarten. Wegen der unsicheren Erwartungen halten die Unternehmen sich mit Investitionen zurück.
Entgelte – nicht nur Kostenfaktoren
Wachstum wird nach Auffassung der Wirtschaftsinstitute fast ausschließlich vom privaten Konsum ausgehen. Was die Verbraucher ausgeben, hängt jedoch maßgeblich davon ab, wie sich ihr Einkommen entwickelt. Entgelte sind eben nicht nur Kostenfaktoren für die Unternehmen, sondern erzeugen auch Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Von Einkommenssteigerungen profitiert darum die gesamte Wirtschaft.
In der Metall- und Elektroindustrie stieg die Produktion im ersten Halbjahr 2014 in fast allen Branchen an: insgesamt um 3,4 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2013. Auch die Produktivität wuchs. Die Zahl der Beschäftigten ist mit 3,7 Millionen auf Rekordniveau. Die Kapazitäten sind besser ausgelastet als in den vergangenen Jahren. Ein starker Rückgang der Produktion im August, der vielfach schon als Krisenvorbote fehlgedeutet wurde, ging auf die außergewöhnliche Lage der Sommerferien zurück. Im September stieg die Produktion zum gleichen Vorjahresmonat um 5,6 Prozent, zum Vormonat um 3,3 Prozent.
Ab Januar verhandelt die IG Metall neue Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie. Nachdem die Tarifkommissionen am 7. November in den Regionen über eine Forderungsempfehlung debattiert haben, entscheiden sie am 25. November, was die IG Metall konkret fordern soll. Zwei Tage später beschließt der Vorstand. Bei den Entgeltsteigerungen muss das Verhandlungsergebnis mindestens den Anstieg der Produktivität und der Verbraucherpreise berücksichtigen.
Bei der Definition dieses verteilungsneutralen Spielraums orientiert sich der Vorstand der IG Metall an der des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Danach setzt sich dieser Spielraum aus „mittelfristiger Produktivitätsentwicklung und der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank“ von rund zwei Prozent zusammen.
Bei der Produktivitätssteigerung bezieht sich die IG Metall auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Aus gutem Grund. Die Metall- und Elektroindustrie besteht aus vielen Branchen. Die Produktivität entwickelt sich in ihnen unterschiedlich. Würden wir ihre jeweilige Produktivität zugrunde legen, würden Beschäftigte in Branchen, in denen sie kaum zunimmt, bei den Reallohnsteigerungen dauerhaft abgehängt.
In jüngster Zeit hat sich die gesamtwirtschaftliche Produktivität sehr schwach entwickelt. 2013 stieg sie nur um 0,4 Prozent. Für nächstes Jahr erwarten die Banken und Institute aber wieder ein Plus zwischen 0,6 und 1,4 Prozent.
Lohnquote sinkt seit Jahren
Die Lohnquote, also der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen, sinkt seit Jahren. Sollen die Beschäftigten einen fairen Anteil an dem Wohlstand erhalten, den sie erwirtschaftet haben, ist es geboten, mehr als den verteilungsneutralen Spielraum in die Tarifforderung aufzunehmen: eine „Umverteilungskomponente“. Die Bedingungen dafür sind günstig: Seit dem Einbruch der Gewinne in der Krise 2009 entwickelte sich die Rendite in der Metall- und Elektroindustrie hervorragend. Sie hat 2013 einen Nettogewinn also nach Abzug der Steuern – von über vier Prozent des Umsatzes erwirtschaftet. Eine solche Rendite wurde bisher nur im Rekordjahr 2007 übertroffen.
Tarifverträge zahlen sich aus
Schon mit den vergangenen Tarifabschlüssen gelang es der IG Metall – dank des Einsatzes der Beschäftigten – den verteilungsneutralen Spielraum mehr als auszuschöpfen. Tarifverträge zahlen sich in barer Münze aus.
Für die aktuelle Tarifrunde empfiehlt der Vorstand, neben den qualitativen Forderungen für eine neue Altersteilzeitregelung und eine Bildungsteilzeit eine Lohnforderung von 5,5 Prozent. Über den verteilungsneutralen Rahmen von zwei Prozent Zielinflationsrate und 1,5 Prozent Trendproduktivitätsanstieg bedeutet das eine Umverteilungskomponente von zwei Prozent. Eine Forderung, die der wirtschaftlichen Lage angemessen ist.
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