Arbeitsschutz: Zu Besuch bei Peter Camin, Betriebsrat Hydro A...
Skepsis gehört dazu

Arbeitsplätze und Umwelt – für Peter Camin ist das kein Gegensatz. Arbeit muss gesund sein. Und Beschäftigte wollen, dass ihr Produkt sinnvoll ist, menschlich und ökologisch. Camin setzt sich seit 35 Jahren dafür ein, als Betriebsrat bei Hydro Aluminium, von der Elbe bis zum Amazonas.


14. Februar 201114. 2. 2011


Peter Camin kommt viel herum: Diese Woche nach Oslo zu einer Konzerntagung. Danach privat nach Brasilien zu einem Treffen mit Ureinwohnern und Gewerkschaftern. Und zurück ins Aluminiumwalzwerk in Hamburg, um mit der Belegschaft neue altersgerechte Schichtmodelle zu diskutieren. Jetzt wo Krise, Kurzarbeit und ein Kampf um die Schichtzulagen gut durchgestanden sind.

Im Aluminiumwalzwerk arbeitet der heute 58-Jährige seit 1976. Damals war dort ein Konflikt neuer Art entbrannt: Arbeitsplätze gegen Umwelt. Und erstmals gingen die Beschäftigten auf die Gegner zu und sahen die Umweltfolgen ihres Produkts kritisch. Das hat ihn als linksalternativen „68er“ interessiert. Überhaupt gab es im Aluwalzwerk, das damals zum US-Konzern Reynolds gehörte, viele Kämpfe und wilde Streiks.

Eigentlich will Camin hier nur mal kurz Geld verdienen und weiter durch die Welt touren. Er war mit dem Rucksack in Afghanistan, Indien und Südamerika, um „Abstand von der Bundeswehr zu gewinnen“. Der gelernte Elektrotechniker hatte sich auf Zeit verpflichtet, um das „Handwerk“ zu erlernen, für den Freiheitskampf in Nicaragua. „Doch die Bundeswehr hat mich mehr verändert, als ich wollte.“

Kritisch engagieren
Mit „kurz mal“ arbeiten war dann doch nichts. Camin wird rasch zum IG Metall-Vertrauensmann und Betriebsrat gewählt. „Ich bin irgendwie immer von Leuten ausgeguckt worden, als Schülersprecher oder Mannschaftsprecher beim Bund.“ Im Betriebsrat wird Camin Fachmann für Arbeitsschutz. Er bildet sich zum Mess- und Regeltechniker fort und studiert nebenbei Sicherheitstechnik. Damals gab es in ganz Europa Linksalternative, die wie er Arbeitsschützer wurden. Mit ihnen trifft er sich bis heute. „Das Image des Arbeitsschutzes hat sich in den 70er-Jahren gewandelt“, erklärt Camin. „Zuvor war das ein Abstellgleis. Doch nun kamen komplexe Umwelt-Themen wie Radioaktivität und Gefahrstoffe dazu.“

In der Belegschaft bleiben Arbeitsschutz und Umweltschutz all die Jahre immer Thema. Beschäftigte diskutieren auf Seminaren über Schichtmodelle und die Probleme des Aluminiums: Die Produktion verbraucht viel Strom und hinterlässt giftigen Abfall, den sogenannten „Rotschlamm“.

Camin gilt als Rotschlamm-Experte. Als im Sommer 2010 die Bilder der Rotschlamm-Katastrophe in Ungarn um die Welt gehen, klingelt bei ihm laufend das Telefon. Für die IG Metall und den DGB arbeitet er in vielen Arbeitskreisen und Projekten mit. So kam er auch nach Brasilien: Am Amazonas bauen große Konzerne immer neue Aluminiumwerke und Kraftwerke. Ureinwohner werden vertrieben, es gibt Kämpfe und Umweltskandale. Camin unterstützt Aktivisten und kritische Gewerkschafter. Gemeinsam haben sie einige Verbesserungen beim Umweltschutz und bei den Arbeitsbedingungen und erreicht.

Aufrütteln
Camin sieht jetzt eine neue Chance für die Menschen und die Umwelt: Der norwegische Hydro-Konzern, dem das Hamburger Werk heute gehört, hat einen Großteil der brasilianischen Aluminiumproduktion gekauft. Hydro nimmt den Arbeits- und Umweltschutz sehr ernst, betont Camin, der auch Hydro-Konzernbetriebsratsvorsitzender ist. „Das hat in der norwegischen Öffentlichkeit viel mehr Bedeutung. Arbeitsunfälle sind sogar Thema im Fernsehen. Während in Deutschland Arbeitsschutz an Bedeutung verliert, dereguliert wird und sich gerade in kleineren Betrieben wieder verschlechtert.“

Camin will weiter öffentlich aufrütteln, wie letztes Jahr beim Weltsozialforum in Brasilien. Seine Kollegen wissen: Er setzt sich ebenso für Arbeitsplätze ein, wie kürzlich für den Erhalt der Aluminiumhütte in Neuss. Andere, etwa der Aluminium-Verband, schätzen ihn weniger. „Klar sehen mich einige als Nestbeschmutzer“, sagt Camin. „Aber es ist doch ein Verlust an Menschenwürde, wenn du, nur weil du hier arbeitest, ein Produkt loben musst. Skepsis gehört einfach dazu.“

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