EU-Kommissar Günther Oettinger auf Veranstaltung der IG Metall
Scheideweg Digitalisierung

Die Digitalisierung stellt Unternehmen und Beschäftigte vor große Herausforderungen. Die IG Metall möchte den Wandel im Sinn der Beschäftigten gestalten: betriebs- und tarifpolitisch, aber auch im Bündnis mit Industrie und Politik. Deshalb hat sie Günther Oettinger, den EU-Kommissar für ...

9. Dezember 20149. 12. 2014


... Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, zum Gedankenaustausch eingeladen. Im Gepäck hatte Oettinger Lob für die Gewerkschaft – aber auch mahnende Worte.

Erst seit Kurzem ist Günther Oettinger (CDU) der neue EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft – und machte auf einer Veranstaltung der IG Metall am Montagabend in Frankfurt deutlich, dass die Industriegewerkschaft Metall sein wichtigster Ansprechpartner in Fragen zur sogenannten Industrie 4.0 ist. Darunter versteht man die Verquickung von Informationstechnologie und analoger Produktion. „Niemand bündelt mehr Wissen, hat mehr Ahnung von Technik und den Arbeitsprozessen – und niemand hat mehr zu verlieren als Sie“, sagte er vor Vorstand, Beirat und den Geschäftsführern.

Digitale Revolution ist keine Zukunftsmusik

Zuvor hatte bereits Detlef Wetzel, Erster Vorsitzender der IG Metall, unterstrichen, dass die digitale Revolution keine Zukunftsmusik mehr ist: „Bereits heute werden in einzelnen Unternehmen Produktionsprozesse, Betriebsabläufe und Arbeitsplätze umgebaut, um die Potenziale der Digitalisierung besser zu nutzen.“ Das werfe unter anderem die Frage, wie Beschäftigte in Zukunft arbeiten werden und wie sich die Veränderungen in ihrem Sinne beeinflussen lassen. „Welche zentrale Rolle das Thema Digitalisierung für die Zukunft unserer Gesellschaft spielt“, sagte Wetzel, „lässt sich auch an der Tatsache ablesen, dass es einen EU-Kommissariat für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft gibt.“

„Danke, dass Sie sich so intensiv mit der Frage beschäftigen, welche Chancen und Risiken die Digitalisierung bietet“, sagte Oettinger. Deutschland müsse einen Sprung machen, was die digitale Kompetenz angeht. Beispielsweise in der Blechverarbeitung könne das Alter eines Beschäftigten beziehungsweise die damit verbundene Erfahrung vielleicht ein Vorteil sein. Auf die Digitalisierung lasse sich das nicht übertragen. Die Jüngeren wachsen mit den Fingern an Smartphone, Tablet und Co. auf. Für Ältere hingegen sei Weiterbildung nötig. „Deutschland mit seinem hohen Durchschnittsalter hat Weiterbildung nötiger als jede andere Bevölkerung“, sagte Oettinger und fügte hinzu: „Hier hat die IG Metall gute Argumente für ihre Positionen zur Weiterbildung.“


Die Kraft der Europäischen Union

Günther Oettinger wies auf den Vorsprung von Ländern wie den Vereinigten Staaten, China, Japan oder Südkorea bei der Digitalisierung hin. „In gewisser Weise sind wir in Lebensgefahr“, sagte Oettinger. Deutschland könne das nicht alleine ausgleichen, sondern nur als starke Kraft in der Europäischen Union. Oettinger kündigte eine europäische Digitalisierungsoffensive an, um die derzeitige Unterlegenheit halbwegs wettzumachen.

In Deutschland hängen rund 60 Prozent des Produktionswerts direkt oder indirekt vom Industriesektor abhängt. Ob Letzterer auch in Zukunft der Motor für gute Arbeit, Innovationen und Wachstum sein wird, hängt unter anderem davon ab, ob der Wirtschaft die Digitalisierung gelingt. Etwa Anlagen-, Maschinen- und Fahrzeugbau werden ihre Produktionen hin zur automatisierten, sogenannten Smart Factory umbauen müssen. Die Herausforderung „Industrie 4.0“ kann also auch für etablierte Volkswirtschaften zu einem Scheideweg werden; wie auch für Europa und dessen rund 507 Millionen Bürger.

Gesamteuropäische Strategie

Die Vorgängergenerationen hätten flächendeckende Schienen-, Straßen- und Stromnetze geschaffen. „So wie es für jedes Dorf und jedes Haus einen Stromanschluss gibt und nahezu überall Wasser und Abwasser angeschlossen sind, brauchen wir jetzt flächendeckend eine digitale Infrastruktur“, sagte Oettinger. Beim Aufbau einer solchen digitalen Infrastruktur strebt Oettinger eine gesamteuropäische Investitionsstrategie an. Eine europäische Strategie sei allein schon deshalb nötig, weil grenzüberschreitende Arbeitszusammenhänge in vielen Regionen Deutschlands schon heute Realität sind – etwa rund um den Bodensee, Aachen oder entlang der bayerisch-tschechischen Grenze. „Der Bedarf zur Kommunikation geht über die Gebietsgrenzen einzelner EU-Mitgliedsstaaten hinaus.“

Nicht zuletzt deswegen müsse auf europäischer Ebene auch mehr für die Datensicherheit getan werden: „Wir haben einen europäischen Binnenmarkt und brauchen ein einheitliches europäisches Datenrecht.“ Herrschen in den Mitgliedsstaaten uneinheitliche Gesetze, sei dies ein Einfallstor. Und nur wenn zum Beispiel ein Unternehmer sicher sein könne, dass Informationen nicht geklaut würden, werde dieser die digitale Vernetzung vorantreiben.

Detlef Wetzel machte deutlich, dass die IG Metall die Umwälzungen weiterhin im Sinne der Beschäftigten begleiten wird. Es gelte, Antworten zu finden, etwa auf die Frage, wie gute Arbeit in der Industrie 4.0 aussehen kann. Und wie die Qualifikation der Beschäftigten in Zukunft gesichert wird, damit sie der technische Fortschritt nicht abhängt; die Digitalisierung macht ständige Fortbildung noch dringlicher.

Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen