Da geht was: Solidarität rettet Opel
Der Opel-Krimi

Ende 2008 stürzte General Motors (GM) Opel in die Krise. Nach der GM-Insolvenz sollte Opel mit staatlich abgesicherten Bürgschaften an Investoren wie Magna verkauft werden. Doch GM, saniert mit US-Geld, blieb. Beschäftigte und Betriebsräte aller europäischen Werke haben zusammengehalten und ...

29. Oktober 201029. 10. 2010


... eine Lösung erreicht. Zwar bringen alle Opfer – aber mit festen Produkt- und Beschäftigungszusagen sowie „Geld-zurück-Garantie“.

Opel ist gerettet. Nach zwei Jahren Gezerre, erst mit, dann ohne – und dann doch wieder mit General Motors (GM). Die Arbeit für die nächsten fünf Jahre ist gesichert.

Der Preis der Opelaner: Jobs und Geld
Europaweit 4000 der 45 000 Stellen, allein in Bochum 1800, wenn auch über Altersteilzeit und hohe Abfindungen. Und für das Werk im belgischen Antwerpen ist wohl bis Jahresende ganz Schluss, wenn nicht doch noch ein Investor gefunden wird – Interessenten gibt es. Die Beschäftigten in Deutschland, Spanien, Großbritannien und Polen verzichten, gerecht verteilt, auf 265 Millionen Euro im Jahr. In Deutschland werden die Tariferhöhungen von 2010 um zehn Monate verschoben, sowie bis 2011 Weihnachts- und Urlaubsgeld halbiert.

Demonstration im Sommer vor der Frankfurter Börse. Foto: fmz

Maximale Sicherheit

Dafür sind bis 2015 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Und Opel sagt verbindlich Investitionen und konkrete Produkte für jedes Werk in Europa zu – und damit feste Arbeit für alle, mit Sicherheiten: Die 265 Millionen der Beschäftigten fließen auf ein Treuhandkonto und werden nur für die vereinbarten Investitionen freigegeben. Sollte Opel die Pläne nicht erfüllen, heißt es Geld zurück. Sogar lagernde Autoteile dienen als Pfand.

„Wir haben unsere Lehren aus der Vergangenheit gezogen. In Antwerpen etwa hatte GM den Bau eines Geländewagens zugesichert – und dann den Vertrag gebrochen“, erklärt der Euro-Betriebsratsvorsitzende Klaus Franz. „Doch nun haben wir harte Sicherheiten.“

Mehr Mitbestimmung
Opel wird eigenständige AG und damit unabhängiger von GM. Finanziell sowie bei der Entwicklung von Autos. Und die Arbeitnehmer bestimmen mit, welche Autos wo und wann gebaut werden. All das hat der Europäische Betriebsrat mithilfe der IG Metall durchgesetzt. „Klar sind wir mit unserer Macht an Grenzen gestoßen. Für Antwerpen etwa haben wirAlternativkonzepte – doch haben uns einfach wirtschaftliche Mitbestimmungsrechte gefehlt“, erklärt Sabine Maaßen, die für die IG Metall im Opel-Aufsichtsrat sitzt. „Aber wenn wir bedenken, wie eng die Lage war und dass GM sogar in der Insolvenz war, haben wir das Maximale herausgeholt.“

Solidarität
Für Franz ist der europäische Zusammenhalt besonders wichtig. Das Werk in Polen etwa hat 20 000 Zafira-Einheiten an Bochum abgetreten. „Es gibt eine große internationale Solidarität. Und auch für Antwerpen werden wir weiter kämpfen“, sagt Franz.

Stimmen aus den anderen Opel-Werken in Europa

Das sagen die Betriebsräte anderer europäischer Opel/Vauxhall-Werke zur neuen Vereinbarung und zum drohenden Aus für das Werk Antwerpen:

John Fetherston, Conveyor der Gewerkschaft Unite, Vauxhall Ellesmere Port, Großbritannien – Mitglied des Europäischen Betriebsrats

Klar: Unsere neue Vereinbarung lässt einen üblen Geschmack im Mund zurück: Wir bezahlen nun den Preis für das jahrelange Missmanagement von General Motors und Bankern. Und die drohende Schließung von Antwerpen ist inakzeptabel.
Aber: Die Vereinbarung an sich ist die beste, die wir kriegen konnten. Obwohl jedes Werk seine Opfer bringen muss. Wir leben in der realen Welt. Unsere Leute haben das verstanden. Wir hatten Massenversammlungen in Ellesmere Port und Luton. Und wir haben alles offen ausgesprochen, auch unseren Beitrag – der Preis für’s Überleben. Niemand war glücklich, aber sie haben es akzeptiert und mit überwältigender Mehrheit für die Vereinbarung gestimmt.
Die ausgehandelte Abmachung ist das Ergebnis unserer Zusammenarbeit der Europäischen Betriebsräte. Wir arbeiten da im Wesentlichen gut zusammen, trotz einiger Differenzen: Wir in Ellesmere Port und Luton waren gegen den Magna-Deal letztes Jahr. Für uns gab es da keine Zukunft. Aber es kam ja anders. Und die neue Vereinbarung jetzt ist besser als das, was wir zuvor hatten.

Rudi Kennes, ABVV-metaal, Opel Werk Antwerpen, Belgien – Mitglied des Europäischen Betriebsrats

Die Leute in Antwerpen sind sehr sauer – nicht auf uns Gewerkschafter oder die anderen Werke. Die sehen, was General Motors für ein Spiel spielt. GM will das Werk einfach schließen, obwohl im europäischen Agreement eigentlich drinsteht: Das Werk Antwerpen wird verkauft, wenn ein ernsthafter Investor da ist. Doch GM bricht jetzt mal wieder den Vertrag. Denn wir haben einen ernsthaften chinesischen Investor, der hier den Astra weiterbauen will und GM dafür hunderte Millionen Euro Montage- und Lizenzgebühren zahlen würde, mit Garantien von Banken und des chinesischen Staates. Eigentlich todsicher. Und doch hat GM behauptet, der Investor biete keine langfristige Sicherheit. Eigentlich ist das nach einem Verkauf doch nicht mehr das Problem von GM – oder?
Ernsthaft verhandelt hat GM nie. Europachef Reilly war nie persönlich bei den Verhandlungen dabei und hat immer nur Manager aus der dritten Reihe geschickt, die keine Kompetenzen haben und nur tausend Fragen gestellt haben. Die letzte Verhandlung war am 26. September. Und dann mussten die chinesischen Investoren und wir Anfang Oktober aus der Presse erfahren, dass GM die Verhandlungen für gescheitert erklärt. Reilly hat nicht mal eine E-mail geschickt. Dabei hat er wenige Tage zuvor noch auf dem Pariser Autosalon beschwichtigt: „Kein Grund zur Sorge. Es gibt doch zwei potentielle Investoren für Antwerpen.“ Und dann vier Tage später die Meldung von Schließung in der Presse. Das sind doch Mafia-Methoden.
Das Agreement an sich ist im Grunde gut. Ich unterstütze das. Das Problem ist nur, dass die im Agreement vereinbarte ernsthafte Investoren-Suche für Antwerpen anders als die Produktions- und Investitionsplanung noch nicht über Geld auf dem vereinbarten Treuhand-Konto abgesichert ist. Daher haben wir in Antwerpen auch nicht unterschrieben. Und prompt bricht GM den Vertrag. Im Grunde geben die anderen Werke nun tatsächlich Arbeitnehmerbeiträge für die Beerdigung von Antwerpen. Das ist doch zynisch. Ich würde mir das an deren Stelle nun ernsthaft überlegen. Aber sauer auf die anderen sind wir nicht – sondern auf das GM-Management, das Politik betreibt und trotz des guten chinesischen Angebots bewusst tausende Jobs kaputt macht – ohne ökonomische Vernunft. Wir bringen das jetzt vor das Europa-Parlament.

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