Ifo-Institut
Hans-Werner Sinn, Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung

Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung erstellt regelmäßig den Geschäftsklimaindex. Es ist ein gemeinnütziger Verein, der im Jahr 2010 mit mehr als acht Millionen Euro vom bayerischen und dem Bundeswirtschaftsministerium bezuschusst wurde.


Hans-Werner Sinn, Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Ludwig-Maximilian-Universität München, ist Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, das regelmäßig den Geschäftsklimaindex erstellt. Das ifo-Institut, ein gemeinnütziger Verein, der im Jahr 2010 mit mehr als acht Millionen Euro vom bayerischen und Bundeswirtschaftsministerium bezuschusst wurde, bezeichnet sich als europäische Denkfabrik, die eine Brücke zwischen akademischer Forschung und praktischer Politik bildet. Sinn ist seit 1991 Direktor des Center of Economic Studies (CES) der Universität München und Geschäftsführer der CESifo GmbH.


Sinn gilt als Workaholic, der schon als Student dadurch aufgefallen war, dass er sich tiefer in den Stoff vergrabe als andere. Die hohe Medienpräsenz, die ihm zuteil wird („Wir Wissenschaftler müssen die Medien einspannen, um eine Reformstimmung zu erzeugen.“), liegt vor allem daran, dass er polemisiert, zuspitzt, provoziert, gleichzeitig Ökonomie jedoch anschaulich erklären kann. Die Medien glauben, Sinns Positionen seien keiner bestimmten Ideologie zuzuordnen und er pflege stattdessen seine eigene Glaubensrichtung (Zeit, 31. März 2005). So ist es nicht. Auch wenn Sinn gern den Neoliberalismus umdeutet als die Idee vom starken Staat und staatlicher Regulierung und sich in der Finanzkrise für eine Regulierung des Bankensystems ausspricht, so ist der Professor doch ein klassischer Vertreter einer wirtschaftspolitischen Schule, die einen geistigen Wandel zu mehr Markt und weniger Sozialstaat herbeiführen möchte. So plädierte er für eine „Kulturrevolution“ à la Thatcher in Großbritannien, befürwortete, die Sozialausgaben zu kürzen, Arbeitszeiten zu verlängern, die Macht der Gewerkschaften zu brechen, die Renten zu senken und kritisierte ständig die angeblich zu hohen Löhne in Deutschland. Wie viel geistige Wende ihm gelungen ist, zeigt sich daran, dass die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) mit der Agenda 2010 genau das umsetzte, was Sinn immer gefordert hatte. Folgerichtig hatte Sinn einmal gesagt, dass „die Reform“ eigentlich ifo IV und nicht Hartz IV heißen müsse, weil sie auf ifo-Ideen basiere.

An Titulierungen fehlt es Hans-Werner Sinn nicht. Während er von der Bildzeitung gern als „Deutschlands klügster Wirtschaftsprofessor“ bezeichnet wird, bekam er von der Financial Times Deutschland den Titel des „Boulevardprofessors“ verpasst. Als „Dampfplauderer mit egoistischem Sendungsbewusstsein“ etikettierte ihn der Naturschutzbund Deutschland und ernannte Hans-Werner Sinn zum „Dinosaurier des Jahres 2009“, weil er „hemmungslos seine veralteten Theorien vom alles regulierenden Markt“ verbreite und kaum eine Gelegenheit auslasse, moderne Umweltpolitik in der Öffentlichkeit zu attackieren.

Hans-Werner Sinn wird nicht müde, die „extrem hohen Lohnkosten für Industriearbeiter“ zu kritisieren (ifo Schnelldienst 4/2007). Dabei macht er klar, dass er nicht etwa die Lohnnebenkosten, sondern die Bruttolöhne meint. „Hans-Werner Sinn hat eine Mission: Die Löhne müssen runter. Je weniger die Thesen des Professors gehört werden, desto größer das publizistische Geschütz“, schreibt dazu die Financial Times Deutschland am 31. März 2007. Niedrige Löhne brächten Unternehmen dazu zu investieren das steigere die Nachfrage, schaffe Arbeitsplätze und bringe Aufschwung. Auch deshalb kann er der Agenda 2010 und der Ausweitung des Niedriglohnsektors so viel abgewinnen.

 

Hans-Werner Sinn, Jahrgang 1948, bezeichnet sich als das klassische Arbeiterkind, das es geschafft hat. Seine Eltern besaßen zwei Taxis, Sinn finanzierte sich das Studium durch Taxifahren und sagte später, „dass man manchmal hart arbeiten muss, um ökonomisch zu überleben“ (Zeit, 31. März 2005). Er studierte von 1967 bis 1972 an der Universität Münster Volkswirtschaftslehre, promovierte 1978 an der Universität Mannheim und habilitierte sich dort 1983. Seit 1984 ist Sinn Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München.


Sinn ist seit 1989 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium, er war von 1992 bis 1994 Vorsitzender der Expertenkommission Wohnungspolitik beim Bundesministerium, ist Mitglied der Bayerischen und Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und stand von 1997 bis 2000 an der Spitze des „Vereins für Sozialpolitik“, einer Vereinigung von Ökonomen. Von 2000 bis 2010 war er Aufsichtsratsmitglied bei der Hypovereinsbank. Sinn war und ist Mitglied in mehreren wissenschaftlichen Fachvereinigungen und Herausgeber etlicher Zeitschriften. Die Liste seiner Veröffentlichungen ist mehrere Dutzend Seiten lang. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen „Ist Deutschland noch zu retten?“ (2003), „Die Basarökonomie“ (2005), „Das grüne Paradoxon: Plädoyer für eine illusionsfreie Klimapolitik“ (2009) und „Kasino-Kapitalismus. Wie es zur Finanzkrise kam, und was jetzt zu tun ist“ (2009).

 

Das Dach aller Aktivitäten bildet die CESifo-Gruppe, die 1999 entstand. Dazu gehört das CES (Center for Economic Studies), das ifo-Institut und die CESifo GmbH.


Das CES ist ein eigenständiges Institut an der Volkswirtschaftlichen Fakultät der Universität München, nach eigenen Angaben mit dem Ziel, internationalen wissenschaftlichen Austausch zu fördern. Bei der CESifo GmbH handelt es sich um eine von Universität und ifo-Institut gegründete Tochtergesellschaft. Als Höhepunkt gilt die Veranstaltung Munich Economic Summit (MES), von CESifo und ifo zusammen mit der BMW-Stiftung Herbert Quandt und 2010 in Partnerschaft mit Medien (The Times, The Wall Street Journal, Handelsblatt) getragen.

 

Sinn schrieb in einem Zeitungsartikel, die „Reform“ müsste eigentlich den Namen seines Instituts tragen, denn sie basiere auf ifo-Ideen, wie in der Zeit vom 31. März 2005 zu lesen ist. Tatsächlich setzte die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Schröder vieles von dem um, was Hans-Werner Sinn lange gefordert hatte, erklärte Gustav Horn, Leiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), im Deutschlandradio (12. Juli 2009). Nur durch Reformen am Arbeitsmarkt, mit denen Erwerbslose materiell stark unter Druck gesetzt werden und dem Zudrückdrängen gewerkschaftlichen Einflusses, sei Deutschland noch zu retten. So lautete auch der Titel seines heftig umstrittenen Buches von 2003, in dem er den Sozialstaat kritisierte und Reformen der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik anmahnte.

Dazu gehörten Öffnungsklauseln in Tarifverträgen, eine Änderung beim Kündigungsschutz sowie längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich. „Fürs Erste würde ich mit 42 Stunden beginnen“, sagte er gegenüber Focus Money. Sollten sich die Tarifpartner nicht auf eine Arbeitszeitverlängerung einigen können, müsse der Staat eingreifen. Seine Hauptforderung lag in dem System der aktivierenden Sozialhilfe, das im Wesentlichen in einem Lohnzuschusssystem besteht.


Sinn verteidigt auch heute noch die Agenda 2010: „Der Standort hat sich durch die Schröderschen Reformen verbessert. Wir haben wegen der Agenda 2010 und der Senkung des deutschen Mindestlohns, die damit einherging, 1,1 Millionen Jobs in Westdeutschland mehr, als eine Wiederholung früherer Konjunkturmuster hätte erwarten lassen.“ (Spiegel, 5/2008). In der Sinn’schen Logik wirken Lohnersatzleistungen, von der Sozialhilfe über Arbeitslosenhilfe bis zur Frührente, wie ein Mindestlohn. Den gesetzlichen Mindestlohn lehnt er selbstverständlich ab. Sinn lobt Schröder auch dafür, dass er den Weg in den Niedriglohn freigemacht hätte, „eine Erfolgsstrategie“, weil sie Jobs gebracht habe. „Besser schlechte Jobs als keine Jobs.“ Seitdem gebe es weniger Geld fürs Wegbleiben und mehr fürs Mitmachen. Erst mit der Agenda 2010 sei der Trend einer seit Willy Brandt steigenden Massenerwerbslosigkeit gebrochen und „Deutschland wurde zum neuen Musterknaben in Europa“ (Wirtschaftswoche, 28. November 2011).

Vorwürfen, dass Niedriglohnjobs Menschen in die Armut trieben, hält er entgegen, dass „unser Sozialstaat dafür sorgt, dass diejenigen, die von ihrem Lohn allein nicht leben können, durch einen Lohnzuschuss über die Schwelle der Armutsgefährdung gehoben werden“ (ifo Schnelldienst, 17/2009). Von seiner Hände Arbeit leben zu können, damit kann Sinn nichts anfangen. Solche Arbeitsplätze seien niedrigproduktiv und ließen keinen anderen Lohn zu. Er fordert, die Agenda 2010 weiterzuentwickeln und Billigjobs noch stärker zu bezuschussen. Darüber hinaus plädierte Sinn dafür, die Hartz-IV-Sätze regional zu staffeln (und an „das Preisniveau vor Ort“ anzupassen).


Hans-Werner Sinn schafft es auch mit grotesken Ideen in die Medien. So schlug er vor Jahren vor, Ein-Euro-Jobber meistbietend an die Wirtschaft zu verleihen, Migranten für eine Übergangszeit steuerfinanzierte Leistungen wie Sozialhilfe und Wohngeld zu verwehren. Oder die Rente für Kinderlose zu halbieren. Im Jahr 2008 forderte er eine Verpflichtung zur Riester-Rente und reihte sich in die Liste derer ein, die gesetzliche Sozialversicherungen schlecht reden, für Privatvorsorge trommeln und damit der Versicherungswirtschaft in die Hände spielen. Seine „5 Wahrheiten über die Rente“ durfte er im gleichen Jahr in der Bildzeitung verbreiten. Darin behauptete er, dass die Rentenversicherung von der Hand in den Mund lebe und kräftige Rentenerhöhungen nicht drin seien, dass der Generationenvertrag nicht funktioniere, und Altersarmut drohe („Eine Gesellschaft, die nicht spart und keine Kinder hat, muss im Alter hungern“).

 

Eine Sinneswandlung machte Hans-Werner Sinn während der Finanz- und Wirtschaftskrise, allerdings nur auf den ersten Blick. 2009 forderte er, die Hypo Real Estate (HRE) zu verstaatlichen, um die Bankenholding mittels der Staatsfinanzen zu retten. Allerdings sollte die Holding sofort wieder privatisiert werden, sobald sich die Lage auf dem Finanzmarkt beruhigt habe. Das hieße, Verluste zu sozialisieren, um danach weiterzumachen wie bisher. Die Tagesschau, die Sinn zur HRE-Verstaatlichung befragte, informierte jedoch nicht darüber, dass Hans-Werner Sinn zu diesem Zeitpunkt im Aufsichtsrat der Hypovereinsbank saß. „Also genau wissen müsste, dass die HRE mit den schlechten Risiken der Hypovereinsbank belastet wurde, also die üble Bank im Dienste jener Bank darstellt, in dessen Aufsichtsrat der Professor Sinn nun seit Jahren sitzt“, kritisierte Albrecht Müller auf den Nachdenkseiten (4. Februar 2009).


Wenige Monate später erschien sein Buch „Kasino-Kapitalismus“, in dem Hans-Werner Sinn die Gründe für die Finanzkrise analysierte und aufzeigte, welche Konsequenzen gezogen werden müssen. Sinn machte die unzureichende Bankenregulierung und die zu geringe Eigenkapitalquote der Banken verantwortlich. Er forderte eine strenge Regulierung des Bankensystems mit einer Kernkapitalquote von mindestens acht Prozent. „Der Kasino-Kapitalismus muss in seine Schranken verwiesen werden.“ (Aufsatz von Sinn in der Festschrift zum 60. Jahrestag der Bundesrepublik Deutschland). Auch Vorschriften für Kreditversicherungen, Hedgefonds und Zweckgesellschaften, die bislang außerhalb der Bilanz der Bank bleiben, sollten verschärft werden. Zudem plädiert er für ein Verbot von Leerverkäufen. Sollten die Banken das nicht schaffen, sollte sich der Staat beteiligen, die private Rechtsform müsse freilich bleiben.


Für dieses Buch erhält Sinn großes Lob von IMK-Chef Gustav Horn („glänzend geschrieben, informativ, schlichtweg überzeugend“). Dem Plädoyer Sinns für eine effektive Regulierung der Finanzmärkte sei nichts hinzuzufügen, erklärte Horn im Deutschlandradio. Große Schwächen sieht er allerdings, wenn Sinn sich den Ursachen der Krise jenseits der Finanzmärkte widmet. Hier greift Sinn nach altbekannter Argumentation der zu hohen Löhne. „Der pathologische Exportboom resultiert aus dem Umstand, dass hohe und rigide Löhne für einfache Arbeit die arbeitsintensiven Binnensektoren vernichten und eine erdrutschartige Fluchtbewegung des Kapitals und der qualifizierten Arbeit von den Binnensektoren in kapital- und wissensintensiven Exportsektoren hervorrufen.“ Horn hält dagegen und kommt letztlich zu dem Schluss, dass die schwachen Lohnzuwächse Ergebnis jener Arbeitsmarktreform seien, für die Sinn plädiere. Insofern sei Sinns „Kasino-Kapitalismus“ auch logische Folge seines eigenen Irrtums. „Er hat es nur noch nicht bemerkt.“


Scharf kritisiert Horn auch Sinns Forderung nach einem Austritt Griechenlands aus dem Euro-Währungsgebiet und Rückkehr zur Drachme. Dass Griechenland den Euro aufgeben müsse, sei nicht nur falsch, sondern sogar gefährlich für den Euroraum. Der ifo-Präsident müsse sich vorhalten lassen, durch seine Vorschläge den Zusammenhalt und die wirtschaftliche Zukunft der gesamten Währungsgemeinschaft zu gefährden, schrieb Horn in seinem Gastkommentar im Handelsblatt am 26. Februar 2012.

 

Zitate:
„Auch in der Weltwirtschaftskrise von 1929 wollte niemand an einen anonymen Systemfehler glauben. Damals hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager.“ Hans-Werner Sinn, 2009. Für diese Aussage entschuldigte sich Sinn später.

„Besser schlechte Jobs als keine Jobs.“ Hans-Werner Sinn, Spiegel, 5/2008

„Die beste Möglichkeit, um die Arbeitsplatzmisere zu meistern, ist, den Kündigungsschutz erheblich zu lockern. Dann liegen die Lasten der Arbeitslosigkeit nicht bei den jungen Leuten, die in den Arbeitsmarkt eintreten, sondern sie werden von den Gewerkschaftsmitgliedern selbst gespürt. Ohne Kündigungsschutz gäbe es den ganzen Zauber nicht: Die Gewerkschaften wären lammfromm.“ Capital, 19. Februar 2004

„Wir brauchen beispielweise Deregulierung am Arbeitsmarkt, wo der Staat mit Mindestlöhnen und Lohnersatzleistungen in die Strukturen eingreift und viel Schaden anrichtet. Gleichzeitig ist eine präzisere und wesentlich strengere Regulierung des Bankenwesen erforderlich.“ Süddeutsche Zeitung, 14. Mai 2009

 
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