„Zugegeben“, sagt Dieter Holzportz, „auf den ersten Blick wirkt alles wenig spektakulär.“ Und unheimlich nützlich: Wir haben eine neue Software, verkündete die Geschäftsführung vor eineinhalb Jahren dem Betriebsrat, die würden wir gerne einsetzen. Sie verknüpft die Fertigungssteuerung mit der Dokumentenverwaltung. Das erleichtert uns die Produktionsplanung, das optimiert die Steuerung der Fertigung, das macht es möglich, Kundentermine einzuhalten. Super Sache. Oder nicht?
„Klar ist es gut, wenn die Produktion optimiert wird und so Kundentermine besser eingehalten werden“, sagt Dieter Holzportz in seinem Büro in Augsburg. Der 60-Jährige ist Betriebsratsvorsitzender des Luft- und Raumfahrtunternehmens MTAerospace; 500 Beschäftigte arbeiten am Standort, das Unternehmen produziert unter anderem Teile für die Ariane-Rakete, stellt Bauelemente für den Airbus A400M her. „Aber als das Management von den Vorzügen der Software sprach, haben wir uns gefragt, welche Auswirkungen das auf die Arbeit der Kollegen haben wird. Uns war klar, der Einsatz von Software darf nicht zulasten der Beschäftigten gehen. Und nicht dazu führen, dass es zu einer Leistungskontrolle der Kollegen kommt.“
Theoretisch ist mit dem neuen System eine solche Kontrolle möglich. Die Software dokumentiert jeden Handgriff in der Fertigung, sämtliche Maschinenlaufzeiten. Sie speichert, wie lange eine Maschine für welchen Arbeitsschritt braucht, welche Vorrichtung an ihr montiert ist. Es wäre ein Leichtes, eine detaillierte Aufstellung zu bekommen, welcher Mitarbeiter zu welcher Zeit an welcher Maschine was gemacht hat – allerdings: Dieter Holzportz und sein Teamhaben sichergestellt, dass persönliche Daten nicht ausgewertet werden.
Keine persönlichen Daten
In einer Betriebsvereinbarung haben sie festgelegt, dass keine personenbezogenen Daten gespeichert werden. „Die Anmeldung geschieht nicht individuell, sondern gruppenbezogen“, sagt Dieter Holzportz. „Niemand ist identifizierbar. Das hat den Kollegen Sicherheit gegeben. Und Sicherheit ist nötig, um sich auf Veränderungen einlassen zu können.“
Die kommen auf die Beschäftigten zu. Vor allem in der Produktionssteuerung. „Bisher war es so, dass die Kolleginnen und Kollegen mittels eines Softwareprogramms selbstständig Arbeitsaufträge generiert haben, mit diesen zu den Meistern in die Abteilungen gegangen sind und Aufträge verteilt haben. Das geht jetzt nicht mehr.“
Dank des kontinuierlichen Datenflusses in der Produktion, dank der Tatsache, dass alle Maschinen miteinander verbunden sind und alle Bauteile ohne Unterlass Bewegungsdaten senden, ist es möglich geworden, auszurechnen, wann ein Bauteil an welcher Maschine in Produktion gehen muss, um den Liefertermin halten zu können. Das Softwaresystem taktet die Aufträge selbstständig und direkt in die Maschinen ein. Alle haben jederzeit einen vollständigen Überblick über ihren Tätigkeitsbereich in der Produktion – auch über die Stillstands- und Liegezeiten der Maschine. Und über die Gründe, die zum Stillstand der Maschine geführt haben.
„Diese Dokumentation hilft, Probleme früh zu erkennen. Produktionsverzögerungen können damit verringert werden“, sagt Dieter Holzportz. „Allerdings haben wir die Sorge, dass damit die Durchlaufzeiten für Bauteile immer weiter reduziert werden. “ Derzeit beträgt die Produktionszeit für ein Bauteil zwischen sechs und neun Monate. „Wenn man in der Zeit statt einem nun eineinhalb Bauteile produziert, kann man ja auch überlegen, ob man womöglich weniger Schichten braucht.“
Damit es gar nicht so weit kommt, verhandeln Betriebsrat und IG Metall derzeit mit der Geschäftsführung eine Vereinbarung zum Umgang mit digitaler Technik. „Wir erleichtern dem Arbeitgeber die Erprobung und Umsetzung der vorgesehenen Verbesserungen und wollen im Gegenzug die Sicherung von Arbeitsplätzen und Entgelt erreichen“, sagt Dieter Holzportz. Der Produktivitätsfortschritt müsse dem Betrieb und den Beschäftigten gleichermaßen zugutekommen. „Der Arbeitgeber muss einen Teil der Einsparungen für die Qualifikation der Belegschaft aufwenden.“