Hannover-Messe 2016
Sozialpartnerdialog Bildung 4.0

Dass fortschreitende Digitalisierung die Arbeitswelt verändern wird, ist klar. Nicht exakt abzusehen ist, was der Wandel für die Menschen bedeutet.

4. Mai 20164. 5. 2016


Auf dem Sozialpartnerdialog, den die IG Metall auf der Hannover Messe organisierte, diskutierten Betriebsräte und Unternehmensvertreter von drei großen Unternehmen ― Bosch, Airbus, DMG MORI ― engagiert die Frage, welche Qualifikationen Industrie 4.0 erfordert und wie sie den Beschäftigten vermittelt werden können.

Am Ende des Nachmittags, nach einer Stunde intensiver Diskussion, waren längst nicht alle Fragen besprochen, längst nicht alle Probleme gelöst. Sicher aber ist, dass die Digitalisierung der Arbeitswelt es erforderlich macht, die Aus- und Weiterbildung auf veränderte Technologien, Produktionsverfahren und Produkte auszurichten. Von allen Diskutanten leidenschaftlich debattiert wurde auch, wie bessere Teilhabemöglichkeiten und neue Lernformen im Bereich der Weiterbildung zu schaffen sind. Mitbestimmung und Beteiligung, so viel wurde klar, kommt bei der Gestaltung des digitalen Wandels eine Schlüsselrolle zu.


Weitgehend Einigkeit herrschte bei der Skizzierung der Herausforderung. „Wir dürfen Industrie 4.0 nicht technikzentriert debattieren, sondern wir müssen uns fragen, was Digitalisierung für die Beschäftigten bedeutet, wie sie mitgenommen werden können“, sagte Dieter Lochbihler, Betriebsratsvorsitzender bei Bosch im Allgäuer Werk in Blaichach. Digitale Assistenzsysteme könnten die Arbeit erleichtern, etwa indem sie die Bedienung von Anlagen komfortabler und das Finden von Fehlerquellen unkomplizierter machten. Funktionieren könnten diese Systeme allerdings nur, wenn sie von den Beschäftigten auch angenommen werden. „Dafür braucht es wirksamen Beschäftigungsdatenschutz, der permanente Leistungskontrolle verhindert. Und es braucht, Aus- und Weiterbildungssysteme, mit denen die neuen Anforderungen bewältigt werden können.“

Das bekräftigte Ottmar Heger. „Wir haben für unsere Werkzeugmaschinen Apps für unsere Anwender und Kunden entwickelt“, sagte der Betriebsratsvorsitzende von DMG Mori in Bielefeld. „Damit lässt sich die Maschine wie ein Smartphone bedienen und nahtlos in die Betriebsorganisation einbinden. Das vereinfacht die Bedienung. Allerdings brauchen Beschäftigte vermehrt IT-Kompetenzen.“ Ausbildungskonzepte müssten deshalb dringend überarbeitet und neue Ausbildungsinhalte in diese integriert werden. „Das duale Ausbildungssystem muss ausgebaut werden“, betonte Heger. „Gleichzeitig brauchen wir neue Formen des Lernens, etwa einen Ausbau von E-Learning Formaten.“

Dass mit Digitalisierung neue Anforderungen auf die Beschäftigten zukommen werden, davon gingen auch die Unternehmensvertreter der Diskussionsrunde aus – zu Sorge allerdings sehen sie keinerlei Anlass. „Das duale Aus- und Weiterbildungssystem Deutschlands ist weltweit einzigartig. Durch die Kombination aus Theorie und Praxis bieten sich ideale Voraussetzungen, um die Chancen im Zuge von Industrie 4.0 im Interesse der Unternehmen und der Arbeitnehmerschaft positiv zu nutzen“, betonte Jan Balcke, Ausbildungsleiter von Airbus in Hamburg. Airbus investiere auch vor diesem Hintergrund hohe Summen in Aus- und Weiterbildung. „Wir sind uns der Herausforderung für unsere jüngsten Mitarbeiter sowie für jene, die noch zehn bis zwanzig Jahre arbeiten, sehr bewusst. Interessante Perspektiven im Hinblick auf Anpassungsqualifizierung ergeben sich beispielsweise durch arbeitsplatznahe und arbeitsplatzintegrierte Assistenzsysteme“, argumentierte Balcke.


Diesen Befund konnte Siegried Czock voll und ganz teilen. „Die eigentliche Herausforderung wird sein, wie wir die jetzige Übergangsphase gestalten“, sagte der Leiter der Aus- und Weiterbildung bei Bosch. „Dabei wird es wichtig sein, dass auch die Berufsschulen und Berufsschullehrer für die neuen Herausforderungen fit gemacht werden.“ Maurice Eschweiler, Mitglied des Vorstandes bei DMG Mori, betonte, dass auch in den Produktionswelten der Zukunft der Mensch ein entscheidender Erfolgsfaktor bleibt. „Bei Industrie 4.0 übernehmen die Beschäftigten neue Aufgaben in der Produktion. Maschinen assistieren mit intelligenten Fähigkeiten. Es entstehen neue Formen der Arbeitsorganisation, die neue Ausbildungs- und Qualifikationsprofile erfordern. Industrie 4.0 benötigt hervorragend ausgebildete Fachkräfte. DMG Mori als weltweit führender Hersteller von Werkzeugmaschinen und Vorreiter der vernetzten Produktion leistet auch hier einen wesentlichen Beitrag.“


Klaus Ahlborn, Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Airbus Operations GmbH, gab zu bedenken, dass die Frage eben nicht einzig und allein sei, ob fortschreitende Digitalisierung neue Arbeitsplätze schaffen werde – sondern was das dann für Arbeitsplätze sind, wie die gestaltet sind. „Digitalisierung ermöglicht umfassende Flexibilisierung, und diese kann gut sein, wenn sie dazu führt, Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen“, so Ahlborn. „Ich möchte aber nicht, dass digitalisierte Technologien und Arbeitsabläufe dazu führen, dass Beschäftigte morgens auf ihr Smartphone schauen müssen und auf diesem angezeigt bekommen, wo und was sie die nächsten Tage zu arbeiten haben.“

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