Die IG Metall fordert, dass die Beschäftigten mehr Zeitsouveränität erhalten, also über ihre Arbeitszeit stärker selbst bestimmen können. Nicht nur diejenigen, die Kinder haben oder ihre Eltern pflegen müssen. „Eine neue Zeitpolitik tut auch den Arbeitnehmern gut, die Zeit für sich brauchen“, sagt Detlef Wetzel, der Erste Vorsitzende der IG Metall. Dass das Thema Arbeitszeit kein reines Wohlfühlthema ist und schon in der Vergangenheit zu großen Auseinandersetzungen geführt hat, weiß der Gewerkschafter. Doch es sei notwendig, der totalen Ökonomisierung des Lebens entgegenzutreten, sagt Detlef Wetzel.
Ein neues Verständnis von Arbeitszeit muss her. Jobs von nine to five gehören für so manchen Arbeitnehmer schon lange der Vergangenheit an. Für sie ist es Alltag, dass sie auch nach ihrer Arbeitszeit Emails, SMS und Anrufe abarbeiten. Ob, wann und in welcher Form das zu gesundheitlichen Beschwerden führt, ist individuell und hängt von vielen Faktoren ab. Fest steht allerdings, dass die Verwischung von Arbeit und Freizeit psychische Belastungen auslöst. Schlafstörungen, Rückenprobleme, Rauschen im Ohr und Magenschmerzen können eine Folge sein. Am Ende stehen Depression und Burn-out. Immer mehr dringt die Arbeit ins Privatleben ein. Um der fortschreitenden Entgrenzung Einhalt zu gebieten, sind klare Regelungen notwendig.
Flexibilität wird akzeptiert
„Nachmittags gehören Mutti und Vati mir“ ist das Motto, mit dem die IG Metall die Bedeutung der Debatte um die Arbeitszeit deutlich macht. Wie eine gute Regelung der Arbeitszeit aussehen kann, das ist eines der großen Zukunftsthemen – auch bei der IG Metall. Schon jetzt gibt es nachahmenswerte Praxisregelungen in einzelnen Firmen – beispielsweise bei BMW und VW. Doch das nutzt nur den Beschäftigten, die in diesen Unternehmen tätig sind. Gute Regelungen müssen über Tarifverträge oder Gesetze verankert werden, dann können mehr Menschen davon profitieren.
Flexibilität braucht einen fairen Ausgleich – das ist auch eines der Ergebnisse der großen IG Metall-Beschäftigtenbefragung vom Frühjahr 2013. Grundsätzlich sind die meisten Beschäftigten bereit, sich flexibel auf betriebliche Erfordernisse einzustellen. Danach ist es für viele Arbeitnehmer selbstverständlich zuzupacken, wenn die Situation im Unternehmen es erfordert. Nur zehn Prozent der Befragten sprachen sich bei der Befragung gänzlich gegen flexibles Arbeiten aus. Doch ihre Bereitschaft zur Flexibilisierung sollte keine Einbahnstraße sein. Die Beschäftigten erwarten auch im Umkehrschluss von ihrem Arbeitgeber Flexibilität: 93 Prozent wünschen sich, dass sie auch kurzfristig einen Tag frei nehmen können. Und es besteht der Anspruch, dass die Flexibilitätswünsche des Unternehmens nicht dazu führen dürfen, dass die Arbeit das Privatleben stark beeinträchtigt.
Tatsächlich geht es den Menschen nicht unbedingt um die Verkürzung ihrer Arbeitszeit. Nein. Die Beschäftigten wünschen sich, dass ihre tägliche Arbeitszeit kurzfristig an private Bedürfnisse angepasst werden kann, wie es beispielsweise mit der Betriebsvereinbarung „Mobilarbeit“ beim Autobauer BMW gelungen ist.
Wunsch nach besserer Vereinbarkeit
Die Ergebnisse der Befragung sind Grundlage einer Diskussion in der IG Metall über das betriebs- und tarifpolitische Programm der nächsten Jahre. Wie gute betriebliche Regelungen aussehen sollten, ist dabei eines der Themen, über die zur Zeit diskutiert wird. Eindeutig allerdings ist der Wunsch der Beschäftigten nach geregelter Arbeitszeit und vehement wird gefordert, dass Arbeit und Leben miteinander vereinbar sein sollen. Klar ist auch: Der Entgrenzung von Arbeit, die mit permanenter Erreichbarkeit erst möglich wird, muss Einhalt geboten werden. Sonst, so viel ist klar, wird der Stress, dem Beschäftigte teilweise ununterbrochen ausgesetzt sind, weiter wachsen. Und mit ihm die psychischen Beschwerden.