Sie sind zwei von fünfhundert. Sandra Korthals und Christian Walter gehören zu den neuen, jungen Kräften beim Gewerkschaftstag. An Erfahrung mangelt es den beiden Delegierten nicht. „Schau dich um, wo der Betriebsrat ist.“ Diesen Rat bekam Christian am ersten Tag seiner Ausbildung von seiner Mutter auf den Weg. Heute läuft es andersherum. Der 32jährige gehört jetzt selbst dem Betriebsrat an. Christians Weg führte ihn rasch durch die Mitbestimmungsgremien bei Hörmann Automotive in Mainz Gustavsburg von der Jugend- und Auszubildendenvertretung zur Leitung der IG Metall-Vertrauensleute. Die Delegiertenversammlung der IG Metall Mainz-Worms schickte ihn nun zum Kongress nach Frankfurt. Dort, sagt er, interessiert ihn vor allem die betriebliche Aus- und Weiterbildung.
Ein „Steckenpferd“, das er mit Sandra Korthals teilt, die nach dem Abitur bei VW Nutzfahrzeuge in Hannover eine Ausbildung als Mechatronikerin gemacht hat. Die Themen Ausbildung, Weiterbildung und politische Bildung sind ihr besonders wichtig. Sandra ist Jugendvertreterin und ein sogenannter Teilzeit-JAVi. Für ihre Arbeit in der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) ist sie an zwei Tagen in der Woche freigestellt. Drei Tage arbeitet sie ganz normal in der Lackiererei. Im JAV-Gremium koordiniert sie Projekte und Arbeitsgruppen. „Ich bin gerne für andere Leute da“, sagt Sandra.
In ihrem Betrieb bei VW Nutzfahrzeuge organisiert Korthals sogenannte Auslerner-Runden. Junge Beschäftigte, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben, informiert sie darüber, wie sie sich weiterbilden können. „Das ist ein zentrales Projekt von mir“, sagt die 25jährige. „Es geht mir darum zu vermitteln, dass das Lernen und Aneignen von Wissen nach der Ausbildung weiter geht.“ Bestes Beispiel ist sie selbst. Neben ihrer Arbeit macht sie derzeit ihre Weiterbildung zur Meisterin. 2016 will sie mit der Meisterschule fertig sein.
Sandra freut sich schon auf die Diskussionen auf dem Gewerkschaftstag. Weil sie noch so jung ist, ist das auch der erste Gewerkschaftstag für sie. Dass sie Delegierte wurde, war ein bisschen Glückssache. Eigentlich wäre die Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung in ihrem Betrieb dran gewesen, nach Frankfurt zu fahren. Da sie aber zeitlich nicht konnte, kam Sandra als Nachrückerin zum Zuge. „Ich habe schon viel gehört, wie das abläuft. Dass ich dabei sein kann, sehe ich als große Chance. Man muss das einmal gemacht haben, auch wenn das eine anstrengende Woche sein wird“, sagt Korthals. Was kommt auf alle Fälle ins Gepäck für den Gewerkschaftstag in Frankfurt? „Der dicke Ordner mit den Anträgen auf jeden Fall, mein Handy und ein Kuschelkissen“, sagt Sandra.
Auch Christian Walter stellt sich auf eine besondere Woche ein. Schließlich fällt sein Geburtstag da mittenrein. Für den Tag hat er sich vorgenommen, mit Kollegen in die Traditionskneipe Batschkapp zu gehen und seinen Geburtstag zu feiern. Besonders vermissen wird er seine kleine Tochter Palina, die ein halbes Jahr alt ist. Auch sonst ist der umtriebige Gewerkschafter viel unterwegs. Walter ist Abgeordneter im Rüsselsheimer Stadtparlament. Außerdem stellt er jedes Jahr ein Benefiz-Festival in Kirchgarden auf die Beine, wo junge Bands aus der Region auftreten können. Schon von klein auf gehörte für Walter Gewerkschaft einfach dazu.
„Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie und meine Eltern standen da beide dahinter. Ich finde gut, wie viel man bewegen kann“, erzählt Walter. „Ein Beispiel: Als Hörmann Automotive vor sieben Jahren in die Krise schlitterte, haben wir die Kurzarbeit genutzt, um ein Qualifizierungsprogramm auf die Beine zu stellen.“ Mehrere angelernte Kollegen haben so innerhalb eines Jahres eine komprimierte Ausbildung absolviert und einen IHK-Abschluss zum Anlagenfahrer und Fachlagerist gemacht.
Jetzt kümmert sich Walter mit seinen Kollegen im Betrieb darum, den jüngsten Tarifabschluss zur Weiterbildung in eine Betriebsvereinbarung zu packen. Die soll es dann ermöglichen, Arbeitszeit anzusparen, um sich dann ein bis zwei Jahre freistellen zu lassen und in der Zeit seinen Techniker oder Meister zu machen. Spannend fand er die Diskussion im Vorfeld des Gewerkschaftstages. „Das Debattenpapier hat sehr positiv auf mich gewirkt, weil sich jedes IG Metall-Mitglied dazu äußern konnte.“ Irgendwann kam dann per Post ein dicker Ordner mit den Anträgen, die auf dem Gewerkschaftstag in Frankfurt zur Diskussion und Abstimmung gestellt werden. „Ich hab erst mal geschluckt, denn das ist wirklich viel Holz“, erinnert sich Walter. Aber je mehr er sich mit den über 500 Anträgen befasste, umso mehr wurde ihm die Vielfalt der IG Metall bewusst.
Wer sehen möchte, was Sandra und Christian beim Gewerkschaftstag erleben, sollte einen Blick auf das
Online-Portal zum Gewerkschaftstag 2015 werfen. Dort erscheint ab Kongressbeginn jeden Tag eine Video-Folge ihres Delegiertentagebuchs.