IG Metall geht gegen Angriffe auf Arbeitnehmer bei Playmobil vor
Playmobil lässt Beschäftigte schwitzen

Hitze, Druck, Abmahnungen, Strafversetzungen, Kündigungen. Arbeiten beim Playmobil-Hersteller Geobra Brandstätter ist kein Kindergeburtstag. IG Metall-Betriebsräte, die sich für die Beschäftigten einsetzen, werden schikaniert. Die Geschäftsführung will sie nun rausklagen.

17. August 201817. 8. 2018


Über 37 Grad haben IG Metall-Betriebsräte in der Werkhalle beim fränkischen Playmobil-Hersteller Geobra Brandstätter in Dietenhofen gemessen. Sie informierten die Beschäftigten per Aushang über ihre Rechte – etwa auf regelmäßige Entwärmungsphasen. Das brachte die Geschäftsführung auf die Palme: Sie will die IG Metall-Betriebsräte aus dem Betriebsrat herausklagen. Angeblich hätten sie das „Gebot zur vertrauensvollen Zusammenarbeit“ missachtet. Arbeitgeberhörige Mitglieder des Betriebsrats unterstützen die Geschäftsführung dabei.

Dabei haben die IG Metall-Betriebsräte aus ihrer Sicht nur „ihren Job gemacht“: Der Betriebsrat ist per Gesetz verpflichtet, darüber zu wachen, dass Arbeitnehmerrechte wie etwa die Vorschriften zu Hitze am Arbeitsplatz umgesetzt werden. Der Arbeitgeber tut hier seit Jahren zu wenig. Die Gewerbeaufsicht hatte das bereits angemahnt.

Die arbeitgeberhörige Opposition im Betriebsrat jedoch blockierte die Anträge der IG Metall-Betriebsräte auf Maßnahmen gegen die Hitze. In fast gleichlautenden Aushängen wandten sich Geschäftsführung und hörige Betriebsräte an die Belegschaft, in denen sie den IG Metall-Betriebsräten „Unverständnis“ und eigenmächtiges Handeln vorwerfen. Angeblich gebe es genügend Maßnahmen gegen die Hitze – und günstig zu erwerbendes Wasser. Es drohten „disziplinarische Maßnahmen“ gegen alle Beschäftigten, die eigenmächtig handeln.


Wer sich selbst hilft, fliegt raus

Die Maßnahmen sehen in etwa so aus: In der Montagehalle sind die Griffe von den Fenstern abmontiert – „weil sonst die Waage am Band spinnt“, heißt es. Ein Beschäftigter, der einen Löschwasser-Hydranten aufdrehte, um sich selbst zu helfen, wurde kurzerhand gefeuert. Dabei haben sie das in den letzten Jahren immer so gemacht, wenn die Hitze bei Playmobil mal wieder unerträglich wurde.

Dieses Verhalten der Geschäftsführung ist nicht neu. Kündigungen, Abmahnwellen, Psychodruck und Versetzungen sind an der Tagesordnung: „Es fließen schon auch mal Tränen.“ „Heimlichtuerei macht den Angestellten Angst.“ „Nervlich gehen alle am Limit.“ Die Mitarbeiter-Urteile über Playmobil im Job-Bewertungsportal „kununu“ sprechen fast durchgängig eine Sprache: Mobbing, Bossing – und Duckmäusertum durch alle Ebenen. „Ein derartiges Klima der Angst habe ich noch bei keinem anderen Unternehmen erlebt“, sagt Betriebsbetreuerin Bianka Möller von der IG Metall Westmittelfranken.


Druck ohne Ende – System „Hydra“ überwacht

Hitze, Angst – und ständig steigt der Arbeitsdruck: An Maschinen, die bis vor kurzem noch fünf Arbeiter benötigten, stehen jetzt nur noch vier. Ein elektronisches Überwachungssystem mit dem Namen „Hydra“ kontrolliert jeden persönlichen Schritt und meldet jede Sekunde Pause nach oben. Wer eine produktionsbedingte Pause von etwa 50 Sekunden hat, muss dazwischen noch etwas montieren oder putzen. Und sie müssen Überstunden kloppen. Die Arbeitszeitkonten laufen über. Hunderte Plusstunden sind keine Seltenheit. Nebenher sollen die Beschäftigten auch noch ständig neue Leiharbeiter einarbeiten.

„Hinter dem Produkt Playmobil stehen wir alle. Doch die Arbeitsbedingungen dahinter sind Sklaventreiberei“, kritisiert ein langjähriger Beschäftigter.

Dieses Arbeitsklima bleibt nicht ohne Folgen: In einigen Abteilungen ist fast jeder Vierte Beschäftigte krank. Wer kann, der geht: Allein in der Intralogistik mit 60 Beschäftigten kündigte seit Anfang August jeder Zehnte.


IG Metall-Betriebsräte werden schikaniert

Dass es überhaupt IG Metall-Betriebsräte gibt, die sich für die Beschäftigten einsetzen, hat die IG Metall vor zwei Jahren mühsam durchklagen müssen. Zudem gilt seitdem auch ein Haustarifvertrag, mit besserer Bezahlung (außer im Playmobil-„Fun Park“ an der Firmenzentrale im wenige Kilometer entfernten Zirndorf. Dort werden Beschäftigte zum Mindestlohn von 8,84 Euro eingestellt.

Seit ihrer Wahl werden die acht IG Metall-Kollegen schikaniert – oft mit kleinen Nickligkeiten. Etwa haben sie keine Zugangskarten, anders als die arbeitgebernahen Betriebsräte. Wenn sie durch das Werk gehen wollen, um ihren Job zu machen, oder zur Betriebsratssitzung, dann müssen sie an jedem Tor und jeder Tür klingeln und warten, bis ihnen aufgemacht wird.

Bis Ende letzten Jahres hatte einer der IG Metall-Betriebsräte sogar noch den Vorsitz im Betriebsrat. Doch als er und ein IG Metall-Kollege zusammen mit der IG Metall Geschäftsstelle Westmittelfranken die Playmobil-Fabrik in Malta besichtigen wollten (dorthin hat Playmobil die Spielfiguren verlagert, in Dietenhofen werden noch die anderen Teile gefertigt), um sich über die Arbeitsbedingungen dort ein Bild zu machen, wurde er von den anderen arbeitgeberhörigen Listen im Betriebsrat kurzerhand abgesetzt. Stress mit dem Management unerwünscht.

„Es ist beschämend, wenn ein Spielwarenhersteller die Beschäftigten und Betriebsräte selbst nur als Spielzeug betrachtet und die gesetzlich garantierte Mitbestimmung angreift“, kritisiert der Bezirksleiter der IG Metall in Bayern, Jürgen Wechsler. „Die Klage gegen die IG Metall im Betrieb ist ein Skandal. Und die unentwegten Angriffe und Abmahnungen sind ist ein unakzeptabler Fall von Union Busting. Wir werden das als IG Metall nicht hinnehmen. Demokratie und Rechtstaatlichkeit müssen auch bei Playmobil gelten.“

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