Pläne von Union und SPD
So viel IG Metall steckt im Koalitionsvertrag

Union und SPD haben ihren Fahrplan für die kommenden vier Regierungsjahre vorgelegt. Für Beschäftigte und Industrie geht es dabei um die Zukunft. Wir zeigen, welche IG Metall-Forderungen sich im Koalitionsvertrag wiederfinden – und bei welchen Punkten Widerstand angebracht ist.

10. April 202510. 4. 2025


Aufbruch oder Rückschritt? Vernünftig oder zu wenig ambitioniert? Die Reaktionen auf den Koalitionsvertrag von Union und SPD fallen äußerst unterschiedlich aus.

Aus Sicht der IG Metall steht fest: Der Vertrag enthält viele Punkte, für die Gewerkschaften teils jahrelang geworben haben. Zuletzt mit einem bundesweiten Aktionstag Mitte März, bei dem über 80 000 Metallerinnen und Metaller für die Zukunft ihrer Arbeitsplätze auf die Straße gegangen sind.

Allerdings stehen in dem Koalitionsvertrag auch Dinge, die aus Arbeitnehmersicht bedenklich sind – oder schlicht falsch.

„Unsere Kolleginnen und Kollegen brauchen einen klaren Fahrplan, den der Koalitionsvertrag an vielen Stellen bietet“, sagt Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall. Die Maßnahmen für sichere Arbeitsplätze in der Automobilindustrie müssten nun „schnell umgesetzt werden“.

Und Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, ergänzt: „Zentrale industriepolitische Forderungen der IG Metall beschreibt der Koalitionsvertrag nun als Vorhaben. Das ist ein wichtiger Schritt.“

Hier der Überblick über die wichtigsten Punkte:


Positiv:

Industriestrompreis
Für energieintensive Branchen wollen Union und SPD einen reduzierten Industriestrompreis einführen. Dafür trommelt die IG Metall seit Jahren. Denn: Viele Betriebe – zum Beispiel Gießereien oder Aluminiumhütten – ächzen unter den hohen Strompreisen, die international kaum wettbewerbsfähig sind. Das gefährdet Arbeitsplätze und wird sich nun hoffentlich ändern.

Senkung von Stromsteuer und Netzentgelten
Auch diese Bestandteile des Strompreises treiben seit Jahren die Energiekosten von Verbrauchern und Unternehmen nach oben. Abhilfe schaffen tut Not.

Förderung der E-Mobilität
Die Zukunft der weltweiten Autobranche ist elektrisch. Doch der abrupte Förderstopp der Ampel-Regierung hat den Absatz hierzulande einbrechen lassen. Nun soll er wieder angekurbelt werden. Außerdem will die künftige schwarz-rote Regierung das Ladesäulennetz ausbauen und die Batteriezellfertigung fördern. All das hilft den heimischen Autobauern und den dort beschäftigten Kolleginnen und Kollegen.

Reform Schuldenbremse
Die Schuldenbremse im Grundgesetz ist zur Zukunftsbremse geworden. Ihre strengen Regeln verhindern dringend notwendige Investitionen in Straßen, Schienen, Brücken oder digitale Netze. Eine Reform ist geplant. Im Ergebnis könnte Deutschland einen Modernisierungsschub erleben, den alle Bürger im Alltag spüren würden.

Reduzierung der Einkommensteuer
Im Koalitionsvertrag steht: „Wir werden die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen zur Mitte der Legislatur senken.“ Das entspricht grundsätzlich einer Forderung der Gewerkschaften. Konkret wird der Koalitionsvertrag allerdings nicht.

Arbeitsmarkt stärken
Weil sich Technik und Berufe rasant wandeln, brauchen Beschäftigte Möglichkeiten für Weiterbildung. Schwarz-Rot plant mehr Förderung und eine Qualifizierungsoffensive für junge Menschen. Der Mindestlohn soll steigen – damit Menschen mit geringem Verdienst von ihrer oft harten Arbeit besser leben können.

Mehr Tarifbindung
Der Staat ist einer der größten Auftraggeber der Wirtschaft. Diese Macht sollte er nutzen, um Tarifverträge zu stärken. Heißt: Öffentliche Aufträge des Bundes sollten nur an Firmen gehen, die nach Tarif zahlen. Dazu planen Union und SPD ein Bundestariftreuegesetz, wie es IG Metall und DGB vorgeschlagen haben.


Negativ:

Keine Vermögensteuer
Mehr Solidarität bei der Finanzierung des Staates: Das könnte zum Beispiel durch eine Vermögenssteuer erreicht werden. Leider eine Leerstelle im Koalitionsvertrag.

Höchstarbeitszeit pro Woche statt pro Tag
Die künftige Regierung will von einer täglichen Höchstarbeitszeit (in der Regel acht Stunden) zu einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit wechseln. Dabei ist der Acht-Stunden-Tag eine historische Errungenschaft – und in Zeiten immer größerer Arbeitsverdichtung ein wichtiger Schutz vor Überlastung. Überlange Arbeitszeiten sind mit einer Vielzahl von gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden.

Steuerliche Anreize für Mehrarbeit
Künftig soll es Anreize für Mehrarbeit geben. Aus Gewerkschaftssicht eine schräge Diskussion: Denn nie wurde in Deutschland so viel gearbeitet wie heute. Von den rund 1,2 Milliarden geleisteten Überstunden im Jahr 2024 blieben mehr als die Hälfte unbezahlt. Überstunden sind eine Gesundheitsrisiko und sollten nicht gefördert werden.

Rolle rückwärts beim Bürgergeld
Beim Bürgergeld wird die Zeit zurückgedreht. Künftig soll es wieder einen sogenannten „Vermittlungsvorrang“ gegen. Es geht also um eine möglichst schnelle Vermittlung in (irgend-)einen neuen Job. Besser wäre Qualifizierung und eine möglichst langfristig orientierte Stellensuche.

Keine Local-Content-Strategie
Die IG Metall macht sich dafür stark, dass Unternehmen Verantwortung für Arbeitsplätze in Europa übernehmen, wenn sie Europa als Markt sehen. Wenn zum Beispiel ein chinesischer oder US-amerikanischer Hersteller in Europa Autos verkaufen will, dann sollte es eine Verpflichtung zu europäischen Fertigungen mit europäischen Komponenten geben. Zu einer solchen „Local-Content“-Regelung hat die künftige Regierung keine Pläne.


Offen:

Rentenniveau nur bis 2031 gesichert
Dauerhaft auskömmliche Renten: Für Beschäftigte ein absolutes Muss. Laut Koalitionsvertrag wird das Rentenniveau, eine Messgröße für die Entwicklung der Renten, nur bis zum Jahr 2031 gesichert. Was danach passiert, soll eine Kommission vorschlagen. Ein solidarischer Umbau der Rentenversicherung – Stichwort: Erwerbstätigenversicherung – ist nicht geplant.

Gesundheit und Pflege: Kommission und Arbeitsgruppe sollen es richten
Wie die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben bei der Krankenversicherung geschlossen werden soll, bleibt offen. Eine Kommission soll es richten. Von einer Bürgerversicherung zur solidarischen Finanzierung ist keine Rede. Bei der Pflege wird eine große Reform angekündigt. Die Grundlagen dafür soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf Ministerebene erarbeiten, unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände.

Investitionsoffensive
Seit Jahren investieren Industrieunternehmen zu wenig in die deutschen Standorte. Im Koalitionsvertrag ist deshalb ein „Investitions-Booster“ vorgesehen: Unternehmen, die zum Beispiel neue Maschinen kaufen oder eine Fertigungslinie modernisieren, sollen ihre Steuerlast nach hinten verschieben können. Eine Investitionsprämie ist aber nicht vorgesehen. Fraglich, ob dadurch wirklich Investitionen in großem Umfang angeregt werden.

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