Arbeit 4.0: bloß nicht bange machen lassen

Bericht aus Bezirk Niedersachen und Sachsen-AnhaltSeit zwei Jahren bietet die IG Metall das Projekt „Arbeit und Innovation" an, um Betriebsräte und Vertrauensleute fit zu machen für die neuen Gestaltungsprozesse.

1. Oktober 20181. 10. 2018


Der Armaturenhersteller in Braunschweig gehört zu den Pilotbetrieben des Netzwerks aus inzwischen über 100 Unternehmen bundesweit. Doch keine Panik, sagt Betriebsratsvorsitzende Sophie Guillouet: „Die Angst vor Veränderung kann genommen werden durch Beteiligung und Aufklärung.“

Alle reden über die digitalisierte Arbeitswelt. Schlagworte wie Transformation und Industrie 4.0 bauen eine Drohkulisse auf. Für Schweißer Gerd Kirsten ist die Transformation, die Umgestaltung der Arbeitswelt, längst Realität. „Ich arbeite bereits heute mit dem Schweißautomaten Hand in Hand.“

Dabei fürchtet der 54-Jährige nicht um seinen Job: „Ich bin gerade dabei, mich einzuarbeiten, aber wir leisten auch künftig viel Handarbeit. Die Maschinen ergänzen nur unsere Arbeit.“

Auch CNC-Fräser Karsten Hülshoff, 44, steht der neuen Technologie eher positiv gegenüber. Er arbeitet bereits bei einigen Aufträgen mit einem Beladeassistenz-Roboter zusammen: „Ich finde das gut, weil ich jetzt die Maschine bediene und keine Teile mehr selbst einspannen muss. Dadurch wird man geistig mehr gefordert und lernt kontinuierlich dazu.“

Einkaufsleiter Andreas Schwieger freut sich sogar auf die neue Arbeitswelt der Digitalisierung: „Die doppelte Bearbeitung der Bedarfsermittlung wird wegfallen.“ Heute, sagt er, füllt jemand ein Formular aus, das in den Computer eingegeben und teilweise als Datei verschickt wird. Künftig wird jeder Beschäftigte seine Bestellung direkt auslösen können: „Wir werden effizienter in den Prozessen.“

Bei den 336 Beschäftigten bei Braunschweiger Flammenfilter ist die Angst vor der Industrie 4.0 vorerst gewichen. Frühzeitig hat sich der Betriebsrat gemeinsam mit der Geschäftsführung eingeschaltet, um die Umgestaltung in Produktion und Büro zum Schutz der Arbeitsplätze zu begleiten. „Erst im September 2016 auf der Maschinenbaukonferenz der IG Metall in Berlin erkannte ich akuten Handlungsbedarf“, berichtet Betriebsratsvorsitzende Sophie Guillouet. „Ich dachte nur: Die digitale Transformation ist notwendig, um die langfristige Beschäftigung zu sichern und wettbewerbsfähig bleiben zu können.“

Das 1954 gegründete Familienunternehmen will auch weiterhin am Standort Braunschweig forschen und produzieren. Der Innovationsführer in der Fertigung von Flammendurchschlagsicherungen hat nach einer umfassenden Marktanalyse 2017 rund 12 Millionen Euro für den Bau eines neuen Technologiezentrums in Braunschweig bereitgestellt. Dadurch entstehen weitere Jobs. Bereits im August 2018 wurden 20 Beschäftigte neu eingestellt.

„Ziel der Geschäftsführung ist es“, sagt Guillouet, „den Umsatz durch Produktinnovationen und optimierte Arbeitsprozesse weiterhin zu verbessern“. Es laufen rund 15 Einzelprojekte, um das Unternehmen mit weltweit 585 Beschäftigten für die Industrie 4.0 aufzustellen: So sollen zunächst interne Arbeitsprozesse digitalisiert und optimiert werden. Durch die Einführung von „Office 365“ sind alle Beschäftigten in einer Cloud vernetzt. Ziel ist das papierlose Büro.

Als nächstes werden neue Betriebsdaten und neue Personalzeiterfassungen eingeführt. Guillouet: „So können zum Beispiel Urlaubsanträge direkt ins System eingereicht und vom Vorgesetzten genehmigt werden.“ Dann wird der Urlaub im System erfasst: Automatisch werden die Produktionsplanungen auf die veränderte Beschäftigtenzahl angepasst.

Im Januar 2017 stellte Guillouet den Antrag beim Vorstand der IG Metall, in das Projekt „Arbeit und Innovation“ aufgenommen zu werden. In mehreren Modulen wurde sie von Experten begleitet und sogar in der „Lernfabrik“ der Ruhr-Universität Bochum hautnah über den Einsatz der neuen Technologien informiert. Guillouet: „Das ist das Besondere an dem Projekt. IG Metall, Betriebsrat und Geschäftsführung arbeiten gemeinsam an der Umsetzung des Technologiewandels: Unser Ziel ist eine Betriebsvereinbarung zur Qualifizierung.“

Betriebsbetreuer Malte Stahlhut von der IG Metall Braunschweig: „Bereits heute zeichnet sich ab, dass bei Flammenfilter keine Arbeitsplätze durch die Digitalisierung wegfallen, sondern dass Anpassungsqualifizierungen an die neuen Arbeitsprozesse notwendig werden.“

Aufgrund des hohen Facharbeiteranteils von über 90 Prozent seien das oft nur kurze ­Einweisungen oder Tagesschulungen. Bei rund 25 Beschäftigten in den unteren Entgeltgruppen werden weiterreichende Maßnahmen notwendig. Sophie Guillouet ist da nicht bange: „Wir werden gemeinsam mit der Personalleitung eine Qualifizierungsmatrix erarbeiten, damit alle Beschäftigten die gleiche Chance für eine Qualifizierung erhalten.“

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