Flüchtlinge
Metaller packen mit an

Ob Sprachkurse, Praktika oder eine Schlafmöglichkeit: Metallerinnen und Metaller helfen. Sie engagieren sich dafür, dass Flüchtlinge in Deutschland Fuß fassen können: Bei den Unterkünften, bei Deutschkursen und bei der Suche nach Arbeitsplätze in den Betrieben.

14. September 201514. 9. 2015


Seit Juni arbeitet ein Flüchtling aus Syrien als Maschinenbediener bei Bosch in Reutlingen. Der Betriebsrat hat sich dafür eingesetzt. „Die Belegschaft findet das gut. Auf der Betriebsversammlung gab es Applaus“, erzählt Betriebsrat Alireza Chavdarian, der die Idee dazu hatte. Er ist selbst als Flüchtling vor 25 Jahren aus dem Iran nach Deutschland gekommen.

Der neue Kollege leistet gute Arbeit, sagt auch die Personalabteilung, die anfangs zwar offen, aber auch skeptisch war. Der Wirtschaftswissenschaftler aus Syrien hat bereits früher in technischen Berufen gearbeitet. Mit Namen und Gesicht will er nicht in der Zeitung erscheinen, aus Angst vor dem Regime und den Terroristen in seiner Heimat, vor denen er geflohen ist.

Seinen Plan entwickelte Betriebsrat Chavdarian im Arbeitskreis Migration der IG Metall vor Ort. Der Arbeitskreis hatte schon länger über Möglichkeiten diskutiert, Flüchtlingen eine Chance auf Arbeit zu geben. Das Asylcafé in Reutlingen, in dem sich Flüchtlinge und Bürger treffen, fand einen geeigneten Bewerber: über 40 Jahre, mit Kindern und Berufserfahrung. Er soll nicht der letzte sein.

Chavdarian und der gesamte Betriebsrat setzten sich weiter ein: Gerade sind sie dabei, einem weiteren Flüchtling zu einem Praktikum zu verhelfen.

Praktika und Jobs

Helmut Hartmann ein paar Kilometer weiter in Nürtingen kümmert sich um Praktika und Jobs für Flüchtlinge. Hartmann war vor seiner Rente IG Metall-Bevollmächtigter in Esslingen. Nun engagiert er sich gemeinsam mit 50 anderen ehrenamtlich im Arbeitskreis Asyl und nutzt seine Kontakte.

Zurzeit versucht Hartmann, fünf Syrern Ferienjobs zu verschaffen – eine wochenlange Odyssee durch Ämter und Bürokratie. „Oft ist gar nicht klar, wer überhaupt zuständig ist: Die Arbeitsagentur schickt Dich zum Jobcenter, das Finanzamt zum Rathaus. Und überall musst Du seitenlange Anträge ausfüllen, die Flüchtlinge unmöglich verstehen können“, erklärt er.

Doch es lohnt sich: Der 22-jährige Syrer Shokre Alawad fängt am 1. September mit seiner Ausbildung zum Feinwerkmechaniker an. In Syrien hatte er bereits ein Ingenieurstudium begonnen, als er vor anderthalb Jahren fliehen musste. Hartmann begleitete ihn zu Ämtern und Gerichten, besorgte ihm einen Deutschkurs, ein Praktikum und eine kleineWohnung, erzählt Alawad in bereits erstaunlich gutem Deutsch. „Es war schwer am Anfang. Ohne Helmut Hartmann wäre ich wohl immer noch im Flüchtlingswohnheim.“

Sprachkurs

Deutsch zu lernen ist entscheidend, meint Hartmann. Nur dann können Flüchtlinge hier Fuß fassen und arbeiten. Das sehen Adelheid Müller-Laus und ihr Mann Manfred Laus aus Frankfurt am Main genauso. Früher waren die beiden Betriebsräte bei AEG. Jetzt kümmern sie sich ehrenamtlich um jugendliche Flüchtlinge, die ohne Eltern nach Deutschland gekommen sind. In einer Einrichtung des Vereins für Arbeits- und Erziehungshilfe helfen sie ihnen beim Deutsch-Sprechen, -Lesen und -Schreiben. Sie haben sich auf einen Aufruf der Arbeiterwohlfahrt zum Projekt „Herzlich ankommen“ gemeldet, gemeinsam mit 150 anderen Freiwilligen. Sie absolvierten einen Grundkurs und unterstützen nun die professionellen Lehrer.

„So können wir wenigstens einen Minibeitrag leisten, um zu zeigen: Ihr seid hier willkommen “, erklärt Adelheid Müller- Laus. „Und es kommt auch etwas zurück: Die Jugendlichen bedanken sich, sie wollen weiterkommen und sind wissbegierig.“ Oft geht es dabei um ganz einfache Dinge für die unter Ängsten und Depressionen leidenden Jugendlichen, um menschlichen Kontakt, betont Manfred Laus. „Wenn Du monatelang um die halbe Welt flüchtest und ums Überleben kämpfst, hilft es schon, wenn Leute mit Dir ganz normal reden und Dich fragen, wie Du geschlafen hast.“

Bundesweit Unterstützung

Metaller, die Flüchtlingen helfen, sind keine Einzelfälle. In vielen Betrieben setzen sich Jugendvertretungen und Betriebsräte derzeit dafür ein, dass ihr Arbeitgeber Flüchtlinge als Azubis oder Beschäftigte einstellt. Auch der IG Metall-Vorstand in Frankfurt am Main hilft und stellt Räume für Deutschkurse zur Verfügung. Die IG Metall Jugend hat sich die Solidarität mit Geflüchteten ebenfalls auf die Fahne geschrieben. Das haben die jungen Delegierten auf der Jugendkonferenz im April ausdrücklich entschieden. In Nordrhein-Westfalen etwa startet die IG Metall Jugend gerade die Initiative „Willkommen – Geflüchtete in der Ausbildung“. Das Ziel: Jeder Metallbetrieb in NRW soll mindestens einen Geflüchteten als Azubi einstellen. Einige packen auch spontan an. So wie die 15 jungen Beschäftigten und Azubis der IG Metall Jugend Dresden und Riesa.

Sie haben Anfang August bei der Einrichtung einer Notunterkunft für 600 Asylbewerber auf dem Gelände der Technischen Universität Dresden geholfen. Sie bauten Feldbetten, Tische und Bänke auf und richteten die provisorische Küche ein. IG Metall-Jugendsekretär Sebastian Müller hatte sie über Nacht zusammengetrommelt. „Das war nur möglich, weil wir in den letzten Jahren viel Aufklärung betrieben haben. Wir hatten zahlreiche Workshops und Podiumsdiskussionen mit Geflüchteten. Unsere Jugendlichen wissen einfach, wie mies es den Leuten geht.“

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