Beim Hersteller der weltbekannten Playmobil-Figuren „Geobra Brandstätter“ gibt es derzeit weder einen Tarifvertrag, der für sichere und faire Arbeitsbedingungen sorgt, noch einen Betriebsrat. Letzterer wurde zwar vor rund zwei Jahren gewählt – doch kurz darauf wieder aufgelöst. Grund: Der Wahlvorstand hatte die Kandidatenliste der IG Metall unzulässiger Weise zurückgewiesen. Die Gewerkschaft focht die Gültigkeit der Betriebsratswahl daher vor Gericht an – und hat inzwischen über drei Instanzen hinweg recht bekommen.
Nun werden in wenigen Wochen Neuwahlen stattfinden – und zu diesen müssen auch die Kandidaten der IG Metall zugelassen werden. Das scheint der Unternehmensleitung jedoch gar nicht zu passen. Nach Einschätzung von Reiner Gehring, dem Ersten Bevollmächtigten der IG Metall Westmittelfranken, versucht das Management sich wohlgesonnene Köpfe ins Amt zu hieven. Mit fast allen Mitteln.
Polemische Flugblätter ohne Urheberangabe
Seit wenigen Tagen kursieren Flugblätter im Stammwerk im mittelfränkischen Dietenhofen. Darauf zu sehen ist ein sinkendes Playmobil-Piraten-Schiff unter IG Metall-Fahne. Auf einem Segel sind die Logos der Unternehmen AEG, Metz, MAN und Grundig zu sehen. Darunter steht polemisch: „Die IG Metall hat schon einige Schiffe absaufen lassen, trotz Tarifvertrag und einer Schatztruhe voller Mitgliedsbeiträge!“ Ein Urheber wird nicht genannt.
Das Unternehmen hat gegenüber der Presse erklärt, der Flyer sei vom ehemaligen Betriebsrat und Beschäftigten in Umlauf gebracht worden. Auch wenn dem so ist – Gehring vermutet: Das Flugblatt wurde mindestens mit Wissen der Unternehmensleitung erstellt und verteilt. Anders sei es kaum vorstellbar, habe der ehemalige Betriebsrat doch in der Vergangenheit keinen Zweifel an seiner Nähe zum Management aufkommen lassen.
Geschäftsleitung will IG Metall aus dem Betrieb
Der schlechte Stil sei leider typisch für die Vorgänge beim Spielzeug-Hersteller, wertet Gehring: „Dass die Geschäftsleitung und der zuletzt agierende Betriebsrat die IG Metall mit allen Mitteln aus dem Betrieb halten wollen, ist nichts Neues. Doch dass jetzt auch andere Unternehmen, mit denen wir seit Jahrzehnten hervorragend zusammenarbeiten, mit in die Auseinandersetzung gezogen werden, ist beschämend.“
Unter anderem weil Kolleginnen und Kollegen der IG Metall viel für die Beschäftigten besagter Unternehmen erreicht haben – in äußerst schwierigen Zeiten. Das Bild offenbare daher nicht nur Unkenntnis, es beschmutze auch den Einsatz vieler Beschäftigter und ehrenamtlich Aktiver aus der IG Metall.
„Denen ist wirklich nichts mehr heilig“
Doch damit nicht genug: Geobra Brandstätter hat gegen den IG Metall-Bevollmächtigten ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht Nürnberg angestoßen. Das Unternehmen behauptet, Gehring sei am 22. Dezember vergangenen Jahres dabei gesehen worden, wie er im Betrieb in Zirndorf Aushänge abfotografiert hätte beziehungsweise sich ohne Genehmigung auf dem Firmengelände aufgehalten hätte. Jedoch kann Gehring beweisen, dass er zum besagten Zeitpunkt nicht einmal in Zirndorf war.
„Denen ist wirklich nichts mehr heilig“, sagt der Gewerkschafter. Ziel der Unternehmensleitung ist es wahrscheinlich, Gehring den Zugang zum Betrieb künftig zu erschweren. Denn: Voraussichtlich im Mai wird ein neuer Betriebsrat gewählt. Wahrscheinlich möchte das Management den Ersten Bevollmächtigten der IG Metall da so gut es geht auf Abstand halten. Woher die Angst vor einer echten Interessenvertretung kommt, darüber kann nur spekuliert werden.
Einschlägige Anwaltskanzlei angeheuert
Jedenfalls muss die Angst groß sein. Das Unternehmen hat für seine Verfahren die einschlägige Kanzlei Wittig Ünalp angeheuert. Diese wirbt auf ihrer Homepage mit Seminaren wie „Die Top Ten der besten Kündigungsgründe“ und „Kündigung – wenn, dann richtig“. Darin soll Unternehmen gezeigt werden, wie man sich „Falschmachern“ und „Überflüssigen“ entledigt – möglichst ohne eine Abfindung zahlen zu müssen.
Auch der Bezirksleiter der IG Metall Bayern, Jürgen Wechsler, kritisiert die aktuelle Situation und die Attacken auf die Gewerkschaft: „Die Firma Brandstätter kann oder will scheinbar bislang nicht dafür sorgen, dass die Beschäftigten reibungslos und fair einen Betriebsrat wählen können. Stattdessen werden Störungen dieses verfassungsrechtlich geschützten Prozesses im Betrieb stillschweigend geduldet, schlimmstenfalls sogar gebilligt. Das ist bei keinem Unternehmen akzeptabel, für Deutschlands größten Spielwarenhersteller ist es besonders beschämend.“
Keine Auseinandersetzung als Selbstzweck
Die IG Metall Bayern prüfe derzeit, ob sie rechtlicher Schritte gegen die Störungen und Diffamierungen einleitet. Geobra Brandstätter bietet sie jedoch auch konstruktive Gespräche an, um den ewigen Konflikt zu beenden. Wechsler: „Wir lassen uns nicht ausbremsen, aber wir suchen auch keine Auseinandersetzung als Selbstzweck. Aus unserer Sicht ist allen Beteiligten und besonders den Beschäftigten am besten gedient, wenn wir schnellstmöglich eine vernünftige Lösung finden und eine ordnungsgemäße Interessenvertretung gewählt wird.“
Weitere Informationen auf der Seite der IG Metall Westmittelfranken unter „Neuigkeiten“.