25 Jahre Tatort Betrieb – Interview mit Monika Lersmacher
„Die Menschen wollen humane Arbeitsbedingungen“

Die Aktion „Tatort Betrieb“ der IG Metall Baden Württemberg nimmt Probleme beim Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Fokus und betreibt deren Beseitigung. Angefangen hat alles vor 25 Jahren. Wie sich die Aktion entwickelt hat und um was es aktuell geht, das erklärt Monika Lersmacher im Interview.

22. Juli 201422. 7. 2014


Vor 25 Jahren startete die IG Metall Baden-Württemberg die Aktion „ Tatort Betrieb“, um damit Missstände bei den Arbeitsbedingungen aufzugreifen und den Arbeitsschutz zu verbessern. Mit den gefährlichen Lösemitteln „Per“ und „Tri“ begann es in den Jahren 1988 und 1989. „Stress und psychische Belastungen“ war eine der erfolgreichsten Aktionen.

Aktuell steht Schichtarbeit im Brennpunkt – unter dem Titel „Arbeiten ohne Ende höchste Zeit für Gesundheit“. Seit 2005 ist Monika Lersmacher in der Stuttgarter IG Metall-Bezirksleitung für den Tatort Betrieb zuständig. In unserem Interview über Historie und Herausforderungen für die Aktion sagt sie: „Ein wesentlicher Grund für den Erfolg der Aktion ist damals wie heute die breite Beteiligung der Belegschaften.“

Wo liegen die Ursprünge der Aktion „Tatort Betrieb“?
Monika Lersmacher: Die Forderungen nach Verbesserungen bei Arbeitsschutz und Arbeitsbedingungen kamen und kommen bis heute aus den Betrieben. Die Beschäftigten waren damals Ende der Achtzigerjahre mit vielen gefährlichen Arbeitsstoffen konfrontiert und fürchteten, darin regelrecht zu ertrinken. Die IG Metall Baden-Württemberg hat diese Forderungen aufgegriffen und daraus einen neuen Politikansatz entwickelt: Arbeits- und Umweltschutz wurden miteinander verbunden. Die Lösemittel Per und Tri – Zielscheibe unserer ersten Aktion – sind ja nicht nur gefährlich für die Gesundheit, sondern auch für die Umwelt. Diese erste Aktion sorgte übrigens dafür, dass schon ein Jahr später in mehreren hundert Betrieben der Metallindustrie kein Per und Tri mehr verwendet wurde.

Wie haben sich der „Tatort Betrieb“ und der Arbeitsschutz im Lauf der 25 Jahre entwickelt?
Von Anfang an war geplant, den „Tatort Betrieb“ fortzusetzen. Dass daraus eine dauerhafte Erfolgsgeschichte wird, konnte; aber niemand absehen. Ein wesentlicher Grund für diesen Erfolg ist damals wie heute die breite Beteiligung der Belegschaften. Die Menschen wollen humane Arbeitsbedingungen, die es ihnen ermöglichen, gut zu arbeiten und gesund zu bleiben. Mit dem Druck der Beschäftigten konnten wir einiges erreichen, sei es der Ersatz von problematischen Kühlschmiermitteln oder Erleichterungen beim Heben und Tragen. Heute sehen wir uns vor einem sehr vielschichtigen Thema, der Entgrenzung von Arbeit. Ein Beispiel dazu ist die Schichtarbeit: Viele sagen, dass es ihnen besser geht mit Schichtplänen, die unter ergonomischen Aspekten aufgestellt sind. Das darf für die Menschen aber nicht mit finanziellen Nachteilen verbunden sein.

Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich verbessert...
Der Begriff des Arbeitsschutzes hat sich im Gesetz verändert. Die psychischen Belastungen wurden 2013 im Arbeitsschutzgesetz ergänzt. Das war mit Folge einer unserer erfolgreichsten Aktionen, mit der wir auch die Angestellten ansprechen konnten. Von Stress und Burnout sprach Ende der Neunziger noch keiner, nun ist das Thema in aller Munde. Seit 1996 ist die Vorschrift zur Gefährdungsbeurteilung Pflicht. Aber sie ist immer noch nicht verbreitet umgesetzt. Nach den aktuellsten Zahlen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin gibt es die klassische Gefährdungsbeurteilung nur bei 35 Prozent der befragten Betriebe. Eine ganzheitliche Beurteilung – also inklusive der psychischen Belastungen – haben nur 20 Prozent. Ohne Gefährdungsbeurteilung nützt das schönste Gesundheitsmanagement der Unternehmen nicht viel.

Wie beeinflussen die Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung die Aktion „Tatort Betrieb“?
Die Befragung zeigt ganz klar, dass die Beschäftigten sich bei aller Flexibilität Arbeitszeiten in einem planbaren Rahmen wünschen. Das hat nichts damit zu tun, dass die Menschen nicht gerne arbeiten. Sie wollen ihre Arbeit, ihr Leben und ihre Familie unter einen Hut bringen können. Unsere Kampagne „Arbeiten ohne Ende – höchste Zeit für Gesundheit“ bezieht genau diese Aspekte ein.

Die Herausforderungen für den künftigen Arbeits- und Gesundheitsschutz waren Themen auf der Arbeitsschutzkonferenz am 16. Juli unter dem Titel „Zukunft der Arbeit 2020“. Was wurde diskutiert?
Viele unserer Themen aus der Vergangenheit bleiben aktuell, zum Beispiel Lärm – jetzt in den Großraumbüros. Neue Werkstoffe werfen Fragen nach deren Risiken auf. Zunehmend breiten sich neue Arbeitsformen und weitere Leistungsverdichtungen aus – wie Lean Office, mobiles Arbeiten, die neuen Medien. Das alles erfordert die Antworten eines ganzheitlichen Arbeitsschutzes. Wir haben jetzt die Chance, von Anfang an präventiv bei der Einführung neuer Technologien mitzuwirken – und nicht nur hinterher zu reparieren. Arbeitsschutz ist kein Randthema, sondern eine Grundlage für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen. Das haben unsere Betriebsräte erkannt.
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