Beschäftigungssicherung in der Autoindustrie
IG Metall und Betriebsräte sichern Jobs bei Daimler, Bosch und ZF

Zigtausende Arbeitsplätze würden die Konzernchefs der Autoindustrie gerne streichen. Die IG Metall sorgt dafür, dass sie erhalten bleiben.

29. Juli 202029. 7. 2020


Die Corona-Krise trifft die Automobilindustrie besonders hart. Denn neben der Transformation hin zu einer klimaneutralen Mobilität muss sie jetzt zusätzlich die einbrechende Nachfrage bewältigen. Viele Konzernchefs wollen es sich nun leichtmachen, indem sie den Rotstift bei den Beschäftigten ansetzen und kräftig Arbeitsplätze streichen. Teilweise versuchen sie unter dem Deckmantel der Corona-Pandemie Personalkosten abzubauen und Produktionen zu verlagern, um ihre Marge zu verbessern. Das verhindert die IG Metall zusammen mit den Betriebsräten der Branche. Gemeinsam stehen sie für Beschäftigungssicherung ein.


IG Metall und Betriebsrat verhindern Kahlschlag bei Daimler

Ein verschärftes Sparprogramm kündigte Daimler-Firmenchef Ola Källenius bei der Präsentation der aktuellen Quartalszahlen vor knapp zwei Wochen an. Hatte er zuvor davon gesprochen bis 2022 1,4 Milliarden Euro Fixkosten sparen zu wollen, müssten es angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation noch stärkere Einschnitte sein, verlautbarte Källenius. Dabei schloss der Vorstandsvorsitzende auch betriebsbedingte Kündigungen nicht aus.

Aber nicht mit der IG Metall und dem Daimler Betriebsrat. Für sie ist „Sicherheit in schweren Zeiten“ die Maxime, mit der sie in die nun abgeschlossenen Verhandlungen gingen. Das Ergebnis: IG Metall und Betriebsrat haben durchgesetzt, dass die von der IG Metall und dem Betriebsrat erstrittene Zukunftssicherung weiterhin Bestand hat. Bis 2030 wird es so keine betriebsbedingten Kündigungen geben.

Möglich machen wird das auch ein Ergänzungstarifvertrag. Seine Eckpunkte besagen unter anderem, dass ab Oktober die Arbeitszeit für die Beschäf­tig­ten, die nicht in der Produk­ti­on tätig sind, also vor allem Mitar­bei­ter in der Verwal­tung, Forschung und Entwick­lung, für ein Jahr um 5,71 Prozent gesenkt wird sowie der T-Zug in freie Tage umgewandelt wird. Die einzelnen Punkte werden in den kommenden Wochen weiter ausgestaltet und in eine Gesamtbetriebsvereinbarung gegossen.

Sichere Arbeitsplätze durch Kurzarbeit und Arbeitszeitabsenkung bei Bosch

Bei Bosch hat der Gesamtbetriebsrat gemeinsam mit der IG Metall durchgesetzt, dass die Corona-Krise durch Kurzarbeit und Arbeitszeitabsenkung abgefedert wird. Die Beschäftigten sind vor Kündigungen geschützt.

In den Bereichen Entwicklung, Forschung, Vertrieb und Verwaltung haben Gesamtbetriebsrat und Unternehmen vereinbart, dass die Arbeitszeit um 8,57 bis 10 Prozent verringert wird, auf Basis des Tarifvertrags zur Beschäftigungssicherung (TV Besch) der IG Metall. Entsprechend sinkt auch das Einkommen, wobei Beschäftigte mit einer tariflichen Wochenarbeitszeit von höchstens 35 Stunden einen Teillohnausgleich in Form einer Aufstockung des Weihnachtsgelds erhalten. Die Gesamtbetriebsvereinbarung betrifft rund 35 000 Beschäftigte an neun Standorten in der Region Stuttgart.

In der Fertigung setzt Bosch bis Ende des Jahres auf Kurzarbeit, wobei das Unternehmen das Kurzarbeitergeld der Beschäftigten aufstockt, auf 80,5 bis 95,5 Prozent des normalen Nettos.

Für die Sicherung ihrer Arbeitsplätze haben die Bosch-Beschäftigten bundesweit Druck gemacht. Mitte Juli etwa bildeten rund 3000 Boschler eine „Solidaritätskette“ um das Stammwerk in Stuttgart-Feuerbach – mit Corona-Abstand. „Wir akzeptieren keine betriebsbedingten Kündigungen“, erklärt Frank Sell, Betriebsratsvorsitzender von Bosch in Feuerbach und Gesamtbetriebsratsvorsitzender des Mobility Bereichs. Er sieht in einer temporären Arbeitszeitabsenkung eine Alternative zum Personalabbau: "Eine Vier-Tage-Woche beispielsweise ermöglicht Arbeitnehmern eine bessere Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf. Gleichzeitig werden Personalkosten gesenkt. Für uns ist klar: Wir akzeptieren keine betriebsbedingten Kündigungen. Die Last der Transformation darf nicht einseitig auf den Schultern der Arbeitnehmer liegen."

In harten Verhandlungen gelang dem Gesamtbetriebsrat schließlich die Einigung.

Doch der Kampf um die rund 130 000 Arbeitsplätze bei Bosch in Deutschland geht weiter. Heute demonstrierten die Beschäftigten bei Bosch im badischen Bühl mit einem Sternmarsch gegen die Verlagerung von Teilen der Entwicklung und der Produktion nach Serbien.


Arbeitsplätze und Standorte bei ZF gesichert

Beim Autozulieferer-Konzern ZF sind die Arbeitsplätze der bundesweit rund 50 000 Beschäftigten trotz Corona weitgehend gesichert. Betriebsbedingte Kündigungen und Schließungen von Standorten sind bis Ende 2022 ausgeschlossen. Das hat die IG Metall gemeinsam mit den Betriebsräten in einem Tarifvertrag mit der Unternehmensleitung ausgehandelt.

Bei Auftragsmangel werden Arbeitszeiten abgesenkt, über Kurzarbeit und tarifliche Kurzarbeit. Die Entgeltverluste der Beschäftigten werden dabei abgefedert: ZF zahlt bundesweit Aufzahlungen aufs Kurzarbeitergeld – dieses Jahr sogar höhere, um das höhere staatliche Kurzarbeitergeld weiterzugeben. Bei der tariflichen Kurzarbeit gleicht ZF 20 Prozent des Entgeltverlusts aus. Dazu kommen verbesserte Regelungen zur Altersteilzeit mit Abfindungen, die Beschäftigten ein einen früheren Altersausstieg erleichtern.

Auszubildende und dual Studierende werden unbefristet im Unternehmen übernommen, sofern sie bereit sind, befristet an einem anderen Standort eingesetzt zu werden. Die Zahl der Ausbildungsplätze bleibt auf dem Niveau von 2019 erhalten.

 

Bundesweit gingen die Beschäftigten von ZF auf die Straße und demonstrierten für ihre Zukunft wie hier in Kassel-Calden. (Foto: IG Metall)

 

Beschäftigte gestalten Zukunft mit

Der Tarifvertrag sichert darüber hinaus auch Perspektiven für die Zukunft: An jedem Standort erstellen Betriebsrat und Geschäftsführung „Zielbilder“ für die Transformation, mit konkreten zukünftigen Produkten sowie den dafür nötigen Investitionen und Qualifizierungen, die Arbeit auch in Zukunft sichern.

Bei Konflikten entscheidet ein paritätischer Steuerkreis aus Betriebsrat und Arbeitgeberseite auf Konzernebene. Hier werden auch maßgebliche Lokalisierungsentscheidungen und konzernweite Restrukturierungsprojekte besprochen, um Zukunftsprodukte für die bestehenden Standorte gewinnen zu können.

Die Arbeitsplätze bei ZF sind somit weitgehend gesichert – jetzt und in Zukunft. Im Gegenzug verzichten die Beschäftigten im Jahr 2020 auf einen Teil ihres tariflichen Zusatzgelds, den sogenannten „Zusatzbetrag“ (ZUB oder T-ZUG B) von etwas unter 400 Euro im Jahr. Im nächsten Jahr wird das tarifliche Zusatzgeld dann wieder voll ausbezahlt.

Ursprünglich hatte die ZF-Unternehmensleitung Ende Mai verkündet, dass sie weltweit 12 000 bis 15 000 Arbeitsplätze abbauen will, die Hälfte davon in Deutschland. Doch die Beschäftigten machten mit Aktionen an allen ZF-Standorten Druck für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze, mit Demonstrationen, Menschenketten und Unterschriftensammlungen.

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