Bangladesch: Feuer in Textilfabrik
Gefahren für Leib und Leben

Neun Menschen kamen diese Woche beim Feuer einer maroden Textilfabrik in Bangladesch ums Leben. Die Spirale aus Hungerlöhnen, Dumpingpreisen und häufig tödlichen Arbeitsbedingungen in Asiens Textilfabriken muss ein Ende haben, fordert der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Detlef Wetzel.

10. Oktober 201310. 10. 2013


„Das Rennen um immer billigere Bekleidung, das auch bei Markenartiklern stattfindet, muss ein Ende haben“, erklärt Detlef Wetzel als Reaktion auf das jüngste Unglück in Bangladeschs Textilindustrie. „Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass Menschen mit ihrem Leben für die Profite internationaler Konzerne bezahlen. Die Spirale aus Hungerlöhnen, Dumpingpreisen, einem oft völlig unzureichenden Gesundheitsschutz und häufig tödlichen Arbeitsbedingungen muss umgehend beendet werden“, sagt der Zweite Vorsitzende der IG Metall.

In Bangladesch kommt es immer wieder zu tragischen Unfällen. Die Horrorbilder vom Einsturz des Rana-Plaza Gebäudes sind noch nicht vergessen. Über 3000 Menschen wurden im April dieses Jahres verschüttet, als eine baufällige Textilfabrik in Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs, kollabierte. Mehr als 1100 Menschen starben in den Trümmern. Angesichts der Katastrophe gelobten die Unternehmen und Behörden, die unzureichenden Sicherheitsstandards in der Branche zu beheben. Das ist nun ein halbes Jahr her. Diese Woche passierte es wieder: In der Färberei einer Fabrik in Dhaka brach Feuer aus. Es ergriff rasch zwei Stockwerke. Mindestens neun Menschen verloren ihr Leben, zahlreiche Arbeiterinnen wurden verletzt.


Überlebende berichten von einem früheren Brandunglück in einer Textilfabrik in Bangladesch.


Kampf um Mindestlohn

Die Textilbeschäftigten in Bangladesch müssen zu Hungerlöhnen arbeiten. Sie bekommen umgerechnet nur 28 Euro im Monat. Als Arbeiter im September einen Mindestlohn von 75 Euro forderten, kam es zu gewaltsamen Demonstrationen. Die Industrie weigert sich, die Löhne anzuheben. Eine nennenswerte Verbesserung der Sicherheitsstandards in den Fabriken blockieren sie ebenfalls.

Bangladesch lebt zu 80 Prozent vom Textilexport. Vier Millionen Menschen, 80 Prozent davon Frauen und Mädchen, arbeiten in etwa 5000 Fabriken – unter oft haarsträubenden Umständen. So werden beispielsweise die Notausgänge zugestellt oder versperrt, so dass die Beschäftigten bei Unglücken gefangen sind. Das sollte man sich vor Augen führen, wenn man als Verbraucher bei Wal-Mart, H&M oder Primark einkauft: Die Kleider sind in der Regel so billig, weil sie unter krassen Beschäftigungsverhältnissen bei Gefahren für Leib und Leben der Arbeiter hergestellt werden.


Deutsche Textilketten in der Pflicht

Die vor wenigen Wochen unterzeichnete Vereinbarung für besseren Arbeitsschutz von einer Reihe großer Textilhandelsunternehmen in Zusammenarbeit mit der internationalen Arbeitsorganisation ILO, IndustriAll Global Union und der Clean Clothes Campaign (CCC) muss jetzt dringend umgesetzt werden. Die Gewerkschaften hatten maßgeblichen Anteil daran, dass das Abkommen zustande kam. Die Vereinbarung umfasst unabhängige Sicherheitsinspektionen, verpflichtende Reparaturen und entsprechende Renovierungen. „Die neuerliche Tragödie zeigt, wie dringend die rasche Umsetzung des Abkommens ist“, erklärt der Generalsekretär des Industriegewerkschaftsverbandes IndustriAll Global, Jyrki Raina. Nach Schätzungen haben die Hälfte der Textilfabriken Bangladeschs ernsthafte Mängel, die dringend behoben werden müssen.

Detlef Wetzel, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, fordert angesichts der Tatenlosigkeit in Bangladesch die deutschen Bekleidungs- und Textilhandelsunternehmen auf, zu ihrer Verantwortung für die Arbeitsbedingungen in den asiatischen Betrieben zu stehen: „Die Bekleidungsindustrie in Bangladesch produziert hauptsächlich für den europäischen Markt. Verantwortlich sind deshalb nicht nur die dortigen Fabrikbesitzer. Auch deutsche Textilhandelsketten lassen dort billig auf brutalste Art und Weise produzieren, um ihre Gewinne zu maximieren.“ Auch die Bundesregierung sei hier in der Verantwortung, auf die Einhaltung internationaler Mindest-Arbeitsstandards zu drängen.


Verlagerung vermeiden

„Es darf hier aber nicht bei wohl formulierten Absichtserklärungen bleiben, sondern es müssen nun kontrollierte Taten folgen“, erklärt Detlef Wetzel. An der Verbesserung des Arbeitsschutzes in den Fabriken müssten sich die deutschen Unternehmen auch finanziell beteiligen. Außerdem müsse das Abkommen auf weitere Länder, wie Pakistan, Kambodscha und Sri Lanka übertragen werden. Die über Jahrzehnte praktizierte Politik der Bekleidungswirtschaft, auf eine soziale Entwicklung direkt mit einer Verlagerung der Produktion in andere Länder mit weniger Arbeitsschutz und noch niedrigeren Entgelten zu reagieren, müsse endlich ein Ende haben.

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