Gewerkschaften fordern eine andere Politik für Europa
Investieren statt kaputtsparen
Zu Beginn des heißen Wahlkampfes zur Europawahl gingen die Gewerkschaften mit ihrer Forderung nach einem sozialen Europa auf die Straße. Auch Metallerinnen und Metaller meldeten sich in Brüssel lautstark zu Wort, weil sie einen sozial gerechten Politikwechsel für Europa wollen.
Bunte Fahnen prägten am 4. April das Stadtbild von Brüssel. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter aus den Mitgliedsländern und deren Verbänden bewegten sich in einem langen Zug durch das EU-Viertel von Brüssel. 50 000 Menschen skandierten ihre Forderung nach einem sozialen Europa, das sich mehr um die Interessen der Beschäftigten kümmern soll. Vor allem der Protest gegen Sozialabbau, Jugendarbeitslosigkeit und die Folgen der Sparpolitik prägten die Botschaften auf Plakaten und Transparenten.
„Wir wollen nicht weniger Europa, sondern ein anderes Europa verwirklichen, eines, das sozial ist und die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aktiv und glaubwürdig einbezieht“, erklärte das für Europa zuständige IG Metall-Vorstandsmitglied Wolfgang Lemb in Brüssel. Er reihte sich mit weiteren IG Metall-Mitgliedern in den kilometerlangen Zug durch die EU-Hauptstadt. Anlass der eindrucksvollen Demonstration war die letzte Sitzung des Europäischen Parlaments vor der Europawahl am 25. Mai.
Unterschiede zwischen Arm und Reich
Mit zahlreichen Bussen waren deutsche Gewerkschaftsmitglieder nach Brüssel gekommen. Aus Kehl etwa waren Beschäftigte der Badischen Stahlwerke angereist. „Wir brauchen mehr Investitionen in Europa und ein entschlosseneres Vorgehen gegen die Jugendarbeitslosigkeit“, erklärte Ernst Kropp, der bei den Badischen Stahlwerken Vertrauensmann und Schwerbehindertenvertreter ist. Aus Bautzen war eine IG Metall-Seniorengruppe mit dabei. „Wir wollen, dass Europa nicht weiter abdriftet und die Unterschiede zwischen Arm und Reich noch größer werden“, erklärte der Metaller Bernhard Saß. „Ich hoffe, dass das neu zu wählende Europaparlament gegenüber der Komissison ein stärkeres Gewicht bekommt.“
Die Studentin Vera Seeck, die daheim für die IG Metall auf Hochschultour geht, beteiligte sich an der Demo in Brüssel, um zu verhindern, dass die Zukunft auf den Schultern der jungen Generation lastet. „Meine Generation darf nicht zum Sündenbock für eine verfehlte Krisenpolitik gemacht werden“, sagt die Studentin, die die schlechten Ausbildungsbedingungen kritisierte. Der Metaller Alfons Schmetz, der in Aachen den Seniorenarbeitskreis der Verwaltungsstelle leitet, fordert mehr Transparenz bei den Verhandlungen zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen EU und den USA.
Industriearbeitsplätze schaffen
„Wir wollen als IG Metall ein anderes Europa und uns als kritische Pro-Europäer in der Öffentlichkeit und den Betrieben präsentieren“, erklärte Wolfgang Lemb. Europa dürfe nicht den Rechtspopulisten und Europagegnern überlassen werden, die überall Zulauf bekommen. „Wir als IG Metall sagen ganz klar: Wählen gehen, damit unser Europa eine Zukunft bekommt.“ Der Industriegewerkschaftsbund IndustriAll Europe, der rund sieben Millionen Beschäftigte in Europa vertritt, beteiligte sich ebenfalls an der Demonstration und forderte mehr und bessere Arbeitsplätze in der europäischen Industrie. Ein entsprechendes Manifest zur Reindustrialisierung Europas und der Zukunftssicherung von Beschäftigung und Standorten hat IndustriAll Europe am 2. April in Madrid verabschiedet.
Die elementaren Eingriffe in die Tarifautonomie und in Arbeitnehmerrechte, die Lohn- und Sozialkürzungen und die neoliberale Sparpolitik haben die Finanzkrise nicht gelöst, sondern zu einer schwerwiegenden sozialen Krise gemacht, erklärte Annelie Buntenbach vom DGB auf der Kundgebung in Brüssel. Vor allem die unerträglich hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen Staaten Europas ist Ausdruck der verfehlten Krisenpolitik und eine schwere Hypothek für die Zukunft.
Europagegnern die rote Karte zeigen
Der DGB fordert stattdessen einen europaweiten Investitionsplan, der Gute Arbeit, soziale Sicherheit und Perspektiven schafft. Das Europäische Parlament muss in Zukunft ein noch stärkeres Korrektiv der Bürgerinnen und Bürger sein. Deshalb ist es entscheidend, die sozialen Kräfte zu stärken und den Gegnern Europas bei der Europawahl die rote Karte zu zeigen.
Am Rande der Veranstaltung kam es zum Einsatz von Wasserwerfern gegen einige steinewerfende Demonstranten. Die Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes, Bernadette Ségol, äußerte sich schockiert darüber, dass eine kleine Minderheit der Teilnehmer die Konfrontation mit der Polizei provoziert hatte. Ségol erklärte, die Gewaltbereitschaft einer kleinen Gruppe dürfe nicht von der wichtigen und friedlich vorgetragenen Botschaft der überwältigenden Mehrheit ablenken.
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