DGB-Index Gute Arbeit
Überstunden: Weniger ist mehr

Im vergangenen Jahr haben die Beschäftigten in Deutschland etwa 1,2 Milliarden Überstunden geleistet. Eine aktuelle Studie zeigt nun, inwiefern dies problematisch ist: Zum einen wird mehr als die Hälfte der Stunden nicht vergütet. Zum anderen verschärfen Überstunden gesundheitliche Risiken.

25. März 202525. 3. 2025


Es ist eine schräge Diskussion: Obwohl sich das Arbeitszeitvolumen auf einem Allzeithoch befindet, obwohl noch nie so viele Arbeitsstunden pro Jahr geleistet wurden, gibt es von Teilen der Politik und vielen Arbeitgebern derzeit die Forderung nach längeren Arbeitszeiten – auch in Form von Überstunden. Für die Beschäftigten ist das in mehrfacher Hinsicht problematisch.

Zum einen, das zeigt nun eine aktuelle Umfrage des DGB-Index Gute Arbeit, werden deutlich mehr als die Hälfte aller in Deutschland geleisteten Überstunden nicht vergütet. Unternehmen senken damit ihre Kosten – zu Lasten der Beschäftigten. Überstunden verschärfen darüber hinaus aber auch gesundheitliche Risiken. In vielen Bereichen ist die Arbeitsbelastung ohnehin schon sehr hoch. Überstunden verlängern die Belastungsdauer zusätzlich. Lange und vor allem überlange Arbeitszeiten sind jedoch, das ist seit langem wissenschaftlich klar belegt, mit gravierenden gesundheitlichen Risiken für die Beschäftigten verbunden.


Überstunden oftmals nicht vergütet

Das Phänomen, dass Überstunden oftmals nicht vergütet werden, ist nicht neu: Bereits seit Beginn der 2000er-Jahre gibt es mehr unbezahlte als bezahlte Überstunden. Insgesamt ist die Zahl der Überstunden zuletzt zwar eher gesunken. Sie ist aber immer noch beträchtlich. Die Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) weisen für das Jahr 2024 etwa 1,2 Milliarden Überstunden aus. Die Beschäftigten in Deutschland haben also im vergangenem Jahr Überstunden in einem Umfang geleistet, der mehr als 750.000 Vollzeitstellen entspricht. Mehr als die Hälfte dieser geleisteten Überstunden (53,6 Prozent) blieben dabei unbezahlt.

In der DGB-Studie geben nun 57 Prozent der Befragten an, dass sie keine Überstunden machen. 20 Prozent der Beschäftigten leisten durchschnittlich mehr als eine bis fünf Überstunden pro Woche. Für etwa ein Viertel (24 Prozent) gilt, dass sie im Mittel mehr als fünf Stunden pro Woche länger arbeiten als vertraglich vereinbart. Männer machen dabei häufiger Überstunden als Frauen. Das gilt vor allem für den Bereich von mehr als fünf Überstunden pro Woche, die von 27 Prozent der Männer und 20 Prozent der Frauen geleistet werden.


Im Homeoffice wird länger gearbeitet

Ein auffälliger Unterschied zeigt sich hinsichtlich des Anforderungsniveaus der ausgeübten Tätigkeit. Je höher die geforderten Qualifikationen, desto häufiger werden Überstunden geleistet. Während in Hilfs- und angelernten Tätigkeiten 66 Prozent der Befragten keine Überstunden machen, sinkt dieser Anteil mit jedem weiteren Anforderungsniveau auf 42 Prozent in den hochkomplexen Tätigkeiten, für die in der Regel ein Hochschulabschluss benötigt wird.

Einen erhellenden Blick wirft die DGB-Studie auf das Arbeiten im Homeoffice. Denn anders als womöglich angenommen wird, weist das Arbeiten in den heimischen vier Wänden einen deutlichen Zusammenhang mit der Verbreitung von Überstunden auf. So liegt in der Gruppe der Beschäftigten, die auch von zu Hause aus arbeiten, der Anteil mit durchschnittlich mehr als einer Überstunde bei 52 Prozent. Bei Beschäftigten, die gar nicht im Homeoffice arbeiten, sind es hingegen 31 Prozent. Besonders ausgeprägt ist der Anteil derjenigen Beschäftigten, die im Homeoffice mehr als fünf Überstunden pro Woche leisten; hier sind es 30 Prozent. Bei Beschäftigten, die nicht im Homeoffice arbeiten, beträgt dieser Anteil lediglich 18 Prozent.


Je größer der Zeitdruck, desto mehr Überstunden

Die DGB-Zahlen zeigen klar: Hohe Arbeitsbelastung beziehungsweise eine schlechte Arbeitsgestaltung hat einen direkten Zusammenhang mit geleisteten Überstunden. Das lässt sich auf mehreren Ebenen nachweisen. Je stärker etwa Arbeitsverdichtung und Zeitdruck ausgeprägt sind, desto häufiger werden viele Überstunden geleistet. Es steigt hier signifikant der Anteil derjenigen, die mehr als fünf Überstunden pro Woche leisten. Ohne Arbeitsverdichtung sind es 18 Prozent. Wenn die Arbeit in sehr hohem Maß verdichtet wurde, sind es 38 Prozent. Weiterhin gilt: Je größer der Zeitdruck ist, desto häufiger werden Überstunden geleistet. Fühlen sich Beschäftigte bei der Arbeit nicht gehetzt, geben 16 Prozent ein Überstundenvolumen von mehr als fünf Stunden pro Woche an. Wenn Arbeitshetze sehr häufig auftritt, sind es 37 Prozent.

Und schließlich: Steigt die Anzahl der Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit, nimmt auch der Umfang der geleisteten Überstunden zu. Das gleiche gilt für widersprüchliche Anforderungen bei der Arbeit. Hier gilt: Je stärker Beschäftigte von widersprüchlichen Arbeitsanforderungen betroffen sind, desto häufiger überschreiten sie ihre vertragliche Arbeitszeit um mehr als fünf Stunden pro Woche. Der Anteil steigt von 16 Prozent, wenn keine widersprüchlichen Anforderungen gestellt werden, auf 39 Prozent, wenn widersprüchliche Anforderungen sehr häufig vorliegen.


Je mehr Überstunden, desto höher die Belastung

Das alles bleibt nicht ohne spür- und messbare negative Auswirkungen für die Beschäftigten. Die DGB-Befragung zeigt klar auf: Je mehr Überstunden geleistet werden, desto höher sind die Belastungen: Die Zufriedenheit mit der Work-Life-Balance sinkt, die Zahl der gesundheitlichen Beschwerden nimmt hingegen zu.

Überlange Arbeitszeiten sind mit einer Vielzahl von gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden. Erschöpfung, Müdigkeit und Schlafstörungen treten ebenso vermehrt auf wie stressbedingte Erkrankungen, Herz-Kreislauf- und Stoffwechselkrankheiten. Darüber hinaus steigt bei überlangen Arbeitszeiten das Risiko von Fehlern und arbeitsbedingten Unfällen.

Die DGB-Zahlen zeigen: Rund 10 Prozent der Vollzeitbeschäftigten arbeitet mehr als 48 Stunden pro Woche. Dies bedeutet nicht weniger, als dass etwa jeder beziehungsweise jede zehnte Vollzeitbeschäftigte aufgrund von Überstunden massive gesundheitsgefährdende Arbeitszeiten aufweist.

Nicht nur an dieser Stelle besteht dringender Handlungsbedarf.

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