"Wir pfeifen auf die Klassengesellschaft!"

Bericht aus Geschäftsstelle Freudenstadt„Arbeiter, Auszubildende, Angestellte, außertariflich Angestellte – bei Homag ziehen wir für Tarif an einem Strang!“

1. April 20191. 4. 2019


Hallo Stefan, hallo Armin, zu Beginn würden wir Euch bitten, dass Ihr Euch mit einem Satz unseren Metallerinnen und Metallern vorstellt.

 

 

Armin: Hallo, mein Name ist Armin Auer. Ich bin seit über 16 Jahren Betriebsrat und nun seit etwas über 3 Jahren Betriebsratsvorsitzender.

Stefan: Ich heiße Stefan Bernhart, seit 1999 bei Homag Plattenaufteiltechnik (jetzt 20 Jahre). Ich bin Angestellter und arbeite im Bereich Vertrieb Umbau/ Modernisierung.

 

 

Ihr habt in kürzester Zeit bei der Homag Plattenaufteiltechnik in Holzbronn die Tarifbindung erreicht. Wie geht so was?

 

Armin: Eigentlich ist es ganz einfach, aber wie so oft in der Praxis doch ganz schön spannend. Es geht nur, wenn die Mannschaft zusammenhält. Der Betriebsrat muss vorausgehen und die Kolleginnen und Kollegen müssen für die Sache brennen. Um die Mannschaft zu entzünden, benötigt es klare, eindeutige Botschaften. Bei diesen Botschaften ist es aber sehr wichtig, dass sich alle damit identifizieren können, weil es jeden in seinem Arbeitsumfeld betrifft.

Stefan: Es ist für mich immer noch wie ein Wunder. Der Zusammenhalt der Kolleginnen und Kollegen, das gemeinsame Eintreten für den Tarif. Die vielen gemeinsamen Aktionen. Flyer und Süßes morgens vor 5 Uhr vor Schichtbeginn auf dem Hof verteilen. Das hat die Kollegen beeindruckt und noch viel mehr die Geschäftsleitung. Was waren aus Eurer Sicht die „Erfolgsfaktoren“?

Armin: Die Erfolgsfaktoren sind die Leute. Wenn die richtigen Personen zum richtigen Zeitpunkt zusammenfinden, dann kann Großes erreicht werden. Dieses Glück hatten wir. Der Betriebsrat und die IG Metall haben sich gefunden und das Projekt wurde angeschoben. Und wenn so ein Zug mal rollt, dann springen immer mehr mit auf.

Stefan: Hier hat vieles zum richtigen Zeitpunkt funktioniert, Mitglieder gewinnen und Aktionen mit Bedacht. Der Gegenseite einen Schritt voraus sein. Bis zum Tarifvertrag geschlossen bleiben, egal was der Arbeitgeber so anstellt (lächelt)!

 

 

Welches Ereignis bleibt Euch in Erinnerung, werdet Ihr nie vergessen?


Armin: Eigentlich waren es für mich drei prägende Ereignisse. Gestartet hat es mit einer Betriebsratsklausur zusammen mit der IG Metall-Bevollmächtigten Dorothee Diehm. Sie hat uns erklärt, wie Tarif geht und dann haben wir uns getraut. Das zweite Ereignis war die erste offene Mitgliederversammlung. Zu sehen, wie sich der Saal langsam füllt, da wird mir heute noch warm ums Herz. Und dann unser mega Ereignis, wo wir die Mannschaft auf den Hof gestellt haben. Auch hier bekomme ich heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke, wie sich die Tore geöffnet haben und die Kolleginnen und Kollegen trotz Eiseskälte auf den Hof zu uns geströmt sind. Davon erzählen wir immer wieder!

Stefan: Für mich bleibt diese letzte Aktion im Februar 2018 auch unvergessen. Ich erinnere mich daran, dass die Geschäftsleitung mit dem Handy zum Fenster rausgefilmt hat und wir haben mit den Fahnen zurück gewunken. Es war deutlich zu spüren, wir sind viele und wir halten zusammen. Die Firma war an diesem Tag wie leergefegt. Nach 50 Minuten in der Kälte, aber mit einer super Stimmung sind wir im Anschluss um 14 Uhr zur Infoveranstaltung der Geschäftsführung zurück in die Halle marschiert ― mit Fahnen, wie ein rotes Meer. Die Geschäftsführer waren so nervös, dass ihre Veranstaltung 15 Minuten verspätet begann.

 

Welchen Stellenwert hat die IG Metall in der Tarifauseinandersetzung eingenommen?

 

Armin: Na die Antwort ist einfach. Die IG Metall hat uns an die Hand genommen und uns zur Tarifbindung geführt. Die IG Metall Freudenstadt hat uns mit einem Elan und einem Einsatz unterstützt, da konnte niemand widerstehen. Noch nicht einmal unsere Geschäftsleitung!

Stefan: Wir sind froh, dass wir die ganze Zeit diese tolle Unterstützung hatten. Und ich habe gelernt: Die IG Metall ist nicht nur die Geschäftsstelle, wir hier in der Firma, die Beschäftigten, die IG Metall hat Gesichter ― wir sind IG Metall! Was sind nun Eure nächsten Schritte? Armin: Man denkt ja, jetzt haben wir Tarif, jetzt ist alles gut und wir können die Füße hochlegen. Leider falsch gedacht. Jetzt muss erst mal in alle Köpfe rein, was Tarif bedeutet. Die Umsetzung, ja regelrecht die Transformation der Firma von vogelfrei zu tarifgebunden, ist ein ganz schönes Stück Arbeit und kann der Belegschaft gar nicht schnell genug gehen. Stefan: Wir sind nun dabei ERA (Entgeltrahmenabkommen) einzuführen. Mitglieder der Tarifkommission sind jetzt IG Metall-Vertrauensleute ― Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. Wir versuchen, uns die notwendigen Strukturen zu geben, um den Tarifvertrag zu leben. Der Betriebsrat muss eine neue Arbeitsordnung verabschieden und, und, und … Wir bilden uns weiter, wir wollen zu Tarifexperten werden. Es gibt viel zu tun. Wir müssen auch stark bleiben und noch stärker werden, die nächste Tarifrunde um eine Stunde Arbeitszeitverkürzung wird kommen. Wir werden hier an unserem Standort weiterkämpfen müssen, um die Ergebnisse zu sichern und zu verbessern.

 

 

Gibt es irgendwas beim Blick in den Rückspiegel, was Ihr heute anders machen würdet?

 

Armin: Hm, also ich bin zufrieden und immer noch glücklich mit welcher Dynamik das Projekt „Tarif“ lief. Im Nachhinein wäre es wohl gut gewesen, etwas mehr zur Teambildung zu tun. Für viele hat das alles von außen betrachtet fast ein bisschen zu einfach gewirkt. Hier hilft es die Kollegen mehr mit an die Front zu nehmen, um das Miteinander zu stärken. Denn – der Tarifkampf hört nie auf!

Stefan: Da fällt mir gerade gar nichts ein. Vielleicht hätten wir noch früher Tarif einführen sollen, weil wir ja jetzt erst die vielen Vorteile genießen können. Da ging uns schon einiges in den letzten Jahren durch die Lappen. „Mehr Wert mit Tarif!“ Welchen Rat könnt Ihr Beschäftigten geben, die „ohne Tarif“ arbeiten.

Armin: Sucht den Kontakt zur IG Metall. Macht Euch einen klaren Schlachtplan und holt Euch Verbündete. Aber letztendlich seid Ihr selbst mit Euren Kollegen die treibende Kraft. Ihr müsst es wollen und dann machen!

Stefan: Seid selbstbewusst und mutig – T-Zug (acht zusätzliche freie Tage für Anspruchsberechtigte), Altersteilzeit, ERA, das sind alles super tarifliche Vorteile für die es sich lohnt zu kämpfen und dann zu genießen.

 

 

Zur Person

 

Armin Auer, Teamleiter Projektmanagement, AT Angestellter, seit über drei Jahren Betriebsratsvorsitzender

Stefan Bernhart, Berater Application Engineering und IG Metall-Vertrauensleutevorsitzender.

Die Fragen stellte Andreas Ziegler, IG Metall Freudenstadt.

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