„Wir gestalten Entscheidungen, die Beschäftigung sichern“

Was Mitbestimmung für die Beschäftigten bringt und wie Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Investitionen in Arbeitsplätze sichern: Darüber sprachen wir mit Ergun Lümali, IG Metall-Mitglied und Aufsichtsrat bei Daimler.

1. April 20201. 4. 2020
Interview: Dirk Erb


Ergun, was bewirkt Ihr konkret als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bei Daimler für die Beschäftigten?

Ergun Lümali: Wir geben als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat den Interessen der Beschäftigten eine Stimme und gestalten aktiv in ihrem Sinne mit. So haben wir beispielsweise durchgesetzt, dass mehrere Milliarden Euro in die Modernisierung der deutschen Standorte für die Weiterentwicklung der konventionellen Antriebe bis hin zu Elektrofahrzeugen investiert werden.


Ihr habt Milliarden an Investitionen in Elektroautos ­gesichert. Was genau kommt da neu an Eure Standorte?

Das beinhaltet unter anderem auch Investitionen in die Batteriefertigung und in den elektronischen Antriebsstrang. In meinem Werk in Sindelfingen stellen wir zum Beispiel gerade die Factory 56 fertig, die modernste und größte Montagehalle in Europa, voll digitalisiert und nachhaltig mit selbst erzeugter Energie. Zudem sind bei Daimler betriebsbedingte Kündigungen bis 2030 ausgeschlossen.

 

Ergun Lümali ist Betriebsratsvorsitzender am Mercedes- Benz-Standort Sindelfingen, stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender und Mitglied des Aufsichtsrats der Daimler AG und der Mercedes-Benz AG. (Foto: IG Metall)


Wie setzt Ihr solche Milliardeninvestitionen durch? Was bringt dabei Eure Mitbestimmung im Aufsichtsrat?

Wir nutzen unsere Mitbestimmungsrechte, um Vorstände zu hinterfragen – aber auch um mitzugestalten. Als die Unternehmensleitung die Neustrukturierung anging, war klar, dass sie das nur mit uns kann – nicht gegen uns.


Die Kapitalseite im Aufsichtsrat hat eine Stimme mehr. Warum werdet Ihr nicht einfach überstimmt?

Wir überzeugen mit guten Argumenten. Das geht jedoch nicht über den Aufsichtsrat allein. Um große Entscheidungen zu gestalten und um dich durchzusetzen, brauchst du eine durchgängige Arbeitnehmervertretung auf allen Ebenen des Unternehmens: vom Betriebsrat über den Wirtschaftsausschuss bis hin zum Aufsichtsrat – mit einer starken und kompetenten IG Metall im Rücken. Stark sind wir nur in der Gemeinschaft, im Kollektiv. Eine Spaltung der Arbeitnehmervertretung im Betrieb hingegen nutzt nur der wirklichen »Opposition« im Betrieb – dem Arbeitgeber. Es geht nur mit Solidarität.


Die IG Metall fordert ja auch mehr Mitbestimmung über Zukunftstarifverträge, in denen konkrete Investitionen festgeschrieben werden. Kann das wirklich Arbeitsplätze für die Zukunft sichern?

Mitbestimmte Unternehmen mit Arbeitnehmern im Aufsichtsrat sind erfolgreicher. Das hat letztens auch gerade wieder die Kanzlerin betont. Vor allem sind sie auch erfolgreicher im Sinn der Beschäftigten. Weil wir Entscheidungen mitgestalten, die Beschäftigung sichern. Allerdings wird unsere einzigartige deutsche Mitbestimmung aus meiner Sicht zu wenig wertgeschätzt. Viele Beschäftigte nehmen sie als selbstverständlich hin und erkennen weder den Sinn darin noch welch hohes Gut das ist. Wir müssen noch besser erklären – und es gemeinsam hinbekommen, dass wir noch mehr Mitbestimmung in den Unternehmen erreichen.


Ergun Lümali ist Betriebsratsvorsitzender am Mercedes-Benz-Standort Sindelfingen, stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender und Mitglied des Aufsichtsrats der Daimler AG und der Mercedes-Benz AG. Seit seiner Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker vor 41 Jahren ist er Mitglied der IG Metall.

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