Betriebsräte sind systemrelevant

Unter den schwierigen Bedingungen der Pandemie beweisen IG Metall-Betriebsräte täglich aufs Neue, dass die Beschäftigten sich auf sie verlassen können.

1. April 20211. 4. 2021
Martina Helmerich und Antonela Pelivan


(Foto: Heiko Meyer)


Regina Ries, 60, Betriebsratsvorsitzende, Wilvorst, Northeim

Regina Ries arbeitet in einem Traditionsunternehmen der deutschen Bekleidungsindustrie. Wilvorst in Northeim bei Göttingen stellt Anzüge, Smokings und Fräcke für festliche Anlässe her. Alles, was in Coronazeiten kaum nachgefragt wird, weil alle Veranstaltungen dieser Art nicht stattfinden können. Bis Juni ist die Kurzarbeit bei Wilvorst verlängert.  Zum großen Kummer der Betriebsratsvorsitzenden soll die Produktion geschlossen werden. Ries hat vor 35 Jahren dort den Beruf der Bekleidungsfertigerin erlernt. „Wir haben uns gegen den Abbau gewehrt ohne Ende, die Presse mobilisiert und gezeigt, dass sich die Beschäftigten nicht kampflos aus der Firma kanten lassen“, sagt sie. Manche sind schon 40 Jahre bei der Wilvorst beschäftigt, vor allem Frauen.

Sie verhandeln jetzt mit dem Arbeitgeber über Sozialplan und Interessenausgleich, Abfindungen und Transfergesellschaft. Von 250 Arbeitsplätzen wird wohl nur noch die Hälfte übrig bleiben. Die Unternehmenskrise hat die Beschäftigten noch mehr zusammengeschweißt. Regina Ries versucht, das Beste für die Kolleginnen und Kollegen herauszuholen. Die Allrounderin ist es gewohnt einzuspringen, wenn Not an der Frau ist. Auch im Ehrenamt als Arbeitsrichterin kümmert sie sich darum, dass Beschäftigte zu ihrem Recht kommen. „Ich kann nicht anders.“

 

(Foto: Matthias Funk)


Ljiljana Čuljak, 48, Betriebsratsvorsitzende, Mahle Behr, Stuttgart

Seit Juli 2020 treffen sich die Beschäftigten des Autozulieferers Mahle Behr in Stuttgart einmal in der Woche vor dem Tor und ziehen einmal ums Werk. ZukunftsMAHLEr heißt die Aktion, die immer dienstags stattfindet. Die Mahle-Konzernleitung will 2000 Arbeitsplätze in Deutschland abbauen. Und längst ist nicht mehr nur die Produktion betroffen: Auch in der Entwicklung sollen über 800 Stellen wegfallen, davon 380 am Entwicklungsstandort Stuttgart-Feuerbach. „Einen Betrieb mit innovativen und zukunftsfähigen Produkten so zu beschneiden, zeigt, dass die Geschäftsleitung nicht den Willen hat, den Standort zukunftsfähig aufzustellen“, kritisiert Ljiljana Čuljak, Betriebsratsvorsitzende von Mahle Behr in Feuerbach. Sie ist überzeugt, dass das Unternehmen die Pandemie nutzen will, Arbeitsplätze schlicht billig zu verlagern. „Wir fordern einen Zukunftsvertrag mit Investitionen in neue Produkte und einen weiteren Ausbau von Innovationen im Bereich Thermomanagement“, sagt Čuljak. Deshalb hat der Betriebsrat mit Beratern ein Alternativkonzept für den Standort erarbeitet.

Besonders wichtig ist der Betriebsrätin, die Belegschaft offen über die Konzepte zu informieren und keine Scheinbeteiligung vorzugaukeln. Das kommt gut an. Die Krise sei für die Arbeitnehmervertretung  auch eine Chance. „Die Kolleginnen und Kollegen stehen hinter uns, denn sie wissen, dass wir um jede Stelle kämpfen“, freut sich Čuljak.

 

(Foto: Frank Rumpenhorst)


Michael Iglhaut, 57, Betriebsratsvorsitzender, Continental, Frankfurt

Gelernt hat er bei Conti und dort hat der Hesse sein komplettes Berufsleben zugebracht. Bei der IG Metall hat er schon viele Stationen durchlaufen: Als Jugend- und Auszubildendenvertreter, Vertrauensmann, Betriebsrat, Betriebsratsvorsitzender und Aufsichtsratsmitglied hat er schon ziemlich viele Stürme miterlebt, die ihn als wind- und wettererprobten Bikerfan aber nicht wirklich beeindruckt, geschweige denn umgehauen hätten. Jetzt angesichts der Coronapandemie muss Iglhaut eine Schippe drauflegen. „Einen Warnstreik zu organisieren, ist einfach ‘ne andere Nummer, wenn zwei Drittel der Belegschaft im Homeoffice arbeiten“, sagt der Metaller.

 

(Foto: privat)


Florian Pröbster, 37, Betriebsrat, MAN Truck & Bus SE, Nürnberg

Erst Corona, dann die Ankündigung des Unternehmens, im In- und Ausland insgesamt 9500 Stellen streichen zu wollen. Auch der Standort Nürnberg ist mit 1300 Stellen betroffen. Inzwischen hat das Unternehmen mit der IG Metall einen Zukunftstarifvertrag geschlossen. „Gerade jetzt ist es wichtig, dass wir für die Belegschaft sichtbar bleiben“, sagt Florian Pröbster, Betriebsrat beim Nürnberger Motoren- und Lastwagenbauer. Dort, wo möglich, informiert der Betriebsrat nach wie vor in direkten Gesprächen. Wo das nicht geht, finden Onlinetermine statt. Die gute Arbeit des Betriebsrats zeigt sich auch in der Mitgliedschaft: Die Zahlen steigen. „Wir haben viele Krisen überwunden und tarifliche Erfolge errungen. Unsere Stärke war stets, dass wir zusammengehalten haben.“, sagt Pröbster.

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