„Da läuft was mächtig schief in unserer Gesellschaft!“

Mit einem Musikvideo wehrt sich die ContraContiCrew gegen die Streichpläne des Conti-Managements in Karben. Die fünf Metallerinnen und Metaller erzählen in ihrem Song von skrupellosen Arbeitgebern, Managementfehlern und skandieren: „Was machen wir, wir bleiben hier!“

1. April 20211. 4. 2021
Christoph Böckmann


Mit Eurem Musikvideo wehrt Ihr Euch gegen die Schließung des Conti-Werks in Karben. Im Song sagt Ihr: „Das Problem sind Dinge, wo das Management versagt hat“. Was werft Ihr dem Management vor?

Helmut*: Fast jedes Jahr bekommen wir einen Preis als Fabrik des Jahres. Die Arbeit der Belegschaft ist also top, die Qualität hervorragend. Für unternehmerische Entscheidungen ist dagegen das Management verantwortlich. Und da hat es versagt, weshalb wir jetzt in der Krise stecken.


Das musst Du jetzt erklären.

Helmut: Seit Jahren ist klar, wo der Trend im Automobilmarkt hingeht, doch das hat Continental weitestgehend ignoriert. Und jetzt wird die Coronakrise als Vorwand genommen, um einen längst geplanten Stellenabbau durchzuführen.


Du arbeitest bei Conti, hat es Dich überrascht, als das Management ankündigte, dass es das Werk schließen will?

Helmut: Wir haben zehn Jahre Ergänzungstarifvertrag hinter uns. 2019 lief der aus. Als da vom Arbeitgeber gesagt wurde, dass der nicht verlängert werden soll, war uns klar, dass was im Busch ist. Denn das Einzige, was die davon haben, den Ergänzungstarifvertrag auslaufen zu lassen, ist betriebsbedingt kündigen zu können.


Im September 2020 informierte das Management, dass es den kompletten Standort schließen wolle. Was würde es bedeuten, wenn knapp 1100 Beschäftigte gleichzeitig in der Stadt Karben den Job verlieren?

Nikolai*: In der Region gibt es nur eine Handvoll Industriebetriebe. Die meisten davon stecken gerade in der Krise, fahren Kurzarbeit oder entlassen Leute, da werden nicht über 1000 Beschäftigte neue Jobs finden. Außerdem sind die Betriebe nicht in der Tarifbindung. Selbst wenn also ein paar Beschäftigte bei diesen Betrieben einen neuen Job finden sollten, verschlechtern sie sich.


Im Video tragt Ihr Masken aus dem Film „The Purge“ und auch in Eurem Song heißt es „Zustände wie bei ,The Purge‘“. In dem Film ist eine Nacht lang alles erlaubt — was dann zu einem Gemetzel führt. Fühlt sich das Vorgehen des Conti-Managements für die Beschäftigten an, als wären sie in einem krassen Horrorfilm gelandet?

Elmar*: Ja, ein Sparprogramm, wie es sich Continental vorstellt – nicht nur in Karben, sondern an allen Standorten –, bedeutet die Verbannung aller moralischen Werte aus der Arbeitswelt. Und dann behauptete der Vorstand noch, dass der Abbau sozialverträglich ablaufen solle und kam mit Abfindungsangeboten, die eine reine Frechheit waren.

Ariane*: Und es ist nicht nur bei Conti so. Auch bei Schaeffler, Mahle und vielen anderen Betrieben versuchen die Konzernchefs, die Coronakrise zum Stellenabbau zu nutzen. Da läuft was mächtig schief in unserer Gesellschaft. Für uns Metallerinnen und Metaller ist klar: Dagegen müssen wir uns wehren.


Ihr habt Euch für einen kreativen Protest entschieden. Wie kamt Ihr auf die Idee, ein Musikvideo zu machen?

Wolfgang*: Wir kennen uns alle aus dem Frankfurter Ortsjugendausschuss der IG Metall. Ein Teil von uns arbeitet bei Conti in Karben, die anderen wollten einfach die Kolleginnen und Kollegen unterstützen. Dazu muss man sagen, auch wenn man in dem Video meist nur drei Personen sieht, besteht unsere Crew aus fünf Leuten.


Ich stell mir das nicht leicht vor, ein Musikvideo zu produzieren? Wie lief das ab? 

Ariane: Wir hatten Wut im Bauch, da schrieb sich der Song wie von selbst. Auch sonst haben wir uns sehr gut ergänzt: Text, Musik, Drehortsuche, Konzept, Kameraführung, Schnitt, Kostüme: Jeder und jede von uns konnte etwas davon.


Bei Conti in Babenhausen war die Situation ähnlich. Auch hier wollte das Management rücksichtslos streichen. Die IG Metall, der Betriebsrat und die Beschäftigten wehrten sich und konnten einen Teil der Produktion retten und einen Sozialtarifvertrag durchsetzen. Wie kam das bei Euch an?

Wolfgang: Das machte uns in Karben Mut. Der Sozialtarifvertrag aus Babenhausen setzt einen neuen Maßstab. Denn er bietet deutlich höhere Leistungen, als das Management am Anfang rausrücken wollte. Aber für uns war vor allem wichtig, dass die IG Metall dort die Produktion retten konnte. Denn wir fertigen viele Teile in Karben, die dann zur Weiterverarbeitung nach Babenhausen gehen.


*Die Namen der Crew-Mitglieder haben wir geändert.

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