Bosch Hildesheim in der Transformation

Vom Starterbau zum autonomen Fahren Kaum ein Konzern hat den Wandel von der reinen Fertigungsfabrik zum hochspezialisierten Technologiestandort so krass vollzogen wie die Robert Bosch GmbH im Hildesheimer Wald.

1. Dezember 20181. 12. 2018


Der Metallbauer Tayfun Ozsöz, 55, hat schon einiges erlebt. 1983 begann er bei Bosch in Hildesheimin der Anlassermontage ― und wechselte seitdem im Werk zehnmal den Arbeitsplatz. Dabei hat er sich so breit qualifiziert, dass er jetzt im hochtechnisierten Musterbau mit 102 weiteren Beschäftigten Achsensysteme zusammenbauen kann.

 

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35 Jahre bei Bosch in Hildesheim: Der Metallbauer Tayfun Ozsöz, 55, steuert jetzt die Fertigung ganzer Bauteile im Musterbau. (Foto: Jelca Kollatsch)

 

„Ich lerne gerne“, sagt Ozsöz und freut sich: „Ich muss nicht mehr den Takt der Linie halten, sondern kann ganze Bauteile fertigen.“ Auch Josef Palm, 55, ist 30 Jahre bei Bosch und hat 20 Jahre Starter montiert. Er musste ebenfalls umlernen und ist unsicher, was die Zukunft bringen wird. Aber er will sich nicht zum alten Eisen zählen lassen: „Wenn man sich anstrengt, geht alles.“ Außerdem ist er froh, nicht mehr im Schichtbetrieb und vor allem nicht in der Nachtschicht arbeiten zu müssen. Auch Maschinenbediener Bernhard Matula, 57, war 30 Jahre in der Starterfertigung. Jetzt hantiert er in der Instandhaltung ohne Probleme mit dem neuen Tablet: „Ich kann mit der neuen Technik selbstständiger und flexibler arbeiten.“

 

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Josef Palm, 55: Dazulernen ist wichtig, aber es gibt keine Nachtschicht mehr. (Foto: Jelca Kollatsch)

 

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Bernhard Matula, 57: Keine Probleme mit dem neuen Tablet (Fotos: Jelca Kollatsch)

 

„Der Musterbau ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch ältere Beschäftigte im Transformationsprozess eine Chance haben“, sagt Stefan Störmer, 49, der Betriebsratsvorsitzende der Robert Bosch GmbH im Hildesheimer Wald.

 

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Stefan Störmer, Thorsten Bertram (Fotos: Jelca Kollatsch)

 

Denn der Standort, der 1937 als reine Fertigungsstätte für Starter gegründet wurde und in den 70er Jahren zusammen mit Blaupunkt rund 15 000 Beschäftigte zählte, hat sich zum High-Tech-Zentrum gewandelt und bietet heute mit allen Auslagerungen und Startups noch rund 3 500 Jobs. Stefan Störmer: „2007 haben wir einen Ergänzungstarifvertrag abgeschlossen. Seitdem konnten wir betriebsbedingte Kündigungen verhindern.“ Während früher Starter, Generatoren und Radios in Schichtsystemen gefertigt und montiert wurden, beliefert Bosch heute die Autoindustrie mit intelligenten Fahrsystemen. Parallel wurde ein Technologie-Standort aufgebaut, der die Autowelt teilweise revolutioniert hat.

Als 2008 Blaupunkt verkauft wurde, wechselte ein Teil der Belegschaft in die neue Bosch-Tochter „Car Multimedia“, die sich auf die Integration von Entertainment, Navigation, Telematik und Fahrassistenzsysteme konzentriert und heute rund 1 500 Beschäftigte zählt. 2011 gründeten Bosch und Daimler mit der „EMmotive GmbH“ eine neue Firma für Elektromotoren mit jetzt 248 Beschäftigten.

Als 2015 der Starterbereich ausgelagert und 2018 an den chinesischen Industriekonzern ZMJ verkauft wurde, handelten Betriebsrat und IG Metall zwei Jahre lang für die 630 Beschäftigten ein lebenslanges Rückkehrrecht zu Bosch und den Erhalt aller Tarifansprüche einschließlich der Betriebsrente aus ― geholfen haben Protestaktionen und Demos vor dem Tor.

Heute gehören noch 720 Beschäftigte zum Betreuungsbereich der Betriebsräte der Robert Bosch GmbH. „Als Leitwerk für E-Maschinen spielen wir weiter eine wichtige Rolle im Konzern“, sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Thorsten Bertram, 49. „Jetzt geht es darum, die Beschäftigten zu qualifizieren, damit sie die Transformation zur digitalen Arbeitswelt mitgehen können.“

Und das ist nicht einfach. Allein im Musterbau wird es nach Anlauf der Serienfertigung einen kräftigen Personalüberhang geben. Sorgenkinder sind vor allem Beschäftigte in den Entgeltgruppen 2 und 3. Störmer: „Wir wollen die Zeit mit Qualifizierung überbrücken und für Ältere einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Berufsleben ermöglichen.“

 

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Frank Eggert, 48 (Mitte): Der Teamleiter macht nebenbei seinen Techniker. (Fotos: Jelca Kollatsch)

 

Besser haben es die höher Qualifizierten. So absolviert Einzelgerätemonteur Frank Eggert, 48, der als Teamleiter die Prozesse im Musterbau koordiniert, jetzt berufsbegleitendmit 18 Stunden pro Woche ein Studium zum Techniker. „Es ist eine Herausforderung nach 31 Jahren bei Bosch, aber es bringt wieder neuen Schwung in den Arbeitsalltag.“

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