Siemens GBR und Standort Tübingen: digitale Wende angetrieben

Der Betriebsrat von Siemens in Tübingen hat durch Qualifizierungsmaßnahmen und technische Neuerungen die digitale Wende im Betrieb entscheidend vorangetrieben.

1. Juli 20191. 7. 2019
Jan Chaberny


An diese Antwort kann sich Ismayil Arslan erinnern, als hätte er sie erst gestern Mittag bekommen. „Was sollen wir denn digitalisieren? Wir bauen ja nur Getriebemotoren.“ Das waren die Sätze, die der Betriebsratsvorsitzende von Siemens in Tübingen im Frühjahr 2017 von seinem Arbeitgeber zu hören bekam – und die ihn einigermaßen fassungslos machten.

„Wir befanden uns seit Jahren in einer wirtschaftlich angespannten Situation, und diese Situation war vor allem auf mangelnde Optimierung, Automatisierung und Digitalisierung zurückzuführen“, sagt Ismayil Arslan. „Die Warnungen von uns als Betriebsrat, dass man eine zukunftsorientierte Umstrukturierung anstreben muss, damit wir nicht in absehbarer Zeit unsere Wettbewerbsfähigkeit verlieren und die Existenz des Standortes gefährden, die wurden lange Zeit ignoriert.“

Als der Arbeitgeber dann Anfang 2017 ankündigt, die gesamte Montage und deren anliegende Bereiche nach Tschechien zu verlegen, ist Arslan und seinem Team sogleich klar, dass sie die Umwandlung des Getriebe-Werkes in ein digitales Vorzeigewerk selbst anschieben müssen. Das gelingt ihnen, unterstützt durch das Projekt „Arbeit und Innovation“ der IG Metall, auf beeindruckende Weise.

So konnten in Tübingen eine Reihe von digitalen Anwendungen eingesetzt und die Arbeitsplätze so umgebaut werden, dass ein effizienteres, häufig auch interessantes Arbeiten möglich wird. In der Montage etwa wurden die Arbeitsplätze so modernisiert, dass die Aufträge sehr viel schneller bearbeitet werden können. Dazu werden die Transportwege von fahrerlosen Transportsystemen (FTS) übernommen.

In der Fertigung zeigt jetzt ein Bildschirm in der Halle in Echtzeit, wie die Einlastung und Verfügbarkeit der einzelnen Maschinen ist. Im Service-Bereich wurde Google Glass eingesetzt. Dadurch ist es möglich, Kolleginnen und Kollegen auf der
ganzen Welt Daten und Anweisungen zu geben, wie Sie einen Getriebemotor reparieren, eine Fehlersuche durchführen, Teile austauschen können. Und in den Büros wurdne durch den Einsatz von Algorithmen monotone, immer wiederkehrende Prozesse abgeschafft ― die Kolleginnen und Kollegen haben nun freie Kapazitäten für höherwertige Arbeit.

„Uns war es wichtig, die Kolleginnen und Kollegen frühzeitig, bei allen Schritten miteinzubeziehen“, sagt Ismayil Arslan. „Digitalisierung kann nur dann gelingen, wenn die Beschäftigten mitgenommen werden und ihre Erfahrungen, ihr ganzes Know-how einbringen können.“


Qualifizierung gefördert

Digitalisierung ist dabei aber mehr als das Einführen von Technik. Es verändert Arbeitsplätze und Tätigkeitsprofile grundlegend. „Hier kommt unser Gesamtbetriebsrat ins Spiel“, sagt Ismayil Arslan. Zusammen mit der IG Metall hat der Gesamtbetriebsrat mit der Siemens AG den sogenannten Zukunftsfonds verhandelt. Ein Werkzeug, dass es Betriebsräten ermöglicht, mit ihren Betriebsleitungen ganzheitliche, nachhaltige Qualifizierungskonzepte zu entwickeln, um die Belegschaft durch den Strukturwandel mitzunehmen ― und dafür auch Finanzmittel zu beantragen. Die Beantragung und Vergabe dieser Mittel erfolgt dabei paritätisch.

„Das ist ein wichtiges, zusätzliches Instrument, mit dem die Siemens- Beschäftigten für den digitalen Wandel qualifiziert werden können“, sagt Tobias Bäumler vom Siemens-Gesamtbetriebsrat. Das Werk Tübingen nutzt den Zukunftsfonds, um so seine Transformation zum Digitalisierungs-Vorzeigewerk zu komplettieren ― einem Vorzeigewerk, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht.

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