Schwieriger Neustart für die Flugzeugbauer

Die Corona-Pandemie hat den Flugverkehr praktisch lahmgelegt. Die Branche befindet sich in ihrer größten Krise. Es gibt aber auch Hoffnung. Airbus etwa hat nach wie vor volle Auftragsbücher. Und klar ist: Die Entwicklung alternativer Antriebe muss vorangetrieben werden.

1. Juli 20201. 7. 2020
Jan Chaberny


Die Sommerferien stehen vor der Tür, aber in Ferienfluglaune ist Christoph Seelmann nicht. Der 32-Jährige wird nicht in den Süden düsen, obwohl er es jetzt ja könnte: Seit Mitte Juni ist die Reisewarnung für die meisten europäischen Länder aufgehoben. Die Fluggesellschaften weiten ihr Angebot aus. Die Hotels am Mittelmeer öffnen. Und in die Terminals, die zur Hochzeit der Coronakrise grell ausgeleuchtete, menschenleere Hallen waren, in denen Fußbodenwischfahrzeuge putzwasserfeuchte Kreise zogen, kehren nun die Reisenden zurück.

Christoph Seelmann aber wird nicht in den Urlaub fliegen. Er fährt nach Brandenburg. „Das ist schöner. Und ich weiß ja auch gar nicht, wie das alles weitergeht“, sagt Seelmann, gelernter Fluggerätmechaniker, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender von Airbus am Standort Bremen. Keiner weiß genau, wie es weitergeht.

Was man weiß: Die Luftfahrtbranche befindet sich inmitten ihrer größten Krise. Die Coronapandemie hat den Flugverkehr lahmgelegt: Flugzeuge flogen nicht, sondern die Piloten parkten sie auf riesigen Arealen. Die großen Flugzeugbauer Airbus und Boeing drosselten ihre Produktion drastisch. Und kämpfen seither, ebenso wie viele Zulieferer, gegen die Folgen der Krise.

 Bereits Ende April hatte der US-Flugzeughersteller Boeing angekündigt, in den kommenden Monaten Tausende Stellen abbauen zu wollen. Insgesamt plant der Konzern die Beschäftigtenzahl von weltweit 160 000 Menschen um 10 Prozent zu reduzieren. Der britische Triebwerkhersteller Rolls-Royce will rund 9000 Arbeitsplätze streichen. Betroffen sein könnten auch die beiden deutschen Standorte Oberursel und Dahlewitz. Wie Airbus auf die Krise reagiert, darüber herrschte zu Redaktionsschluss noch keine Klarheit.


Arbeit für acht Jahre in den Auftragsbüchern

Bestellungen und Abrufe bleiben aus. Fluggesellschaften holen Maschinen nicht ab. Fakt ist aber auch: Trotz der Krise gibt es kaum Stornierungen. Airbus hat rund 7500 offene Bestellungen und damit Arbeit für acht Jahre in den Auftragsbüchern. Der Weltluftfahrtverband (IATA) geht weiterhin davon aus, dass der Luftverkehr auch in den kommenden Jahrzehnten wachsen wird. Anfang Juni hat Frankreich ein milliardenschweres Hilfspaket geschnürt. „Ein wichtiges Signal, denn ohne staatliche Unterstützung wird es nicht gehen“, sagt Frank Bergmann, Branchenbeauftragter Luft- und Raumfahrt der IG Metall. „Nur müssen solche Hilfen nachhaltig eingesetzt werden – zur Bewältigung des ökologischen Wandels in der Luftfahrt und gebunden an Jobgarantien.“ Zum Höhepunkt der Krise hatten einige Unternehmen, darunter Airbus, angekündigt, massiv Arbeitsplätze abzubauen, und auch betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen. Betriebsräte und IG Metall werden sich gegen alle Pläne, Personal abzubauen, zur Wehr setzen. „Wir verlangen vom Management, die Krise nicht für einen personellen Kahlschlag zu nutzen, sondern Kurzarbeit und andere Maßnahmen zur Überbrückung einzusetzen. Es darf keine betriebsbedingten Kündigungen geben und auch zu keinen Schließungen von Betrieben und Betriebsteilen kommen“, sagt Holger Junge, der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats von Airbus.

Jürgen Kerner, Hauptkassierer der IG Metall und als geschäftsführendes Vorstandsmitglied zuständig für die Luftfahrtbranche, betont: „Wir erwarten, dass Airbus alles unternimmt, um die Zukunftsfähigkeit der Airbus-Standorte und der Zulieferindustrie zu sichern. Der Schutz der Arbeitsplätze muss oberste Priorität haben. Nur mit den Beschäftigten kann es nach der Krise eine erfolgreiche Zukunft geben. Das gilt für Airbus, das gilt aber auch für die Zulieferer in Deutschland.“

Dass die Zukunft der Luftfahrt anders aussehen wird, als sie vor der Pandemie ausgesehen hat, ist dabei offenkundig: Zu grundlegend haben sich bereits vor Corona die gesellschaftlichen Anforderungen ans Fliegen gewandelt. Zu heftig ist der Druck vor allem junger Menschen, auch beim Fliegen die ökologische Wende zu vollziehen.

Auch der politische Druck ist enorm. Die Europäische Union hat ambitionierte Ziele formuliert: Bis 2050 sollen die CO2-Emissionen des Flugverkehrs im Vergleich zum Jahr 2000 um 75 Prozent reduziert werden. Um das zu erreichen, sind Innovationen in Forschung und Entwicklung notwendig. Allen in der Branche ist das bewusst.

Der Triebwerksbauer MTU Aero Engines in München etwa investiert Jahr für Jahr Millionen in die Erforschung neuer Antriebe. Die Entwicklung in diesem Bereich ist rasant: „Der Treibstoffverbrauch und Kohlenstoffdioxidausstoß unseres neuen Getriebes für den Airbus A320neo sind im Vergleich zur Vorgängergeneration um 16 Prozent verringert; der Lärmteppich ist um 75 Prozent verkleinert“, sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Tom Stocker.


Ökologisches Fliegen mit alternativen Antrieben

Wichtig sei, den Einsatz von Wasserstoff ebenso wie die Entwicklung von biologischen und synthetischen Treibstoffen voranzubringen. Denn es werde Jahrzehnte dauern, bis emissionsfreies, elektrisches Fliegen flächendeckend möglich ist. Airbus-Chef Guillaume Faury hatte in diese Richtung angekündigt, ab dem nächsten Jahrzehnt elektrische Antriebe einführen zu wollen. Das freilich war vor der Krise.

„Wir müssen an diesem Ziel festhalten“, sagt Christoph Seelmann. „Wir brauchen alternative Antriebe, eine Perspektive.“ Rund 2700 Menschen arbeiten bei Airbus in Bremen, etwa 1000 von ihnen in der Fertigung; die Kolleginnen und Kollegen stellen hauptsächlich Landeklappen für verschiedene Airbusmodelle her und rüsten Tragwerke mit elektrischen und hydraulischen Komponenten aus. Ihre Lage ist so unsicher wie die der anderen Standorte.

Vom 9. bis zum 27. April war der komplette Standort zu 100 Prozent in Kurzarbeit, erzählt Christoph Seelmann, bis Mitte Mai die Fertigung. Auch in den Bürobereichen wurde Kurzarbeit eingeführt. „Seither fahren wir die Produktion hoch“. Wann wieder mit voller Produktion zu rechnen ist, kann der 32-Jährige nicht sagen. In Bremen stellen sie sich darauf ein, dass Kurzarbeit wohl weiterhin notwendig sein wird.

Sie stellen sich auch darauf ein, für ihre Arbeitsplätze zu kämpfen. „Wir sind hoch motiviert“, sagt Christoph Seelmann. „Wir wollen unsere Zukunft gestalten.“ In einem ist er sich sicher: „Die Menschen werden auch in Zukunft fliegen wollen. Und in der Frage des ökoeffizienten Fliegens kommt an Bremen keiner vorbei.“

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