Weichen jetzt richtig stellen

Viele Betriebe der Bahnindustrie suchen Fachkräfte. Gezielte Personalentwicklung und systematischer Wissenstransfer werden elementar – das zeigt das Beispiel Windhoff aus Rheine.

1. Mai 20191. 5. 2019


Die Geschichte geht Karl-Heinz Beckers nicht aus dem Kopf. Ein Kollege hat sie erzählt. Wie Beckers ist er Betriebsrat in einem mittelständischen Betrieb der Bahnindustrie. „Der Kollege berichtete, seine Geschäftsführung gehe nun auf ehemalige Mitarbeiter zu und frage, ob sie sich vorstellen könnten, aus der Rente zurückzukehren, ihr Wissen werde gebraucht. Der Älteste, der angesprochen wurde, war 77.“

Karl-Heinz Beckers ist 56, ein freundlicher Mann mit festem Händedruck. Vor mehr als vierzig Jahren hat er beim Bahn- und Anlagentechniker Windhoff in Rheine angefangen, seit 30 Jahren ist er Betriebsrat, seit 2006 Betriebsratsvorsitzender. Er kennt den Betrieb sehr gut, er kennt die Branche sehr gut. Er sagt: „Wir müssen dringend den Fachkräftemangel angehen. Sonst geraten wir bald unter Druck.“


Demografischer Wandel als Bedrohung

Die Umbrüche, die der demografische Wandel mit sich bringt, kommen ja nicht aus heiterem Himmel. Sie lassen sich präzise im Voraus berechnen ― und sie sind heute bereits zu spüren. 270 Menschen arbeiten derzeit beim Bahnausrüster Windhoff, die Beschäftigten bauen Schienenfahrzeuge, entwickeln neue Rangiertechnik, verkaufen Hebebühnen, Radlastwaagen, Drehscheiben. Sie merken, dass es schwerer wird, junge Leute zu gewinnen. „Unsere Ausbildungsquote ist seit vielen Jahren zweistellig“, sagt Karl-Heinz Beckers, „bislang konnten wir unseren Bedarf immer decken. Aber das muss nicht so bleiben.“

Denn zum demografischen Wandel, also der Tatsache, dass es mehr ältere Kollegen gibt als junge Einsteiger, kommt bei Windhoff, wie bei vielen weiteren Betrieben der Branche, ein Zweites hinzu ― und das ist eine gute Nachricht: Die meisten Auftragsbücher sind voll, die Aussichten vielerorts blendend, in den kommenden Jahren wird viel Geld in Bahn und Schiene investiert werden. „Das Unternehmen hat eine Vertriebsoffensive gestartet, wir wollen uns noch stärker globalisieren“, sagt Karl-Heinz Beckers. Das sei eine gute Sache. Doch das Engagement müsse verbunden sein mit gezielter Personalentwicklung, mit nachhaltiger Beschäftigtenqualifizierung, mit langfristiger Fachkräftesicherung.


Langfristige Planung

„Wir wissen als Betriebsrat, wer wann aus welchem Bereich rausgeht“, sagt Beckers. „Wir versuchen, frühzeitig gegenzusteuern.“ Natürlich sei die Gewinnung junger Fachkräfte elementar, sei die Vermittlung und Sicherung von spezifischem Fachwissen wichtig. Aber das ist nicht alles. Was zählt, sei auch das Erfahrungswissen der vielen älteren Kollegen. „Wir müssen einen systematischen Wissenstransfer hinbekommen“, sagt Beckers. „Ich will nicht, dass einer mit 77 Jahren nochmals zurück in den Betrieb muss.“

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