„Ihr könnt Euch auf die IG Metall verlassen“

Bericht aus Bezirk Baden-Württemberg Die Coronakrise ist eine Herausforderung für alle. Worauf es jetzt im Bezirk vor allem ankommt, erklärt Bezirksleiter Roman Zitzelsberger im Interview.

1. Mai 20201. 5. 2020


Wie geht gute Gewerkschaftsarbeit in Zeiten von Corona?

Roman Zitzelsberger: Wir alle sind von der Dynamik der Entwicklung überrascht worden. Inzwischen ist es uns aber gelungen, unsere Handlungsfähigkeit auch in diesen schwierigen Zeiten unter Beweis zu stellen. Das heißt: Alle Geschäftsstellen sind gut zu erreichen, per Telefon, per Videokonferenzen, aber nach Rücksprache auch persönlich vor Ort. Wer eine fundierte Beratung oder sonstige Unterstützung braucht, der bekommt sie. Das ist unser Anspruch an uns und unser Versprechen an die Mitglieder. Unsere Mitglieder sollen wissen: Ihr könnt Euch auf uns verlassen!

Welche Themen sind Dir besonders wichtig?

Zitzelsberger: Einkommen und Beschäftigung zu sichern, und das geht mit Kurzarbeitergeld! Mit den baden-württembergischen Regelungen zur Aufstockung von Kurzarbeitergeld in fast allen unseren Branchen sowie neuen Möglichkeiten zum mobilen Arbeiten verfügen wir im Bezirk bereits über zwei wichtige Instrumente, um adäquat reagieren zu können. Da aber nicht jeder mobil arbeiten kann, ist es umso wichtiger, dass die Arbeitgeber keinen Aufwand scheuen, um die Ansteckungsgefahr am Arbeitsplatz zu bannen. Es muss gelten: Gesundheit geht immer vor. In diesem Sinne sind die Betriebsräte auch massiv unterwegs.

Wie eng ist Dein Kontakt zur Politik?

Zitzelsberger: Noch enger als sonst. Ich habe regelmäßig Telefonkonferenzen mit den wichtigen Ministerien und Behörden in Baden-Württemberg. Bei Bedarf mehrmals täglich.

Funktioniert Deiner Meinung nach gute Politik in Zeiten von Corona?

Zitzelsberger: Bei Kritik im Detail hat die Politik die notwendigen und unvermeidbaren Schritte getan. Wer Zweifel daran hatte, dass reife Demokratien schnell und durchgreifend handeln können, ist jetzt eines Besseren belehrt. Tatsache ist aber auch: Erst durch unsere klaren Anforderungen wurden viele Themen auf die Agenda gesetzt, wenn auch nicht alle verwirklicht.

Welche Punkte gefallen Dir gar nicht?

Zitzelsberger: Beim Kurzarbeitergeld muss nachgebessert werden. Zumindest der Arbeitnehmeranteil der seitens der Arbeitgeber eingesparten Sozialabgaben muss an die Bezieher von Kurzarbeitergeld weitergereicht werden. Und Kurzarbeitergeld muss für alle aufgestockt werden. In den meisten IG Metall-Branchen in Baden-Württemberg haben wir hierfür gute tarifliche Lösungen geschaffen. An dieser Stelle werden wir die Politik nicht aus der Pflicht lassen.

Ist diese Krise geeignet, um Europa näher zusammenzuführen?

Zitzelsberger: Der Punkt liegt mir sehr am Herzen. Wir sollten – auch aus wohlverstandenem Eigeninteresse als starke Exportnation – zumindest beim wirtschaftlichen Wiederaufbau innerhalb der EU die Kräfte bündeln. Auch wenn Deutschland damit beispielsweise aufgrund höherer Zinsen stärker in die Pflicht genommen würde.

Wie muss es jetzt weitergehen?

Zitzelsberger: Zuallererst muss mit Blick auf den Wieder-Hochlauf der Produktionen die Gesundheit im Mittelpunkt stehen. Mit Blick auf Arbeit und Einkommen, künftige gesellschaftliche und gewerkschaftliche Handlungsfähigkeit sowie die Einschränkungen von Grundrechten müssen wir die Zeit nutzen, um eine Strategie für den Übergang vom „Ausnahmezustand“ in eine neue Normalität zu entwerfen. Ich glaube, es muss allen klar sein: Wir legen nicht den Schalter einfach um und alles ist so wie vorher!

Was können wir aus der Krise lernen?

Zitzelsberger: Eine gute öffentliche Daseinsvorsorge ist im wahrsten Sinne des Wortes überlebenswichtig. Alle Gewerkschaften haben bereits vor Corona für Investitionen in gute Infrastruktur, Digitalisierung und einen leistungsstarken Sozialstaat gestritten. Und auch unsere Forderung, dass hohe Einkommen und Vermögen stärker zur Finanzierung eines krisenfesten Allgemeinwesens heranzuziehen sind, erhält Rückenwind. Wie leicht anfällig die internationalen Lieferketten sind, wurde uns gerade vor Augen geführt. Das wirft zumindest Fragen auf. Beispielsweise bei der Versorgung mit Medikamenten und Medizinprodukten scheint der Aufbau eigener Herstellungskapazitäten strategisch geboten. Und auch kostengetriebene Verlagerungen, die zu immer komplexeren Lieferketten führen, müssen noch stärker hinterfragt werden.

Was ist für Dich persönlich relevant?

Zitzelsberger: Drei Dinge: Uns allen – auch mir – ist deutlich geworden, wie wichtig Freunde und Familie gerade in Krisenzeiten sind! Ich denke zweitens, dass jede und jeder Einzelne vieles hinterfragen wird, was vor Corona als selbstverständlich galt. Und drittens habe ich für uns alle die Hoffnung, dass wir den Wert von demokratisch legitimierter Sachpolitik und lösungsorientiertem Streit wieder mehr schätzen. Und den politischen Kräften, die allein mit inszenierter Aufregung auf Stimmenfang gehen, eine deutliche Absage erteilen.
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Der Redaktionsschluss dieser Ausgabe war bereits vor Ostern. Einige Fakten ändern sich während der Coronakrise rasant schnell.

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Foto: Martin Storz/Graffiti
Stark gefordert in der Krise: Der Shutdown in vielen Betrieben fordert auch die IG Metall. Jetzt liegen die Prioritäten von Bezirksleiter Roman Zitzelsberger auf einem sicheren und gesunden Wieder-Hochfahren der Produktionen.
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