Auf Warteplatz 400

Vanessa Giders Elternzeit neigt sich dem Ende zu. Die Metallerin will wieder arbeiten. Einen Kitaplatz für ihre Tochter hat sie allerdings nicht. Wie ihr geht es vielen. Die IG Metall macht Druck auf die Politik, damit sich das ändert.

1. November 20191. 11. 2019
Jens Knüttel


Es ist zum Verzweifeln. Vanessa Gider will Ende des Jahres wieder an ihren Arbeitsplatz als technische Produktdesignerin zurück. Einen Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte für Tochter Estelle, die im Dezember 2018 zur Welt kam, haben sie und ihr Mann allerdings bisher nicht.

Egal ob telefonische Anfrage oder persönliche Vorstellung, egal ob am Wohnort Mülheim, am Arbeitsort Essen oder irgendwo dazwischen ― das Ergebnis war immer dasselbe: Absage. „Die monatelange Suche ist zeitraubend, stressig und ernüchternd. Denn die Chancen sind meist sehr schlecht“, sagt Vanessa Gider. „Ich habe am Telefon zum Beispiel einmal zu hören bekommen, dass wir auf Warteplatz 400 stehen.“ Wie ihr geht es vielen. In Nordrhein-Westfalen fehlen Zehntausende Kinderbetreuungsplätze. Im gesamten Bundesgebiet sind es laut aktueller Studie über 320 000. Obwohl es seit 2013 für Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahrs bis zur Vollendung des dritten Lebensjahrs einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz gibt.


 

„Zeitraubende, stressige und ernüchternde Suche“: Metallerin Vanessa Gider hat für Tochter Estelle noch keinen Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte. (Foto: Thomas Range)

 

Die Kommunen sind gesetzlich verpflichtet, einen Platz bereitzustellen. Der Mangel an Fachkräften verschärft die Situation zusätzlich. Immer mehr Eltern leiten rechtliche Schritte ein, wenn ihrem Kind ein Kitaplatz verwehrt bleibt. Manchmal führt bereits die schriftliche Androhung einer Klage zu einem Platzangebot. Entstehen Eltern Kosten, weil ihnen ― zum beantragten Zeitraum ― kein Platz zur Verfügung gestellt wurde, können sogenannte Sekundäransprüche geltend gemacht werden. Das ist möglich, wenn ihnen Einkommen entgeht, weil sie wegen fehlender Betreuung weniger oder gar nicht arbeiten können. Wenn sich Eltern einen Platz in einer privaten Einrichtung gesucht haben, deren Kosten die Kommune normalerweise nicht voll übernimmt, können sie die entstandenen Kosten stellvertretend für ihr Kind einklagen.


Jobchancen beeinträchtigt

Die IG Metall hat sich für den Rechtsanspruch starkgemacht und unterstützt Mitglieder durch eine Elternmappe mit Musteranträgen und eine Checkliste mit Musterformulierungen dabei, ihren Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz wahrzunehmen und durchzusetzen. Ein fehlendes oder unflexibles Angebot an Betreuungsmöglichkeiten beeinträchtigt die Jobchancen von Eltern massiv. Die IG Metall macht Druck auf die Politik, dass mehr Fachkräfte gewonnen werden, und setzt sich dafür ein, dass Vergabesysteme für Betreuungsplätze in den Kommunen vereinheitlicht werden. Das Gute-Kita-Gesetz der Bundesregierung soll einen Beitrag dazu leisten, die Missstände zu beseitigen.

Betriebsrätinnen und Betriebsräte der IG Metall kennen die Probleme und haben in vielen Unternehmen Erleichterungen für Eltern durchgesetzt. Dazu zählen eigene betriebliche Betreuungseinrichtungen, Belegplätze in anderen Einrichtungen oder auch Ferienangebote für Kinder.

Vanessa Gider und ihr Mann haben nach langer Suche eine Übergangslösung gefunden: Tochter Estelle kommt ab Dezember zu einer Tagesmutter. Die Eltern hoffen, dass sie ab August 2020 in eine Kita wechseln kann. Für Vanessa Gider ist klar: „Es braucht dringend mehr Betreuungsplätze.“
 


Was Eltern beim Antrag auf einen Betreuungsplatz beachten sollten, erfahrt Ihr unter: igmetall.de/eltern

Dort sind weitere Infomaterialien bereitgestellt.

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