Sparen raubt uns die Zukunft

Drei Antworten von Wolfgang Lemb, geschäftsführendem Vorstandsmitglied der IG Metall, zu den Investitionsvorhaben der Bundesregierung.

27. Juni 201827. 6. 2018


Die Bundesregierung will von diesem Jahr an mehr Geld für Investitionen locker machen. Wird jetzt alles besser?

Wolfgang Lemb: Ich befürchte nein. Im Staatshaushalt sind zwar drei Milliarden Euro mehr als 2017 vorgesehen, aber das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn die Defizite, die sich inzwischen aufgetürmt haben, sind erheblich höher als die Investitionszusagen – die zudem alle unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Das heißt, es gibt sie nur, wenn sie die schwarze Null nicht gefährden. Doch allein in den Städten und Gemeinden hat sich ein Investitionsstau von 126 Milliarden Euro gebildet. Wenn wir ein Land haben wollen, in dem wir jetzt und in Zukunft gut leben und arbeiten können, müssen die Prioritäten anders gesetzt werden.


Wohin muss das Geld denn vor allem fließen?

In die Förderung bezahlbarer Wohnungen, die Sanierung maroder öffentlicher Gebäude, in „abgehängte“ Stadtteile und Dörfer, in bessere Bildung, also in Kitas, Schulen und Berufsschulen, in Straßen, Busse und Bahnen, in den Ausbau von erneuerbarer Energie, von Stromnetzen und Ladestationen für Elektrofahrzeuge sowie in moderne Breitbandnetze.


Das wird aber teuer.

Die Regierung will überall – in Städten und auf dem Land – gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen. So steht es im Koalitionsvertrag. Nur: Das gibt es nicht zum Nulltarif. Aber es ist ja auch ausreichend Geld da. Der Staat kann sich zurzeit zu Nullzinsen Geld leihen. Im Übrigen: Die Kosten sind heute so hoch, weil in der Vergangenheit an allen Ecken und Enden gespart wurde. Wenn wir heute unsere Schulen, Wohnungen, Wohnumgebungen und Verkehrsnetze nicht instand halten, um Kosten zu sparen, fallen die Sanierungs- oder Abriss- und Neubaukosten in Zukunft noch erheblich höher aus. Wenn wir nicht in soziale Gerechtigkeit investieren, gefährden wir das friedliche Zusammenleben. Wenn wir nicht in Bildung investieren, bringen wir die jungen Generationen um ihre Zukunft. Wenn wir jetzt nicht die nötigen Investitionen für die Digitalisierung und umweltfreundliche Technologien aufbringen, rauben wir der Wirtschaft ihre Zukunftschancen im globalen Wettbewerb – und damit vielen Menschen ihre Arbeit. 

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