So wird die Demokratie lebendig

Bericht aus Bezirk Niedersachen und Sachsen-AnhaltSeit 1994 existiert in Salzgitter die einzige KZ-Gedenkstätte auf dem Gelände eines Industrieunternehmens in Deutschland. Jedes Jahr halten Auszubildende der Hütte die Erinnerung an das Unrecht der NS-Diktatur wach. Auch anderswo engagiert sich die IG Metall Jugend für die Demokratie.

1. September 20181. 9. 2018


Es ist jetzt 74 Jahre her: Am 11. April 1945 wurde Salzgitter von den Alliierten befreit. Seit 1985 wird jedes Jahr mit einer Gedenkstunde daran erinnert. Seit 2010 gestalten Auszubildende der Salzgitter Flachstahl den Schwerpunkt: Sie entwickeln Ideen für eine Rede, ein Gedicht oder Anschauungsmaterial während einer in die Ausbildung eingebetteten Bildungswoche.

Die Gedenkstunde ist im ehemaligen KZ Drütte, direkt unter der Hochstraße der Hütte, die damals Hermann-Göring-Werke hieß und 1937 gegründet worden war. 3 000 KZ-Häftlinge mussten hier seit 1942 Zwangsarbeit leisten und pro Monat bis zu 500 000 Granatköpfe zusammenbauen, bewacht von 150 KZ-Aufsehern. Viele starben, gequält und misshandelt. Tage vor dem 11. April 1945 wurden mehr als 3 500 nach Bergen-Belsen abtransportiert.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges geriet das KZ Drütte in Vergessenheit. Erst 1982, wach geworden durch das unkritische 40-jährige Stadtjubiläum Salzgitters („Liebeserklärung an Salzgitter“ lautete die Schlagzeile der Salzgitter-Zeitung) und das eben erschienene Buch „Zwangsarbeit im Stahlkonzern“ von Gerd Wysocki, organisierten Betriebsrat, Vertrauensleute und Jugendvertretung der Stahlwerke am 11. April 1985 die erste Gedenkfeier.

Am 11. April 1994 gelang es endlich, gegen den jahrelangen Widerstand des Konzerns, die Gedenkstätte zu eröffnen. Der damalige Betriebsratsvorsitzende Walter Gruber war eine der treibenden Kräfte: Es gäbe in Deutschland nur wenige Orte, an denen „die enge Verflechtung von Großindustrie, Konzentrationslager und Zwangsarbeit“ so sichtbar werde wie in Drütte.

1994 übernahm die Historikerin Elke Zacharias vom Arbeitskreis Stadtgeschichte, der 1983 von Metallern als Träger der Gedenkstätte mitgegründet worden war, die Leitung der Stätte. Und seit 2010 stellen die Auszubildenden auf Initiative des Betriebsratsvorsitzenden Hasan Cakir jedes Jahr am 11. April ihr neues Projekt vor. „Die Erinnerungsarbeit der Auszubildenden ist ganz entscheidend und bildet den Mittelpunkt der Gedenkstunde“, sagt Jörg Dreyer, Referent des Betriebsrats. „Rund 120 Azubis haben bisher als Multiplikatoren der Erinnerung teilgenommen.“

Sie erarbeiteten 2010 die Biografien ehemaliger Häftlinge, entwarfen 2013 ein vier Meter hohes Denkmal aus bunten Metallwinkeln, begleiteten 2015 die Besuche von Überlebenden, rekonstruierten den „Drütte-Prozess“ von 1947 über die Täter, präsentierten Broschüren und Ausstellungstafeln und entdeckten weitere Spuren der Häftlinge.

Nicht nur in Salzgitter, auch anderswo engagiert sich die IG Metall-Jugend in der Gedenkarbeit: In Hannover wird zum Antikriegstag am Maschsee den kurz vor Kriegsende von der Gestapo erschossenen sowjetischen Kriegsgefangenen gedacht. Auszubildende von VW in Wolfsburg fahren alljährlich nach Ausschwitz. Auch aktuell relevante Aktionen werden von den Ortsjugendausschüssen organisiert. So werden Geschichte und Politik hautnah erlebt.

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