Jahresrückblick
Tschüss 2022! Das war das Jahr der IG Metall

Ein herausforderndes Jahr geht zu Ende. Zeit für einen Blick zurück: Was wir erreicht haben – und welche Baustellen uns auch 2023 erhalten bleiben.

16. Dezember 202216. 12. 2022


Diese Themen haben uns 2022 besonders beschäftigt:


Tarifrunden 2022: mehr Geld und Einmalzahlungen

Erst Textil und Bekleidung Ost, dann Eisen und Stahl und zuletzt Metall und Elektro sowie Volkswagen – das waren die großen Tarifrunden 2022. Geprägt war dieses Tarif-Jahr vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und den wirtschaftlichen Folgen. Mit der steigenden Inflation war schon im Frühjahr klar: Die Beschäftigten brauchen mehr Geld, mehr als alles andere.

Für die über 12 000 Beschäftigten der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie gab es dann die geforderte Kombination: eine zweistufige Entgelterhöhung in Höhe von 5,6 Prozent und eine Erhöhung der Jahressonderzahlung um 15 Prozent. Das war Anfang Mai. Im Juni hat dann die Eisen- und Stahlindustrie nachgelegt: 6,5 Prozent mehr Geld und eine 500-Euro-Einmalzahlung.

Am 3. September hat die Bundesregierung ein drittes Entlastungspaket verabschiedet. Darin enthalten ist die Möglichkeit, dass Arbeitgeber 3000 Euro steuer- und abgabenfrei als Inflationsausgleichsprämie an ihre Beschäftigten auszahlen können, aber nicht müssen. In der Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie im Herbst konnten nicht nur die 3000 Euro in zwei Schritten mitgenommen werden, sondern auch dauerhafte Erhöhungen der Tariftabellen um 5,2 und 3,3 Prozent.

Dieses Ergebnis hat die IG Metall Ende November dann auch in den Haustarifvertrag-Verhandlungen bei VW durchgesetzt, plus einige Extras wie die Verlängerung der Altersteilzeit und mehr freie Tage für alle.


Betriebsratswahlen 2022: Team IG Metall gewinnt

Die IG Metall trat unter dem Motto „Team IG Metall“ zu den Betriebsratswahlen an und holte nach vorläufigen Ergebnissen noch etwas mehr Mandate als bei der letzten Wahl 2018 (71 Prozent von rund 50 000 Mandaten). Darunter waren viele neue Betriebsräte: 38 Prozent der Betriebsratsmitglieder wurden 2022 erstmals gewählt. Zulegen konnte die IG Metall besonders in den kleineren Betrieben, bei den kaufmännischen Beschäftigten und bei den Ingenieuren, bei jüngeren Beschäftigten und Frauen. Zentrales Motiv für die „Neuen“ war oft, dass sie nicht länger die Entscheidungen der Geschäftsführung hinnehmen wollen, sondern ihre Zukunft mitbestimmen und mitgestalten wollen.

Berichte und Zahlen zu den Betriebsratswahlen gibt es hier. Das Endergebnis kommt im Januar.


Urteil: Arbeitszeit muss erfasst werden

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im September den Arbeitnehmerschutz gestärkt. Die obersten Arbeitsrichter stellten klarm, dass der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, die Arbeitszeit zu erfassen. Sie müssen Lage, Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden erfassen. So heißt es im Beschluss des BAG. Die bloße Bereitstellung eines Zeiterfassungssystems reicht nicht aus.

So soll sichergestellt werden, dass Regelungen über die Höchstarbeitszeit und die Ruhezeiten – die den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bezwecken – eingehalten werden.


Urteil: Urlaub verjährt nicht automatisch

Im September hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) Beschäftigten den Rücken gestärkt – beim Thema Verjährung von Urlaubsansprüchen. Nach den Vorgaben des EuGH verfällt Urlaub nur noch dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf den drohenden Verfall aufmerksam gemacht hat.


Inflation und Energiekrise: Preise werden gebremst

Die steigenden Energiepreise waren 2022 eine der größten Belastungen für viele Beschäftigte. Die Inflation an der Wurzel packen, das heißt vor allem: Eine Bremse für die Strom- und Gaspreise einführen.

Schon im April hat die IG Metall dafür in Berlin Druck gemacht – mit über 10 000 Betriebsräten und Vertrauensleuten aus 4000 Betrieben. Über den Sommer beteiligten sich rund 200 000 Menschen an unserer Unterschriftenkampagne „Krisengewinne abschöpfen – Kosten deckeln!“ Die Kampagne war erfolgreich: Die Kostenbremsen sind beschlossen und kommen zu Jahresbeginn 2023. Dazu kommen weitere Entlastungen: niedrigere Einkommensteuer, höheres Kindergeld, volle steuerliche Absetzbarkeit von Rentenbeiträgen und einiges mehr.

Zusammen mit den Tarifabschlüssen in der Metall- und Elektroindustrie und weiteren IG Metall-Branchen bedeuten diese Entlastungen ein deutliches Plus in der Haushaltskasse von Millionen Beschäftigten.


Bürgergeld ersetzt Hartz IV

Arbeitssuchende, Geringverdiener und viele Alleinerziehende: Sie erhalten ab Januar 2023 statt Hartz IV das neue Bürgergeld. Die Ampel-Koalition hat das Bürgergeld als große Reform der Grundsicherung geplant. Nach zähem Ringen mit den Unionsparteien musste sie allerdings einige wichtige Regelungen verschärfen – bei den möglichen Sanktionen und beim sogenannten Schonvermögen. Die Abkehr von Hartz IV fällt deshalb weniger deutlich aus, als ursprünglich geplant. Einige Dinge verbessern sich grundlegend. Andere bleiben eine Baustelle.


Rente: Eine Dauerbaustelle

Kein Jahr ohne Debatten über ein (noch) höheres Rentenalter. Auch 2022 wärmten Wirtschaftsvertreter dieses Thema mehrmals auf. Dabei geht die Debatte komplett an der Lebensrealität und den Bedürfnissen der Beschäftigten vorbei. Schon heute ist die reguläre Regelaltersgrenze für viele Beschäftigte kaum erreichbar – wie eine Umfrage der IG Metall im September erneut bestätigte. Für körperlich belastende Berufe gilt das besonders.

Statt ein immer höheres Rentenalter zu fordern sollten Arbeitgeber ihre Hausaufgaben machen und die Arbeitsbedingungen für Ältere verbessern. Dann können Beschäftigte, die das wollen, tatsächlich länger im Beruf bleiben.


Grüne Stahlproduktion in den Startlöchern

Die Stahlproduktion ist für 30 Prozent der industriellen CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Damit ist sie einer der größten Hebel Richtung Klimaneutralität, denn wird sie klimaneutral, dann ist schon eine Menge geschafft. Nach ordentlich Druck der IG Metall haben Betriebe und Politik 2022 den Hebel angepackt. Um aus Roheisen grünen Stahl herzustellen braucht es Wasserstoff und sogenannte Direktreduktionsanlagen. Diese ersetzen Hochöfen und Kokskohle. Eine große Investition, die jetzt an einigen Orten angegangen wird.

In Duisburg bei Thyssenkrupp Steel werden zwei Milliarden Euro in die Hand genommen, um eine Direktreduktionsanlage zu bauen und 2026 an den Start zu bringen. Bei der Salzgitter AG soll ab 2025 eine Direktreduktionsanlage jährlich 1,9 Millionen Tonnen grünen Stahl erzeugen. In der saarländischen Stahlindustrie sollen 3,5 Milliarden Euro investiert werden und auch bei ArcelorMittal in Bremen, Eisenhüttenstadt und Hamburg gibt es konkrete Vorhaben. Möglich macht das finanzielle Unterstützung vom Staat, für die die IG Metall seit Jahren kämpft.

Der Anfang ist also gemacht. Nur muss es jetzt weitergehen. In Deutschland stehen 13 Hochöfen – alle davon müssen durch Direktreduktionsanlagen ersetzt werden. Denn wandert die Grundstoffindustrie ab, wird es langfristig auch die Hightech-Industrie tun. Dies gilt es also zu verhindern.


Wir gestalten die Transformation in den Regionen

„Die Transformation der Automobil- und Zuliefererindustrie findet nicht in makroökonomischen Statistiken statt, sondern in den Regionen, bei den Betrieben, bei den Beschäftigten“, sagt Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall. Für Hofmann ist daher klar: „Es braucht ganz konkrete Projekte vor Ort.“ Das ist nun auch Aufgabe der bislang 26 bewilligten Transformationsnetzwerke, die dieses Jahr an den Start gingen. Sie sollen mit den relevanten Akteuren Strategien für die Transformation in der Automobilindustrie sowie relevanter anverwandter Industriebereiche, wie beispielsweise den automobilnahen Maschinenbau, entwickeln und umsetzen. Die regionalen Transformationsnetzwerke sind eine Idee der IG Metall, die sie bei der Politik durchsetzen konnte. Die Netzwerke sollen vor allem kleinen und mittleren Unternehmen bei der Transformation unter die Arme greifen.


Mehr Schutz bei psychischen Belastungen

Die IG Metall hat sich 2022 erfolgreich für die Aktualisierung der „Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen“ eingesetzt. Damit liegen jetzt endlich durchsetzbare Beurteilungsmaßstäbe vor, die Betriebsräte bei der Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen unterstützen. Erstmals wurden außerdem konkrete Gestaltungsziele zum Schutz vor Gefährdung durch psychische Belastungen ins Zentrum der Empfehlung gerückt.

Mit der Aktualisierung gibt es nun eine Übersicht zu Arbeitsbedingungen, bei denen von einer Gefährdung der Gesundheit für die Beschäftigten durch psychische Belastungen auszugehen ist. Hierzu zählen die Arbeitsintensität, die sozialen Beziehungen, etwa und insbesondere zu Vorgesetzten oder aber die Gestaltung der Arbeitsumgebung, zum Beispiel die Lärmbelastung. Für betriebliche Arbeitsschutzakteure steht damit nun eine verbesserte Handlungshilfe zur Orientierung in der Praxis zur Verfügung.


Fortschritte bei der Arbeitsmedizin

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat neue „Empfehlungen für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen“ veröffentlicht. Für diese grundlegende Änderung hat sich die IG Metall vehement eingesetzt. Damit sind die alten „Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen“ – oft kurz G-Sätze genannt – endlich Geschichte.

Die Abschaffung der „Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen“ war schon lange überfällig: Sie entsprachen nicht den aktuellen Rechtsgrundlagen und Anforderungen an die Betriebsmedizin. Die G-Sätze waren vielmehr Ausdruck einer Arbeitsmedizin, die ihre Aufgaben vor allem in der Untersuchung der Beschäftigten sah. Arbeitsmedizinische Vorsorge und Beratung für gute Arbeit kamen so häufig zu kurz.

Die neuen „DGUV Empfehlungen für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen“ sind ein guter Anlass im Betrieb, nun über die Aufgaben der Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie die Ausgestaltung der arbeitsmedizinischen Vorsorge zu beraten.


Krieg in der Ukraine: Metallerinnen und Metaller helfen

International war das Jahr 2022 von dem Krieg in der Ukraine geprägt. Viele IG Metall-Betriebsräte und Geschäftsstellen organisierten Hilfslieferungen in das Kriegsgebiet. In Deutschland engagierten sich viele Metallerinnen und Metaller bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Hilfe wird auch weiterhin gebraucht. Die Menschen in der Ukraine leiden akut unter dem Energienotstand. Es fehlen vor allem technische Geräte wie Notstromaggregate, Stromspeichergeräte, Solarpanels, Powerbanks und aufladbare Lampen.

Brennpunkte in vielen Ländern haben dazu geführt, dass die IG Metall ihre internationale Gewerkschaftsarbeit intensiviert. Um verfolgten Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern zu helfen, gibt es schon länger die Kooperation von IG Metall und Amnesty International. Das IG Metall-Bildungszentrum Sprockhövel nimmt dabei eine Schlüsselstellung ein.

Es geht darum, ein internationales Netzwerk von Unterstützerinnen und Unterstützern aufzubauen, die sich für verhaftete Kolleginnen und Kollegen engagieren. Wer mitmachen möchte, meldet sich per E-Mail an amnesty@igmetall.de. Weitere Informationen findet Ihr hier.

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