Arbeitsentgelt
Voraussetzungen für Überstundenvergütung

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Pflicht der EU-Staaten, für eine objektive Arbeitszeitdokumentation durch die Arbeitgeber zu sorgen, Arbeitnehmern bei Lohnklagen nicht den Nachweis von Überstunden erleichtert.

18. November 202218. 11. 2022


Verlangt ein Arbeitnehmer Überstundenvergütung, hat er darzulegen und im Streitfall auch zu beweisen, dass er in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang Arbeit verrichtet hat. Dabei reicht es aus, wenn er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber dann im Einzelnen erwidern, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat, und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen – nicht – nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht im Einzelnen ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden.
 

Darlegungs- und Beweislast liegt beim Arbeitnhemer

Das allein reicht jedoch nicht aus, um erfolgreich Überstundenvergütung durchzusetzen. Nach der Rechtsprechung ist der Arbeitnehmer nämlich noch zusätzlich zur Darlegung verpflichtet, dass die Überstundenleistung auch vom Arbeitgeber veranlasst worden ist oder dass sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Denn ein Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen. Und Arbeitnehmer können nicht durch überobligatorische Mehrarbeit ihre Vergütungsansprüche selbst bestimmen.

Für die Annahme einer arbeitgeberseitigen Veranlassung ist erforderlich, dass die Überstunden vom Arbeitgeber entweder angeordnet oder gebilligt oder geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind. Auch hierfür trägt nach der Rechtsprechung der Arbeitnehmer im Prozess die Darlegungs- und Beweislast.

  • Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat.
  • Mit der Billigung von Überstunden, ersetzt der Arbeitgeber gleichsam durch eine nachträgliche Genehmigung die fehlende vorherige Anordnung schon abgeleisteter Überstunden. Die Billigung von Überstunden setzt deshalb voraus, dass der Arbeitgeber zu erkennen gibt, mit der schon erfolgten Leistung bestimmter Überstunden einverstanden zu sein Das muss nicht ausdrücklich erfolgen. Eine solche Billigung kann anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber oder ein für ihn handelnder Vorgesetzter eine bestimmte Anzahl von Stunden abzeichnet und damit sein Einverständnis mit einer Überstundenleistung ausdrückt. Es genügt also nicht, wenn man sich nur auf seine eigenen Zeitaufzeichnungen berufen kann. Auch die widerspruchslose Entgegennahme der vom Arbeitnehmer gefertigten Arbeitszeitaufzeichnungen reicht nicht aus. Dasselbe gilt, wenn man sich nur auf die Kommen- und Gehenzeiten berufen kann, die in einem Zeiterfassungssystem dokumentiert sind.

  • Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden künftig zu unterbinden. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und das es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn dies feststeht, ist es nach der Rechtsprechung Sache des Arbeitgebers, darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstunden ergriffen hat. Allein die technische Aufzeichnung der Kommen- und Gehenzeiten des Arbeitnehmers begründet keine Kenntnis des Arbeitgebers von einer bestimmten Überstundenleistung.

  • Durch faktisches Verhalten ordnet der Arbeitgeber Überstunden an, wenn er dem Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang zuweist, der unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit nur durch Überstunden zu bewältigen ist. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten war oder ihn zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte. Dabei begründet allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb oder an einem Arbeitsort außerhalb des Betriebs keine Vermutung dafür, Überstunden seien zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen.

Hier geht es zum Volltext der BAG-Entscheidung vom 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21.