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Maschinenbau: Geizige Unternehmenslenker riskieren Zukunft

Trotz voller Kassen investieren Maschinenbau-Unternehmen nicht genug in die Zukunft. Das gefährdet ihre Wettbewerbsfähigkeit. Die IG Metall kämpft für Investitionen von Unternehmen und Politik sowie für eine Einbeziehung der Betriebsräte bei strategischen Entscheidungen.

4. Oktober 20224. 10. 2022


Aus dem deutschen Maschinenbau gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute zuerst: Der Maschinenbau hat in den vergangenen Monaten gut verdient, die Auftragsstände sind auf Rekordniveau und auch die hohen Preise für Energie belasten die Maschinen- und Anlagenbauer kaum, denn sie können sie an die Kunden weitergeben. Nun die schlechte Nachricht: Trotz guter Geschäfte investieren die Unternehmen nicht genug in die Zukunft. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unter den Betriebsräten der Branche, die die IG Metall anlässlich ihrer Maschinenbaukonferenz 2022 in Berlin durchgeführt hat.

Schleichende Deindustrialisierung droht

Über zwei Drittel der befragten Betriebsräte gaben an, dass Investitionsentscheidungen von ihren Unternehmenslenkern aufgeschoben werden. Ein Fünftel sehen sogar die Gefahr einer Verlagerung ins Ausland. Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, warnte daher auf der Konferenz vor einer schleichenden Deindustriealisierung Deutschlands. So etwas wie mit der Solarindustrie dürfe hier nie wieder passieren, betonte Lemb. Er sieht die Unternehmen, aber auch die Politik in der Pflicht: „Unternehmen müssen investieren und die Politik muss mit öffentlichen Investitionen und einer aktiven Strukturpolitik unterstützen.“ Dazu gehörten insbesondere Investitionen in die Infrastruktur. „Bei neuen Technologien wie Wasserstoff, gilt es die Nase vorne zu behalten und nicht in der Umsetzung abgehängt zu werden“, fordert das geschäftsführende Vorstandsmitglied.

Innovationskraft ist jetzt gefragt

Die niedrigen Investitionen gefährden die Transformation, nicht innerhalb der eigenen Branche, sondern auch darüber hinaus. „Der Maschinen- und Anlagenbau ist eine Schlüsselindustrie der deutschen Wirtschaft. Ohne die Technologien der beschäftigungsstärksten deutschen Industriebranche wird die digitale und ökologische Transformation der deutschen Wirtschaft nicht gelingen“, mahnt Wolfgang Lemb. Die Betriebsräte der Branche können bestätigen, dass sie Zukunftspläne und -produkte, beispielsweise für eine Wasserstoff-Wirtschaft, in der Schublade haben, es aber am Mut der Unternehmenslenker und der Politik fehle, diese umzusetzen. Sie sehen die Gefahr, dass die Geschäftsfelder der Zukunft nun von ausländischen Wettbewerbern besetzt werden.

Aktuelle Krisen sind eine Ausrede

Ukraine-Krieg und hohe Energiepreise funktionieren nicht als Ausrede für die Investitionsflaute der Unternehmen. Zwar gaben einige der befragten Betriebsräte Probleme mit den Lieferketten an, doch Produktionsunterbrechungen sind nur bei einem Teil der Betriebe geplant. Auch die Energie- und Gasversorgung bereitet ihnen keine Kopfschmerzen, insbesondere da sie die höheren Preise an die Kunden weitergeben können. Und nach langem Drängen ist ja nun auch der Strom- und Gaspreisdeckel beschlossene Sache, wenn auch noch um seine genaue Gestaltung beraten wird. Unterm Strich sehen die Branche Auftragsbestände auf Rekordniveau und solide Einnahmen. So fordert die IG Metall sie auf, wichtige Zukunftsinvestitionen nicht zu verschlafen.

Auch die Wissenschaft fordert Investitionen

Ein flammendes Plädoyer für höhere Investitionen der Maschinenbaubetriebe in Zukunftstechnologien und -Felder kommt aus der Wissenschaft. Der Inhaber des Lehrstuhls für Produktionssystematik an der RWTH Aachen, Professor Günther Schuh, zieht dafür den Vergleich mit Amazon und Tesla heran. Diese Unternehmen gelten als innovativ und Gewinner der neuen digitalen Wirtschaft. Doch was haben sie den deutschen Firmen voraus? Schuh weiß es: Tesla, Amazon & Co. haben jeden Cent in ihr Unternehmen gesteckt und so viele Jahre lang keinen Gewinn ausgewiesen. Wenn die deutschen Unternehmen nicht schleunigst in Zukunftsfelder investierten, würde ihnen von anderen der Rang abgelaufen, prognostiziert der Maschinenbau-Professor.

Betriebsräte müssen über Investitionen entscheiden

Was nun tun, wenn die Unternehmenslenker ausschließlich von heute bis morgen denken? Die Antwort gibt es von Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall: „Wir wollen, dass es eine Möglichkeit gibt mit dem Arbeitgeber auf Augenhöhe über strategische Entscheidungen zu sprechen. Momentan kann er sagen: Nein, das mache ich nicht. Das nennt sich dann unternehmerische Freiheit“, scherzt Benner und ergänzt: „Das muss sich ändern!“ Nach unermüdlichem Einflüstern der IG Metall, hat die Bundesregierung sich vorgenommen, die Arbeit der Betriebsräte in einer digitalen Arbeitswelt zu erleichtern. Auch hat sie sich in ihren Koalitionsvertrag geschrieben: „Die sozialökologische Transformation und die Digitalisierung kann nur mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wirksam gestaltet werden.“ Hierauf möchte die IG Metall aufbauen, das Betriebsverfassungsgesetz erneuern und unter anderem erreichen, dass Betriebsräte auch bei strategischen Zukunftsentscheidungen mitdiskutieren.

Stärke ist eine Zahl

Mitdiskutieren ist das eine, durchsetzen ist das andere. Und was braucht es um durchsetzungsstark zu sein? Klar, Stärke. Und wie sieht es mit der Stärke aus? Mit der Antwort ist das geschäftsführende Vorstandsmitglied der IG Metall Wolfgang Lemb nicht zufrieden: „Wir haben im Maschinenbau einen noch zu niedrigen Organisationsgrad. Das ist nicht gut. Der Organisationsgrad muss steigen, dann können wir unsere Forderungen besser durchsetzen“, so Lemb. Und das geschäftsführende Vorstandsmitglied ergänzt: „Das gilt auch für unsere Tarifforderungen.“