Eskalation bei Neue Halberg Guss
Unbefristete Streiks in Leipzig und Saarbrücken

Seit 6 Uhr früh sind die Beschäftigten der beiden Werke des Autozulieferers Neue Halberg Guss (NHG) in Leipzig und Saarbrücken in einem unbefristeten Streik. Am Mittwoch waren Verhandlungen um einen Sozialvertrag für die mehr als 2000 Beschäftigten an beiden Standorten gescheitert.

14. Juni 201814. 6. 2018


„Wir sind mit einer hervorragenden Beteiligung in den Arbeitskampf gestartet“, sagt Patrick Selzer von der IG Metall Saarbrücken. „Die Belegschaft steht sehr geschlossen hinter dem Streik.“ Diese Woche Montag und Mittwoch sowie am Freitag vergangener Woche waren ihm schon Warnstreiks vorausgegangen. Alle Schichten hatten in Sachsen und im Saarland die Arbeit niedergelegt.

 

 


Die Beschäftigten kämpfen um einen Sozialtarifvertrag. Die IG Metall fordert eine Qualifizierungsgesellschaft und einen Treuhandfonds, den die NHG finanzieren soll. Aus dem Fonds sollen Leistungen für Beschäftigte bezahlt werden, wenn Arbeitsplätze verloren gehen sollten, zum Beispiel Abfindungen oder Hilfen zur Vermittlung in neue Stellen. Gestern hatte die IG Metall mit dem Management verhandelt, aber ohne Erfolg. Gleich nach dem Scheitern leitete die Gewerkschaft sowohl in Leipzig als auch in Saarbrücken Urabstimmungen ein. Das Ergebnis war eindeutig: In Leipzig sprachen sich mehr als 98 Prozent, in Saarbrücken knapp 94 Prozent für (Erzwingungs-)Streiks aus.


Kampf um sichere Arbeit

NHG hat angekündigt, das Werk in Leipzig Ende 2019 zu schließen. Damit würden 750 Beschäftigte ihre Arbeit verlieren. In Leipzig werden Kurbelwellen, Zylinderköpfe und Kurbelgehäuse für Volkswagen hergestellt. „Wir kämpfen für den Erhalt aller Arbeitsplätze und des Werks“, sagt Bernd Kruppa, der Geschäftsführer der IG Metall in Leipzig. Mit dem Sozialtarifvertrag will die IG Metall die Beschäftigten für den Fall absichern, dass dies nicht gelingt. NHG soll Geld zurücklegen, damit sie nicht leer ausgehen oder mit Mini-Abfindungen abgespeist werden.

Auch die Perspektiven der rund 1 500 Beschäftigten im Schwesterwerk in Saarbrücken, wo Motorblöcke hergestellt werden, sind alles andere als sicher. Denn der Gießerei an der Saar drohen die wichtigsten Kunden verloren zu gehen: Volkswagen und Daimler, deren Bestellungen 65 bis 70 Prozent des Auftragsvolumens ausmachen. Sie schauen sich nach anderen Zuliefern um, nachdem NHG durch Lieferboykotts höhere Preise erpresst hat. Die Auftragsvolumina, die nach dem Abzug der beiden Hauptkunden übrigbleiben, würden nicht ausreichen, um die Produktion (wirtschaftlich) weiterzuführen. 


Skandal mit Vorgeschichte

Jörg Köhlinger, der auch für das Saarland zuständige Bezirksleiter der IG Metall Mitte, sagte gestern in Saarbrücken: „Wir wollen die Arbeitsplätze hier und in Leipzig langfristig sichern. Wir wollen dafür mit dem treuhänderischen Fonds ein Modell auflegen, mit dem das möglich wird. Dafür kämpfen wir.“

Die Neue Halberg Guss gehört seit Januar zum Unternehmen Prevent der Familie Hastor. Die Investorenfamilie hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von Autozulieferfirmen aufgekauft. Seit 2016 sorgt ihr Geschäftsgebaren für Schlagzeigen: Mit Lieferboykotts setzt sie ihre Kunden, vor allem VW, unter Druck, um immense Preiserhöhungen durchzudrücken und schöpft die Gewinne dann ab. Übrig bleiben Betriebe, die nicht mehr lebensfähig sind.


Kein Spielball von Kapitalinteressen

Dem Streit um Preise und Auftragsvolumina sind bereits die Beschäftigten von zwei Preventtöchtern zum Opfer gefallen: Bei den überwiegend in Sachsen angesiedelten Werken des Sitzeherstellers Car Trim blicken viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in eine unsichere Zukunft. Am Standort Plauen ist mehr als 200 Beschäftigten gekündigt worden, beim Getriebelieferanten ES Automobil Guss in Schönheide im Erzgebirge traf es 160 der 380 Arbeitnehmer.

„Dieser Kampf steht stellvertretend für alle Beschäftigten in Ostdeutschland“, sagte Olivier Höbel, der Leiter des IG Metall Bezirks für Berlin, Brandenburg und Sachsen, beim Streikauftakt in Leipzig. „Es geht um die Absicherung der sozialen Existenz, aber auch um die Ehre und Würde von hart arbeitenden Menschen, die sich nicht zum Spielball von mächtigen Kapitalinteressen machen lassen.“ 

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