Besser mit Betriebsrat
Wie eine Belegschaft Widerständen trotzte - und sich einen Betriebsrat wählte

Einstweilige Verfügung, gepfefferte Anwaltsschreiben, Einschüchterungsversuche: Die Geschäftsleitung zog alle Register, um einen Betriebsrat bei Rolladen Sauter zu verhindern. Doch das hat die Belegschaft um die Initiatoren um Reinhard Zachmann erst richtig zusammengeschweißt.

12. November 202112. 11. 2021


Reinhard Zachmann (Bild oben, Mitte) ist 62 Jahre alt und könnte seinen Job eigentlich gemütlich bis zur Rente auslaufen lassen. Stattdessen hat es sich der Techniker noch mal richtig gegeben: Einen Betriebsrat gründen. Im Handwerksunternehmen Rolladen Sauter in Lahnau (Mittelhessen), wo Zachmann seit über sechs Jahren arbeitet, gab es bisher keine Arbeitnehmervertretung.

Mit dem Einstieg eines Handwerkskonzerns vor wenigen Jahren herrschte bei Sauter plötzlich ein anderer Wind. Es wurde auf einmal gespart. Der Konflikt um das Weihnachtsgeld zum Jahreswechsel 2020/21 gab den Auslöser. Der Arbeitgeber kürzte nicht nur die Sonderzahlung. Er koppelte die Sonderzahlung außerdem daran, wie oft jemand krank war während des Jahres. So bekamen manche Beschäftigte nur 250 Euro Weihnachtsgeld. Andere hingegen 1500 Euro. Ein krasser Fall von Ungleichbehandlung.


„Wir kamen zu dem Schluss: Da hilft nur Mitbestimmung“

Reinhard Zachmann und viele in der Belegschaft wollten die Ungerechtigkeit nicht hinnehmen. Sie beschlossen, sich gegen diese Behandlung nach Gutsherrenart zu organisieren. Denn für 2020/21 sollte das Weihnachtsgeld sogar komplett entfallen. Reinhard fand drei weitere Mitstreiter, die den Mut hatten, einen Wahlaufruf zur Bildung eines Wahlvorstands zu machen. „Im Januar beschlossen wir, einen Betriebsrat zu gründen, weil wir zu dem Schluss kamen, da hilft nur Mitbestimmung“, erzählt Reinhard Zachmann. Er knüpfte den Kontakt zur IG Metall-Geschäftsstelle in Gießen, die die Initiative umgehend unterstützte.

„Als wir einen Aushang im Betrieb machten und zur Wahl eines Wahlvorstands einluden, ging der ganze Zirkus los“, erinnert sich Zachmann. Die Geschäftsleitung wollte die Versammlung mit Hinweis auf Corona stoppen. Per Anwalt drohte das Unternehmen mit einer Einstweiligen Verfügung und versuchte, die Wahl des Wahlvorstands zu verhindern. In Abteilungsversammlungen unter Beisein eines Anwalts wurde den Beschäftigten eingetrichtert, dass das Unternehmen keinen Betriebsrat brauche. „Der Arbeitgeber wollte einen Betriebsrat auf Biegen und Brechen verhindern“, sagt Zachmann.


Beschäftigte ließen sich nicht einschüchtern

Die Belegschaft ließ sich aber nicht klein kriegen. 70 Prozent kamen zur Wahlversammlung und wählten einen Wahlvorstand, der die weiteren Schritte bis zur Betriebsratswahl durchzog. Die fand im April 2021 statt. Diesmal mit 90 Prozent Wahlbeteiligung. Ein eindeutiges Votum für Mitbestimmung und ein Sieg der Initiatoren um Reinhard Zachmann, der zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt wurde: „Wir mussten viel aushalten und es kam einem manchmal so vor, als laufen wir durch eine Steinwüste.“ Ganz wichtig war der Rückhalt in der Belegschaft für die Betriebsräte, die an vorderster Front stehen.

Seit der Betriebsratsgründung geht der Kampf um Arbeitnehmerrechte bei Rolladen Sauter auf anderer Ebene weiter, berichtet Zachmann. „Alles was wir beschließen geht grundsätzlich an die Anwälte des Unternehmens.  Die Führungskräfte wollen uns Betriebsratmitglieder für unsere Arbeit nicht freistellen. Schulungen werden nicht genehmigt. Den Betriebsratsmitgliedern wird ein schlechtes Gewissen gemacht. Dabei setzen sie sich mit Herzblut für den Betrieb und die Interessen der Beschäftigten ein.“


Steuerfreie Corona-Prämie von 1500 Euro

Auch wenn es viel Nerven kostet, kann sich die Bilanz der wackeren Streiter sehen lassen: Die Beschäftigten haben eine steuerfreie Corona-Prämie von 1500 Euro ausgezahlt bekommen. Der Betriebsrat hat zusammen mit der IG Metall verhindert, dass Rolladen Sauter einen Tarifvertrag mit der Christlichen Metallgewerkschaft abgeschlossen hat, was einen Verlust an Urlaubstagen und andere Nachteile bedeutet hätte. Jetzt hat sich der Betriebsrat zum Ziel gesetzt, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, um Überstunden zu regeln. Ein großes Anliegen ist es, dass Sauter wieder mehr ausbildet und Auszubildende übernimmt.  „Denn da geht es auch um die Zukunft des Betriebs“, sagt der Betriebsratsvorsitzende voll Überzeugung.

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