Betriebsratswahl 2022
Wählt Leihbeschäftigte in die Betriebsräte von Randstad und Co

Leihbeschäftigte wählen zwei Mal einen Betriebsrat: In ihrem Einsatzbetrieb. Und in ihrer Leihfirma. Doch dort sind mehr „Interne“ in den Betriebsräten – Disponenten, Niederlassungsleiter – und nur wenige Leiharbeiter. Bei Randstad Süd wollen sie das mit der Wahl 2022 ändern.

25. März 202225. 3. 2022


Seit über vier Jahren arbeitet Kamuran Karakaya als Leiharbeiterin bei BMW in München in der Logistik. Jetzt kandidiert sie für den Betriebsrat. Nicht bei BMW – dort darf sie zwar wählen, aber nicht kandidieren. Aber bei ihrer Leihfirma Randstad Süd. Sie will ihren Kolleginnen und Kollegen, den Leihbeschäftigten, eine Stimme geben. 

„Die Betriebsräte in den Kundenbetrieben kümmern sich vor allem um die Stammbeschäftigten und kennen sich auch nicht immer in den für Leihbeschäftigte geltenden Regelungen und Tarifen aus“, erklärt die gelernte Steuerberaterin. Es gibt viel zu tun. Zwar verdienen wir in Metallbetrieben wie BMW deutlich mehr als in anderen Betrieben, auch dank der Tarife und Branchenzuschläge der IG Metall. Doch viele warten seit Jahren auf ihre Übernahme. Und sie sind immer die ersten, die es erwischt und abgemeldet werden, wenn Krise ist. Das droht jetzt auch wieder vielen Leihbeschäftigten durch den Ukraine-Krieg.

Weil Kabel-Bäume fehlten, war den ganzen März Kurzarbeit angesagt – auch für die Leihbeschäftigten. Immerhin: Sie wurden nicht abgemeldet, dafür sorgen auch IG Metall-Betriebsräte bei BMW. „Seit Montag arbeiten wir wieder“, meint Kamuran Karakaya erleichtert. Zwischendurch sah es noch düster aus: Der Passus im Infektionsschutzgesetz, dass auch Leihbeschäftigte Kurzarbeitergeld bekommen können, sollte Ende März auslaufen. Glücklicherweise hat die Ampelkoalition die Regelung jetzt noch mal bis Ende Juni verlängert.
 

Disponenten und Niederlassungsleiter im Betriebsrat

Klar: Gerade Leihbeschäftigte brauchen gute Betriebsräte, die ihre besonderen Probleme kennen und ihre spezielle Interessen vertreten. Allerdings: Wie bei anderen Leihfirmen auch sind die Leihbeschäftigten im Betriebsrat von Randstad Süd in der Minderheit. Rund drei Viertel der Betriebsratsmitglieder sind „interne“ Beschäftigte: Disponenten, die Leihbeschäftigte einstellen, ihre Arbeitsverträge unterzeichnen und sie zu ihren Einsätzen in den Kundenbetrieben schicken.

Sogar zahlreiche Niederlassungsleiter kandidieren wieder bei der bevorstehenden Betriebsratswahl. Von 320 Kandidatinnen und Kandidaten zur Betriebsratswahl bei Randstad Süd sind nur 88 Leihbeschäftigte. Das steht im krassen Missverhältnis zur Gesamtbelegschaft bei Randstad Süd: rund 1500 interne – aber rund 11 000 Leihbeschäftigte. 

Die Vertreterinnen und Vertreter der Liste 6 „im Einsatz STARK“ von IG Metall und IG BCE bei Randstad Süd wollen das endlich ändern. Einer von ihnen ist Marko Fleischmann, IG Metall. Der gelernte Maschinenschlosser arbeitet seit 21 Jahren als Leiharbeiter, derzeit beim Maschinenbauer Multivac in Wolfertschwenden im Allgäu. Seit acht Jahren ist er Mitglied des Betriebsrats bei Randstad Süd.

„Dieser Betriebsrat vertritt zu  wenig die Interessen der Mitarbeiter, die das Geld für Randstad verdienen. Dass tut mir weh“, kritisiert Marko Fleischmann. Er berät Leihbeschäftigte – und auch die Betriebsräte in seinen Kundenbetrieben. Bei einem früheren Kundenbetrieb hat er gemeinsam mit den IG Metall-Vertrauensleuten und Betriebsräten einen Tarifvertrag erreicht, der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter bei Geld, Arbeitszeit und Urlaub weitgehend den Stammbeschäftigten gleichstellt. Aber sein Einsatz dort endete – und er wurde wieder in einen anderen Betrieb verschoben.

Karakaya Kamuran

Kamuran Karakaya

Randstad-Leiharbeiterin bei BMW in München in der Logistik

Marko Fleischmann

Marko Fleischmann

Randstad-Leiharbeiter beim Maschinenbauer Multivac in Wolfertschwenden

Interessen von Leihbeschäftigten kommen zu kurz

Letzte Woche Montag war nun auch Marko Fleischmanns letzter Einsatztag bei Multivac. Noch weiß er nicht, wo er hinkommt. Aber eins ist schon mal klar: Er fängt dort wieder bei Null an. Seinen tariflichen Branchenzuschlag von 65 Prozent auf den Leiharbeitstarif, die es nach 15 Monaten Einsatz gibt, verliert er dann wieder. „Das ist genau das, was mich unbändig wurmt“, ärgert sich Fleischmann.

Leihbeschäftigte brauchen einen Betriebsrat, in dem Leihbeschäftigte wie er arbeiten, findet Fleischmann. „Kann eine Interessenvertretung denn so funktionieren? Disponenten und Niederlassungsleiter sind gegenüber uns Mitarbeitern im Kundeneinsatz (den Leihbeschäftigten) weisungsberechtigt und vertreten den Arbeitgeber. Dadurch liegt es auf der Hand, dass bei dieser Zusammensetzung des Betriebsrats unsere Interessen zu kurz kommen.“

Das Missverhältnis macht sich auch im Wahlkampf bemerkbar: „Interne Mitarbeiter sind untereinander besser vernetzt, haben Zugang zum Firmennetz, zu Informationen und können den Wahlkampf besser organisieren“, erklärt Fleischmann. „Wir Mitarbeiter im Kundeneinsatz sind dagegen weit verstreut, haben wenig Kontakt zueinander und wesentlich weniger Möglichkeiten uns zu vernetzen und zu organisieren.“ 

Dazu kommt: Da Leihbeschäftigte weit verstreut sind, müssen sie per Briefwahl wählen. Zur ihrem „Betrieb“ haben sie physisch kaum Bezug. Entsprechend niedriger ist auch ihre Wahlbeteiligung.
 

Gewerkschaftliche Betriebsräte sind für Leiharbeiter da

Die Liste 6 bei Randstad Süd wirbt mit ihrem aktiven Beitrag in den Tarifkommissionen und damit auch zu den Erfolgen der DGB-Gewerkschaften: Tariferhöhungen, mehr Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Extra-Zahlungen für Mitglieder. Aber auch damit, was sie selbst im Betriebsrat erreicht haben: dass Randstad endlich Urlaub und Krankheit richtig bezahlt, Kurzarbeitergeld nachzahlt, dass Urlaub nicht mehr verfällt oder dass Leihbeschäftigte Garantiestunden bezahlt bekommen – und nicht in einsatzfreien Zeiten sogar unbezahlten Urlaub nehmen müssen. 

Die Gewerkschafter fordern zudem höhere Eingruppierungen (mindestens EG 2), mehr Übernahmen, Fahrgeld bei jedem Einsatz – und dass auch Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter Einmalzahlungen und eine Gewinnbeteiligung bekommen.

„Bei der Coronaprämie sind die überbetrieblichen Kollegen , also die Zeitarbeiter, wieder mal leer ausgegangen“, ärgert sich Randstad-Betriebsrat Werner Schäble, IG Metall. „Das können wir nur ändern, wenn endlich Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter im Betriebsrat vertreten sind. Wir sind die Liste für die 11 000 Kolleginnen und Kollegen im Einsatz. Dafür ist unsere Liste da.“
 

Extra-Zahlung für Gewerkschaftsmitglieder wirkt

Immer mehr Leihbeschäftigte treten in die IG Metall und andere DGB-Gewerkschaften ein. Im Jahr 2021 stieg die Anzahl der IG Metall-Mitglieder bei den Leihbeschäftigten um 7,5 Prozent. Ein wesentlicher Grund sind gute Tarifabschlüsse – insbesondere zum neuen Mitgliedervorteil: Seit letztem Jahr können Gewerkschaftsmitglieder eine Extra-Zahlung zum Urlaubs- und Weihnachtsgeld beantragen, in diesem Jahr bis zu 400 Euro obendrauf.

„Damit werben wir auch“, erklärt Kirstin Schärl, freigestellte Betriebsrätin bei Randstad Süd und Mitglied der IG Metall, Liste 6 „im Einsatz STARK“. „Zudem haben wir durch die Kontaktaufnahmen der Kollegen wegen des Mitgliedervorteils jetzt einen besseren Überblick.“

Dadurch konnten sie jetzt auch viel gezielter für die Betriebsratswahl werben. Das Rennen läuft. Letzte Woche Freitag gingen die Briefwahlunterlagen an rund 13000 Beschäftigte raus. Am 5. April wird ausgezählt.

Plakat der Liste 6 zur Betriebsratswahl 2022 bei Randstad Sued

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