Nathalie Metin arbeitete bei Bosch in Reutlingen im Testzentrum für Mikrochips im kontinuierlichen Schichtbetrieb, kurz Kontischicht. Das bezieht sich kontinuierlich auf die Maschinen, die ohne Unterbrechung laufen. Nach der Geburt ihres ersten Kindes wollte Nathalie Teilzeit in der Kontischicht arbeiten. Das gab es bis dahin nicht und so recht konnte es sich bei Bosch auch niemand vorstellen. Selbst Kolleginnen und Kollegen fragten Nathalie, warum sie nicht Vollzeit arbeite und die Schichten mit ihrem Mann so abstimme, dass immer einer Zuhause ist. „Weil ich dann meinen Mann nicht mehr sehe, und ich sehe ihn immer noch gerne“, antwortete Nathalie.
In den Köpfen vieler Vorgesetzter, aber auch Kolleginnen und Kollegen, ist Vereinbarkeit eine Frage der Flexibilität – Flexibilität auf Seiten der Beschäftigten. Wollen sie wie Nathalie Beruf und Kinder, müssen sie es irgendwie organisieren. Eins steht meist nicht infrage: Am Arbeitsplatz ändert sich nichts.
Teilzeitwünsche durchsetzen
Nathalie sah das überhaupt nicht ein. Die Betriebsrätin und Vertrauensfrau gab ihren Teilzeitwunsch im Schichtbetrieb nicht auf. Der Betriebsrat startete eine Kampagne, befragte die Beschäftigten zu ihren Teilzeitwünschen und lud Arbeitsdirektor und Personalchefin zu einer Podiumsdiskussion ein. Für Nathalie die Gelegenheit, ihr Anliegen vorzubringen. Sie trat ans Podium und fragte die beiden: „Wie kann es sein, dass ich bei einem Unternehmen, das so familienfreundlich sein will wie Bosch, nicht Teilzeit in der Kontischicht arbeiten kann?“
Plötzlich ging alles. Nathalie hatte sich bereits selbst eine Kollegin gesucht, die sich mit ihr die Schicht teilen wollte. Nun erklärte sich ein Vorgesetzter bereit, ein Pilotprojekt zu starten.
Alle, die nach Nathalie kamen, hatten es leichter. Dank einer Betriebsvereinbarung können bei Bosch in Reutlingen Eltern in Konti- und Wechselschicht nicht nur Teilzeit arbeiten, sie können auch ihre Schicht später anfangen oder früher beenden, um zu Hause die Kinder zu übergeben. Und es gibt ein Schwarzes Brett für alle, die sich eine Stelle teilen wollen. Von der neuen Betriebspolitik profitiert auch der Arbeitgeber. Die Beschäftigten sind zufriedener, sagt der Betriebsrat. Denn Nathalie war zwar die erste, die sich die Teilzeit erstritt. Sie blieb aber nicht die einzige. Inzwischen arbeiten einige in ihrem Bereich Teilzeit.