Industrielle Dienstleistungen auf Werkvertrag
Das neue Billiglohn-Modell: Werkverträge statt Leiharbeit

Leiharbeit ist out – Werkverträge sind in. Kaum ist die Leiharbeit etwas besser reguliert, satteln immer mehr Arbeitgeber auf die Fremdvergabe an Dienstleistungsfirmen über Werkverträge um: billig, flexibel und unkontrolliert. Ein Drittel der Unternehmen ist bereits dabei.

30. September 201130. 9. 2011


Immer mehr Unternehmen nutzen mittlerweile Werkverträge mit Industrie-Dienstleistungsunternehmen statt Leiharbeit, um Löhne zu drücken. Denn anders als Leiharbeit, wo ein Mindestlohn gilt und Gerichte die Billigtarife der sogenannten christlichen Gewerkschaften für unzulässig erklärt haben, sind industrielle Dienstleistungen auf Werkvertragsbasis derzeit noch unreguliert. Ein Freifahrtschein zur billigen und flexiblen Fremdvergabe.


Werkverträge boomen: ein Drittel der Unternehmen dabei 

Das Geschäft mit den Dienstleistungen auf Werkvertrags-Basis boomt. Unternehmen, die aus ganz anderen Bereichen bekannt sind, sind dick im Werkvertrags-Geschäft. Der Baukonzern Bilfinger Berger macht mittlerweile 85 Prozent seines Umsatzes mit Industriedienstleistungen. Die Wisag, als Gebäudereinigungs-Unternehmen bekannt, baut mit ihrer Produktionsservice-Sparte Achsen für BMW und Porsche. Und die Dienstleister sind keine kleinen Buden: Der Branchenprimus Integrated Service Solutions (ISS), der zunehmend in die deutsche Automobilindustrie drängt, beschäftigt, weltweit 500 000 Menschen – kaum weniger als der Leiharbeits-Weltmarktführer Adecco. IG Metall-Umfragen zeigen, dass bereits ein Drittel der Unternehmen Werkverträge nutzt. Laut einer aktuellen Befragung in 40 Stahlbetrieben arbeiten dort mittlerweile acht Prozent der Beschäftigten auf Werkvertragsbasis. Und das nicht nur in Kantinen oder in der Gebäudereinigung. Sondern mittlerweile auch in qualifizierten Jobs in Kernbereichen wie der Instandhaltung. Dabei geht nicht nur Arbeit sondern auch jede Menge Know-How nach draußen, warnt Hannelore Elze, Leiterin des Stahl-Zweibüros der IG Metall. „Das Problem ist, dass viele unserer Betriebsräte bisher oft noch wenig darüber wissen, welche Industrie-Dienstleister tatsächlich schon im Werk sind, ob sie einen Betriebsrat haben oder ob dort ein Tarifvertrag gilt. Zudem haben Betriebsräte auch weniger Zugriffsrechte als bei der Leiharbeit.“


Neue Strategie: Werkverträge statt „regulierte“ Leiharbeit

Hinter dem Geschäft mit den Werkverträgen steckt Strategie. „Freie Industriedienstleistung als Alternative zur regulierten Zeitarbeit“, lautete der Titel einer Tagung des Zentrums für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR), das als Denkschmiede für Arbeitgeberstrategien und arbeitgeberfreundliche Anwälte fungiert. „Vorteile der Industriedienstleistung können wirtschaftlicher (kein equal pay), bürokratischer (keine Informations- und Ausschreibungspflichten etc.) und strategischer Art (keine Begrenzung des Rechts zur betriebsbedingten Kündigung) sein“, lautet der Ratschlag an die Tagungsteilnehmer.

Zudem stellt das ZAAR dar, „wie sich Vorteile der Zeitarbeit mit denen der freien Industriedienstleistung verbinden lassen.“ Tatsächlich ist Werkvertrags-Arbeit häufig verdeckte Leiharbeit, bei der der Auftraggeber das Weisungsrecht behält, kritisiert Holger Timmer, der beim IG Metall-Vorstand das Thema Industriedienstleister bearbeitet. „Doch ganze Scharen von Juristen sind damit beschäftigt, die Verträge so zu gestalten, dass sie legal aussehen. Staatliche Kontrollen gibt es kaum.“


Was können IG Metall und Betriebsräte tun?

„Natürlich brauchen wir andere Gesetze, die den Missbrauch von Werkverträgen verhindern. Aber das dauert“, meint Hannelore Elze. „Bis dahin müssen wir in den Betrieben gegensteuern, Fremdvergabe verhindern – aber uns auch um die Beschäftigten in den Fremdfirmen kümmern, Betriebsratswahlen anstoßen oder gar Tarifverträge durchsetzen. Denn wenn immer mehr über Werkverträge fremdvergeben wird, nutzen uns auch unsere guten IG Metall-Tarifverträge nichts.“
In einigen Stahlbetrieben haben IG Metall und Betriebsräte bereits Fortschritte erzielt, Betriebsräte oder gar Tarifbindungen etabliert. Etwa bei ThyssenKrupp in Duisburg, bei ArcelorMittal und Salzgitter Flachstahl.

 

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