Männer verdienen in Deutschland im Schnitt 18 Prozent mehr als Frauen. Das ist bekannt, ist aber in bloßen Prozentzahlen schlecht greifbar. Ein Tag im Oktober soll die Ungleichheit verdeutlichen: Statistisch gesehen müssen Frauen bis zum Jahresende arbeiten, um dasselbe zu verdienen, was Männer schon am 25. Oktober im Portemonnaie haben.
Die Ursachen für die andauernde Ungleichstellung sind vielfältig. Frauen arbeiten häufiger in Branchen und Tätigkeiten, die schlechter bezahlt werden, kommen seltener in Führungspositionen und reduzieren öfter ihre Arbeitszeit. Dabei ist auch entscheidend, in welcher Lebensphase sie die Arbeitszeit reduzieren, wie eine Studie gezeigt hat.
Die Entgeltlücke ließe sich laut der Studie des Economic Research Center der Universitäten Bonn und Mannheim zu einem großen Teil auf ein Beförderungsgefälle zurückführen. Das soll heißen: In der Zeit, in der Männer Karriere machen, aufsteigen und mehr verdienen – mit rund 30 Jahren – gehen viele Frauen in den Mutterschutz, fangen an, in Teilzeit zu arbeiten und suchen sich Arbeit, die besser mit der Familie vereinbar ist. Zu diesem Schluss kommt auch das DIW. Die Entgeltlücke wird erst ab 30 Jahren zum Problem. Frauen bekommen mit 30,5 Jahren statistisch gesehen das erste Kind.
Der Tag der betrieblichen Entgeltgleichheit symbolisiert die gesamtgesellschaftliche Entgeltlücke von 18 Prozent. Selbst bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit sind es 6 Prozent weniger im Portemonnaie einer Frau.
Wir möchten allen berufstätigen Frauen ein besonderes Angebot zu diesem Tag machen: Die kostenfreie Teilnahme an unserem Online-Seminar rund um das Thema Entgelt.
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Was Betriebe gegen die Entgeltlücke tun können
Hier kann neben mehr politischen Weichenstellungen für bessere Vereinbarkeit auch eine Verschiebung der Rollenaufteilung helfen. Und die Zahlen belegen: Immer mehr Väter wollen sich mehr in die Erziehung einbringen. Die Hälfte der Männer gibt an, genau so viel von der Betreuung übernehmen zu wollen wie die Frauen. Nur 21 Prozent tun dies laut dem Väterreport 2023 auch. 75 Prozent der Väter nehmen nur zwei Monate Elternzeit und geben als Gründe hierfür die Angst vor Einkommenseinbrüchen und beruflichen Nachteilen an.
In den Betrieben lassen sich also einige Stellschrauben drehen und die Zahlen belegen, es lohnt sich hier Veränderungen anzustoßen. In Betrieben, die Gleichstellungsmaßnahmen einführen, ist die Entgeltlücke kleiner. Diese Maßnahmen können ganz unterschiedlich aussehen: Bessere Kinderbetreuungsangebote zeigen hier ihre Wirkung genauso wie mehr gezielte Förderung von weiblichem Nachwuchs zum Beispiel durch Mentoring-Programme. Auch gute tarifliche Lösungen wie etwa die tariflichen Zusatztage (T-ZUG) helfen bei der Vereinbarkeit. Die Lücke im Entgelt verkleinert sich im Zusammenhang mit Gleichstellungsmaßnahmen insbesondere in Betrieben, die Tarifverträge und Betriebsräte haben.
Frauen profitieren stark von Tarifverträgen
Insbesondere Frauen profitieren sehr stark von Tarifverträgen. Die Entgeltlücke ist in tarifgebundenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie um 7 Prozentpunkte niedriger als in tariflosen Betrieben – das ergab eine Sonderauswertung des Statischen Bundesamts für die IG Metall. Auf einen ganzen Monat gerechnet, erhalten Frauen mit Tarifvertrag rund 1.400 Euro mehr als ihre Kolleginnen ohne Tarifvertrag.
Fast zeitgleich zum Tag der betrieblichen Entgeltgleichheit im Oktober endet in diesem Jahr die Friedenspflicht in der Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie (28.10.). Ab dem 29. Oktober sind Warnstreiks für die tariflichen Forderungen möglich. Die IG Metall fordert 7 Prozent mehr Entgelt für die Beschäftigten und eine überproportionale Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 170 Euro. Die Arbeitgeber haben zwar bereits in der zweiten Verhandlungsrunde ein Angebot vorgelegt – doch das ist aus Sicht der IG Metall enttäuschend. Deshalb kommt es auf uns alle an, um den Druck auf die Arbeitgeber durch die Teilnahme an Aktionen zu erhöhen.
Viele kennen Rechte durch Entgelttransparenzgesetz nicht
Für die Tarifverträge der IG Metall gilt grundsätzlich: Gleicher Lohn oder gleiches Gehalt für gleiche Tätigkeit. Damit ist eine Ungleichstellung aufgrund des Geschlechts erst einmal ausgeschlossen. Betriebsräte überwachen den Einstellungsprozess und die Eingruppierung. Sie helfen, wenn sich etwa Tätigkeiten verändert haben, die Eingruppierung aber nicht entsprechend angepasst wurde.
Häufig wissen Frauen gar nicht, dass sie weniger verdienen als ihr männlicher Kollege in gleicher Position. Dabei haben sie in Unternehmen ab 200 Beschäftigten per Entgelttransparenzgesetz ein Recht darauf, auf Anfrage darüber informiert zu werden. Leider wird das in der Praxis kaum genutzt. Ein Gutachten der Universität Tübingen hat gezeigt, dass lediglich 4 Prozent eine solche Auskunft angefragt haben. Grund dafür ist schlicht, dass viele noch nichts von diesem Recht wissen. „Zwei Drittel kennen ihre Rechte nicht“ stellten die Gutachter fest.
Künftig könnten Unternehmen Strafen zahlen
Dabei ist das Wissen um die Ungleichstellung der erste Schritt zur Veränderung. Anfang 2023 hat das ein bahnbrechendes Urteil vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigt. Eine Frau hatte geklagt, weil sie bei gleicher Tätigkeit weniger als ihr männlicher Kollege verdient hatte. Das Unternehmen argumentierte, der Mann habe besseres Verhandlungsgeschick in dem Bewerbungsverfahren gezeigt. Das ließ das Gericht nicht gelten. Es müsse objektive Gründe geben, die einen Entgeltunterschied rechtfertigen, so das BAG. Der Betrieb musste der Beschäftigten die Entgeltdifferenz und eine Entschädigung zahlen.
Grundsätzlich kreiden IG Metall und andere Gewerkschaften sowie Verbände an, dass das Entgelttransparenzgesetz mit dem individuellen Auskunftsrecht in Deutschland nicht weit genug geht. Die EU will einige Schritte weitergehen und verpflichtet auch ihre Mitgliedsstaaten die neuen Richtlinien für mehr Entgelttransparenz bis 2026 umzusetzen. Bereits Unternehmen mit mindestens 100 Beschäftigten sollen dann verpflichtet werden, einen Bericht über die geschlechterspezifischen Unterschiede bei Löhnen und Gehältern zu veröffentlichen. Außerdem sollen Entschädigungsansprüche und Sanktionen in Form von Geldstrafen gesetzlich eingeführt werden, die Unternehmen im Falle von Benachteiligungen zahlen müssen.