Die Situation ist angespannt: Derzeit beschafft die Bundesregierung vermehrt Flugzeuge und Hubschrauber für die Bundeswehr aus amerikanischer Produktion. Sie regelt dabei allerdings nicht, dass Bauteile für diese Maschinen an deutschen Standorten gefertigt werden, und auch nicht, dass die Wartung oder Weiterentwicklung der gekauften Flugzeuge und Helikopter in heimischen Betrieben ausgeführt wird. Weil das so ist, fürchten die Beschäftigten der Branche zunehmend um ihre Jobs.
Unter dem Motto „Für unsere Sicherheit“ zeigten deshalb in den vergangenen Tagen über 12 500 Kolleginnen und Kollegen an bundesweit über 20 Standorten Flagge gegen die derzeitige Einkaufspolitik der Bundesregierung – sie taten das gemeinsam mit Arbeitgebern der Branche. Nach Überzeugung der IG Metall gefährdet die Bundesregierung ohne Not die Zukunftsfähigkeit der deutschen militärischen Luftfahrtindustrie und erhöht die Abhängigkeit von den USA.
Aktionstag Airbus Aerostructures in Stade.
Weiterentwicklung der eigenen Produktion
Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall macht deutlich: „Wir richten uns an die Politik. Mit dem klaren Signal, dass unsere Erwartungshaltung ist, dass wir das gute Niveau der militärischen Luftfahrtindustrie und damit gute Arbeitsplätze nur halten können, wenn es eine politische Weichenstellung gibt zur Weiterentwicklung der eigenen Produkte.“
Bisher wurden von der Bundesregierung 35 Stück der von Lockheed Martin produzierten F35-Maschinen bestellt. Nun sollen weitere Flugzeuge folgen. Dazu sollen auch schwere Transporthubschrauber sowie der Seefernaufklärer P8 kommen. Die Bundesregierung aber hat es bisher versäumt, die deutsche Luftfahrtindustrie in die Wartung und Weiterentwicklung der Systeme einzubinden. Die Produktion der Systeme und deren Technologie bleiben in der Hand amerikanischer Hersteller. Im Gegensatz dazu hat z.B. die Schweiz bei der Beschaffung ihrer 36 F35 einen Wertschöpfungsanteil von 60 Prozent des Kaufpreises im eigenen Land vertraglich vereinbart. Darüber hinaus sichert der Vertrag der Schweiz den Zugang zu Spitzentechnologien und den Aufbau neuer Fähigkeiten.
Drohender Verlust tausender Arbeitsplätze
„Der Einkauf bei US-Konzernen ist für die militärische Luftfahrtindustrie in Deutschland ein Schlag ins Gesicht“, so Jürgen Kerner. „Mittelfristig verursacht die Regierung damit den Verlust tausender hochqualifizierter Arbeitsplätze.“ Verzichte Deutschland auf den militärischen Flugzeugbau, schwäche dies auch den zivilen Flugzeugbau enorm. „Mit massiv negativen Konsequenzen für Technologieentwicklung und die heute über 100.000 hochqualifizierten Beschäftigten“, so Jürgen Kerner.
Die IG Metall fordert deshalb, dass Rüstungsaufträge an klare Bedingungen geknüpft werden – und verweist auf die übliche Praxis anderer Staaten, die dies bei Großbeschaffungen seit langem tun, um Produktion und damit Arbeitsplätze im eigenen Land abzusichern. Dies ist dringend notwendig, denn in Deutschland steht beispielsweise die Produktion des Hubschraubers Tiger vor dem Aus. Auch die Weiterentwicklung des Eurofighters ist ungeklärt.
Technologiefahrplan für den militärischen Flugzeugbau
„Wir fordern, dass bei Auftragsvergabe aus Steuergeldern die Beschäftigung und Förderung von technologischer Weiterentwicklung in Deutschland berücksichtigt werden“, betont Jürgen Kerner. Es brauche einen „Technologiefahrplan für den militärischen Luftfahrzeugbau in Europa“ – mit der Weiterentwicklung des Eurofighters und des Tigers. „Wir fordern Planungssicherheit für eine industrialisierte Produktion durch feste Endlinien und die Abnahme festgelegter Stückzahlen durch die Regierung“, so Kerner. Durch bessere Unterstützung mittelständischer Zulieferunternehmen, auch bei deren Qualifizierung und Zertifizierung, müssten die Lieferketten weiter gesichert werden.
Schließlich sei die Einkaufspolitik der Bundesregierung auch unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten fragwürdig: Im Zweifelsfall seien US-Konzerne verpflichtet, zuerst amerikanische Streitkräfte vollumfänglich mit Ersatzteilen zu versorgen, bevor Streitkräfte anderer Länder berücksichtigt werden.
„Die IG Metall sieht die USA ganz eindeutig als Partner, deshalb kommt es für uns nicht infrage, Europa gegen Amerika auszuspielen“, so Jürgen Kerner. „Aber gerade im Verhältnis mit Verbündeten muss man fragen, ob es nicht besser ist, auf dem eigenen Kontinent zu produzieren und zu kaufen statt Schlüsselindustrien versanden zu lassen.“