Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
Urlaub verjährt nicht automatisch

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Arbeitgeber sich nicht auf die Verjährung von Urlaubsansprüchen berufen können, wenn sie nicht das ihrerseits erforderliche getan haben, um zu gewährleisten, dass der betreffende Arbeitnehmer seinen Urlaub rechtzeitig nimmt.

23. September 202223. 9. 2022


Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Beschäftigten den Rücken bei der Verjährung von Urlaubsansprüchen gestärkt. Laut EuGH ist es an sich zwar unproblematisch, wenn Arbeitgeber sich auf Grundlage des nationalen Rechts auf Verjährung berufen können, um Urlaubsansprüche aus längst vergangenen Jahren abzulehnen. Das Ingangsetzen solcher Verjährungsfristen komme aber nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber explizit auf den bestehenden Resturlaub und die Möglichkeit des Verfalls der Urlaubstage hingewiesen wurde. Anderes wäre mit dem vorrangigen Europarecht nicht vereinbar.

Bereits 2018 hatte der EuGH entschieden, dass der Anspruch auf den bezahlten Mindesturlaub nur dann verfallen kann, wenn der Arbeitgeber darauf hingewirkt hat, dass der Arbeitnehmer den Urlaub auch tatsächlich in Anspruch nimmt. Das erfordert, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dazu auffordert, den Urlaub zu nehmen und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht nimmt.


Verjährung von Urlaub klare Grenzen gesetzt

In dem am 22. September 2022 entschiedenen Fall hat sich der EuGH mit der Vorlage des Bundesarbeitsgerichts (BAG) befasst. Das oberste deutsche Arbeitsgericht wollte wissen, ob Beschäftigte Urlaubsansprüche aus vergangenen Jahren auch dann noch durchsetzen können, wenn das maßgebliche Urlaubsjahr bereits mehr als drei Jahre zurückliegt. In dem Verfahren hatte der Arbeitgeber argumentiert, dass dann, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen hat, der Urlaubsanspruch der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliege und somit verfallen sei.

Der EuGH hat hierzu nun klargestellt, dass es mit europäischem Recht unvereinbar ist, dass ein Arbeitgeber sich auf Verjährung berufen kann, wenn er es unterlassen hat, daran mitzuwirken, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub auch tatsächlich in Anspruch nimmt (Rechtssache C-120/21).

Zwei weitere Fälle betrafen den Urlaubsanspruch bei Krankheit. Der EuGH hat hierzu entschieden, dass ein Urlaubsanspruch zwar grundsätzlich nach 15 Monaten durchgehender Arbeitsunfähigkeit verfallen dürfe. Bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im laufenden Urlaubsjahr komme ein Verfall des Urlaubsanspruchs aus diesem Jahr aber nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber einen Beschäftigten zuvor über den Urlaubsanspruch unterrichtet hat. Das heißt: Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht entsprechend informiert, besteht der Urlaubsanspruch auch nach Ablauf von 15 Monaten seit Ende des Urlaubsjahres weiterhin (Rechtssachen C-518/20; C-727/20).

In allen drei Konstellationen bedeutet das: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können ihren gesetzlichen Mindesturlaub durchsetzen, wenn der Arbeitgeber sie nicht auf den Verfall des Urlaubs aufmerksam gemacht hat.
 

Gesetzlicher Mindesturlaub

Die EuGH-Entscheidungen sind lediglich auf solche Urlaubsansprüche anwendbar, die sich aus dem Bundesurlaubsgesetz ergeben, also auf den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Tagen. Tarifliche und arbeitsvertragliche sowie betriebliche Regelungen sind hiervon nicht unmittelbar betroffen.
 

IG Metall begrüßt die Entscheidung

Die Entscheidungen sind aus Arbeitnehmersicht zu begrüßen. Es ist richtig, dass der EuGH an die Verletzung der Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers Rechtsfolgen knüpft, die sicherstellen, dass der Arbeitgeber nicht nach Ablauf längerer Zeit doch noch von einem Verfall der Urlaubsansprüche profitiert.

Mehr aus dem Arbeits- und Sozialrecht 

 

 

Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen