Melissa, warum engagierst Du Dich so bei Eurem Streik?
Melissa Gilbert: Anfangs war ich noch skeptisch, als das losging mit der IG Metall, mit der Betriebsratswahl und unserer Forderung nach einem Tarifvertrag. Ich war ursprünglich bei Riva in Lampertheim angestellt, wo anders als in Trier und Horath Metall-Tarif bezahlt wird. Ich selbst verdiene daher gut. Doch dann habe ich erfahren, wie wenig viele hier bei uns verdienen. Zuvor hatte da niemand offen darüber geredet. Meine Kollegin im Büro etwa bekommt 1800 Euro brutto. Wie sollst Du davon eine Familie ernähren? Was mich dann letztlich voll überzeugt hat, war die große Solidarität, die sich bei uns entwickelt hat, auch mit unseren Kolleginnen und Kollegen im 40 Kilometer entfernten Horath. Bis dahin hatten wir kaum Kontakt. Jetzt halten wir alle zusammen. Und ich bin ganz vorne mit dabei.
Melissa Gilbert (Foto: IG Metall)
Du bist sogar Sprecherin Eurer Tarifkommission und Mitglied Eurer Verhandlungskommission - mit 25 Jahren. Wie kam es dazu?
Ich habe mir das alles am Anfang nicht zugetraut. Doch viele Kolleginnen und Kollegen kamen zu mir, wenn sie Fragen hatten. Ich rede immer frei Schnauze und erkläre anscheinend gut. Als wir dann unsere Tarifkommission wählten, sagten viele: Melissa, Du musst da mit rein. Schließlich fragte mich dann Uwe Zabel, unser Verhandlungsführer von der IG Metall, ob ich Mitglied unserer Verhandlungskommission werden will. In den Verhandlungen lasse ich erst mal Uwe reden, sage aber auch meine Meinung. Wir wissen genau, dass Riva gut verdient. Die italienische Presse berichtet, dass der Konzern 2018 seinen Nettogewinn mehr als verdoppelt hat.
Rekordgewinne – doch Eure Löhne liegen 20 bis 30 Prozent unter dem Metall-Tarif. Wie kann Riva sich das erlauben? Kriegt Ihr denn überhaupt noch Leute?
Wir haben schon Probleme, Leute zu kriegen. Nicht nur wegen der Löhne. Als ich vor drei Jahren bei HES in angefangen habe, bin ich auch erst mal erschrocken. Unser Büro ist ein ziemlich mickriger Container. Damals hieß es: Das ist nur vorübergehend. Doch seither hat sich da nichts getan, ebenso wenig wie bei den Lohnerhöhungen, die sie uns versprochen haben. Ich habe zwar den Ausbilderschein – aber es gibt bei uns im Büro keine Auszubildende, die ich ausbilden könnte.
Wie bist Du denn zu Riva gekommen?
Ursprünglich habe ich eine Ausbildung zur Industriekauffrau in einer Sektkellerei gemacht. Dann habe ich bei einer Papierfabrik im Hunsrück gearbeitet und kam schließlich über Riva in Lampertheim nach Trier. Dort habe ich mich dann neben der Arbeit zur Fachwirtin fortgebildet. Zwei Jahre lang bin ich dazu jeden Samstag noch mal in die Schule.
Ihr seid jetzt zehn Wochen im Streik und fahrt ständig hunderte Kilometer weit zu Aktionen – nach Frankfurt, Berlin, Hennigsdorf. Sogar vor der Riva-Konzernzentrale in Mailand habt Ihr schon demonstriert. Könnt Ihr überhaupt noch?
Das Riva-Management hat uns in der letzten Verhandlung ein noch schlechteres Angebot gemacht als vorher. Sie bezeichnen uns als „Terroristen“ und drohen mit Schließung. Wir haben auf unserer Streikversammlung diskutiert und einstimmig beschlossen: Jetzt erst recht. Wir setzen den Streik fort, bis wir einen Tarifvertrag haben.