Sie sind auffällig. Die goldfarbenen Sammeltaxis, die in Hamburg und Hannover Fahrgäste von A nach B befördern. Bekanntheit hat das hippe Start-up MOIA in den letzten Jahren aber nicht nur wegen der Farbe ihrer Autos erlangt: Dumpinglöhne nahe dem Mindestlohn, miese Arbeitsbedingungen und zahlreiche Kündigungsschutzklagen sorgten bundesweit für Schlagzeilen.
Dabei gilt der Fahrdienstleister als vielversprechendes Start-up. Mit ihrem Konzept soll Mobilität für die Zukunft entstehen: Die Sammeltaxis können per App bestellt werden und holen die Fahrgäste an virtuellen Haltestellen ab. Sobald das Unternehmen möglichst viele Daten gesammelt hat, sollen die Fahrzeuge autonom durch die Städte fahren. Noch sitzen Menschen am Steuer. Ein verantwortungsvoller Job, für den die Fahrerinnen und Fahrer von MOIA lange Zeit nur knapp über dem Mindestlohn verdient haben. Tarifvertrag? Gab es nicht. Und das bei einer 100-prozentigen VW-Tochter. „Für uns war das unvorstellbar: Volkswagen als Weltkonzern, der eigentlich dafür bekannt ist, dass es tarifliche Regelungen gibt“, berichtet Thilo Reusch, Verhandlungsführer der IG Metall.
„VW ist mehr als Mindestlohn“
Das wollten die Beschäftigten nicht länger hinnehmen. Sie organisierten sich gemeinsam mit der IG Metall und forderten das Unternehmen auf, einen Tarifvertrag abzuschließen.
Doch die Tarifverhandlungen liefen schleppend. Die Geschäftsführung zeigte sich nicht bereit, auf die Forderung der Belegschaft einzugehen. „Sie haben total blockiert. Aber uns allen war auch klar, dass es kein Zurück gibt – VW ist schließlich mehr als Mindestlohn“, erzählt Bernd Kühn, Betriebsratsvorsitzender bei MOIA in Hannover. Trotz der Blockadehaltung des Arbeitgebers ließen Bernd und seine Kolleginnen und Kollegen nicht locker: Sie organisierten Warnstreiks. Und bekamen Unterstützung aus Öffentlichkeit und Politik.
„Wir mussten den Druck erhöhen. Die Verhältnisse bei uns wurden ja immer prekärer“, so Bernd Kühn. Kolleginnen und Kollegen kündigten, sobald sie einen anderen Job in Aussicht hatten. „Die Leute hatten zwar Spaß an der Arbeit. Aber bei den Arbeitsbedingungen und der Bezahlung haben viele die erstbeste Gelegenheit genutzt, um da rauszukommen“, berichtet Thilo Reusch.
Dann kam die Wende. Hatte die Unternehmensleitung Anfang des Jahres noch betont, dass die Situation unverändert bleibe, änderte sich ihre Haltung: „Aufgrund unserer Aktionen und der breiten Solidarität, die wir erfahren haben, wurden uns dann doch weitere Gespräche angeboten“, erzählt Peter Alexander, Vorsitzender des Betriebsrats aus Hamburg.
Die Fairness hat gewonnen
Nach anderthalb Jahren haben es die Beschäftigten nun endlich geschafft: Der Tarifvertrag steht. Ab September erhalten die Fahrerinnen und Fahrer mit 350 Euro brutto im Monat deutlich mehr Geld. Bereits im Juli gibt es für Vollzeitbeschäftigte eine Inflationsausgleichsprämie von 1000 Euro netto. Außerdem wurde ein jährliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld von jeweils 375 Euro vereinbart.
Obendrauf gibt es deutliche Verbesserungen beim Urlaub: Ab 2025 wird der Urlaub jährlich um einen Tag erhöht, bis er 2027 27 Tagen beträgt. Beschäftigte mit einer Betriebszugehörigkeit von mehr als fünf Jahren erhalten sogar drei zusätzliche Urlaubstage pro Jahr.
„Die Verhandlungen waren zwar hart“, so Peter Alexander. „Aber letztendlich konnten wir einen tollen Erfolg für die Kolleginnen und Kollegen erzielen. Man sieht fast nur noch strahlende Gesichter auf dem Hof.“ Und am Ende sei das Ergebnis auch ein Gewinn für das Unternehmen. Denn in Zeiten des Fach- und Arbeitskräftemangels falle die Suche nach Beschäftigten schließlich leichter, wenn die Bezahlung stimmt.
Thilo Reusch, Verhandlungsführer der IG Metall, blickt positiv in die Zukunft: „Der Tarifvertrag läuft am 31. Dezember 2025 aus, dann geht es für uns in die nächste Runde.“